Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Frage, ob ein Richter ggf. "ausgeschlossen" ist, ist insbesondere bei der Vorbereitung der HV von Bedeutung.
2. Die Ausschlussgründe sind in der StPO in den §§ 22, 23 enumerativ aufgezählt.
3. Die Frage des Ausschlusses wegen vorangegangener Mitwirkung, die sich nach § 23 beurteilt, stellt sich insbesondere immer wieder dann, wenn eine Entscheidung durch das Revisionsgericht aufgehoben und nach § 354 Abs. 2 zurückverwiesen worden ist.
4. Ist ein Ausschließungsgrund zu bejahen, ist der Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen, sein Richteramt auszuüben.
 

Rdn 812

 

Literaturhinweise:

Arzt, Der befangene Strafrichter, 1969

ders., Ausschließung und Ablehnung des Richters im Wiederaufnahmeverfahren, NJW 1971, 1112

Burhoff, Anwendbarkeit von Normen des Deliktsrechts, Verfahrens- und Prozessrechts auf nichteheliche Lebensgemeinschaften, FPR 2001, 18

ders., Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Straf(verfahrens)recht, StRR 2008, 287

Dahs, Ablehnung von Tatrichtern nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht, NJW 1966, 1691

Gravenhorst, Zurückverweisung und gesetzlicher Richter, NJW 2018, 2161

Meyer-Mews, Fallstudie: Der erkennende Richter als Zeuge, JuS 2002, 376

Michel, Der Richter als Zeuge im Strafverfahren, MDR 1992, 1026

Müller, Unter welchen Voraussetzungen ist jemand als Richter wegen früherer Befassung mit der Sache ausgeschlossen?, NJW 1961, 102

Rieß, Zur Revisibilität der freien tatrichterlichen Überzeugung, GA 1978, 257

Rissing van Saan, Der "erkennende" Richter als Zeuge im Strafprozeß, MDR 1993, 310

Seibert, Das andere Gericht (§ 354 Abs. 2 StPO), NJW 1968, 1317

s.a. die Hinw. bei → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 2.

 

Rdn 813

1. Die Frage, ob ein Richter ggf. "ausgeschlossen" ist, ist insbesondere bei der Vorbereitung der HV von Bedeutung. Der Ausschluss ist von Amts wegen zu beachten, eine Entscheidung bedarf es nur in Zweifelsfällen.

 

☆ Der Verteidiger und der Beschuldigte/Angeklagte können die Entscheidung aber ohne zeitliche Beschränkung anregen oder mit einem Ablehnungsgesuch gem. § 24 geltend machen. Der betroffene Richter (vgl. § 22 Nr. 5) hat ggf. die Möglichkeit, die Selbstablehnung (§ 30) zu erklären (u.a. AG Rudolstadt, Beschl. v. 14.3.2019 – 260 Js 15751/18 2 Cs, StV 2020, 462).Entscheidung aber ohne zeitliche Beschränkung anregen oder mit einem Ablehnungsgesuch gem. § 24 geltend machen. Der betroffene Richter (vgl. § 22 Nr. 5) hat ggf. die Möglichkeit, die Selbstablehnung (§ 30) zu erklären (u.a. AG Rudolstadt, Beschl. v. 14.3.2019 – 260 Js 15751/18 2 Cs, StV 2020, 462).

 

Rdn 814

Die Vorschrift des § 22 erfordert nicht den Nachweis, dass der entscheidende Richter tatsächlich voreingenommen ist. Es soll vielmehr bereits durch eine generelle Regelung der bloße Anschein einer sachfremden Beeinflussung vermieden werden (BGH NStZ 2007, 711; 2011, 106; Beschl. v. 18.8.2018 – 1 StR 454/18, NStZ 2019, 353 m. Anm. Hillenbrand StRR 12/2018, 11).

 

Rdn 815

2.a) Die Ausschlussgründe sind in der StPO in den §§ 22, 23 enumerativ aufgezählt, von besonderer praktischer Bedeutung sind insbesondere § 22 Nr. 4 und § 22 Nr. 5 (vgl. unten Teil A Rdn 820 ff.) und § 23 (vgl. Teil A Rdn 829). Im Einzelnen gilt:

 

Rdn 816

b) Nach § 22 Nr. 1 ist der Richter ausgeschlossen, wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist (→ Verletzter, Begriff, Teil V Rdn 4702). "Straftat" i.S.d. Nr. 1 ist nur die, die Prozessgegenstand des anhängigen Verfahrens ist (BGH NStZ-RR 2013, 66 [Ci/Zi]), da sich anderenfalls der Angeklagte einem jeden Richter entziehen könnte (BVerfG NJW 1996, 2022). Eine erst in der HV begangene Straftat reicht also nicht aus (BGHSt 14, 219; BGH NStZ-RR 2013, 66 [Ci/Zi]).

 

Rdn 817

Der Richter muss unmittelbar durch die abzuurteilende Tat betroffen sein. Bei einem Vermögensdelikt kommt es darauf an, ob durch das tatsächliche Geschehen, welches Gegenstand des Strafverfahrens ist, bei dem zur Entscheidung berufenen Richter unmittelbar ein Vermögensnachteil bewirkt worden ist (BGH NStZ 2006, 646) Deshalb reicht es z.B. nicht aus, wenn der Richter, der über den strafrechtlichen Vorwurf der Untreue zulasten einer politischen Partei zu entscheiden hat, selbst Mitglied dieser Partei ist. Auch reicht eine nur allgemeine, das Gericht insgesamt betreffende Bombendrohung nicht für einen Ausschluss nach Nr. 1 als Verletzter aus (BGH NStZ-RR 2002, 66 [Be]). Nicht ausreichend ist es auch, wenn der Richter nur Mieter von Wohnungen ist, gegenüber deren Eigentümer der Angeklagte einen Betrug in Zusammenhang mit der Erhebung von Straßenreinigungskosten begangen haben soll (BGH NStZ 2009, 342; dazu Volkmer NStZ 2009, 371). Entsprechendes gilt, wenn der Vater des Richters an einem in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten Fond beteiligt ist (BGH NStZ-RR 20120, 98 [Ci/Zi]).

 

Rdn 818

c) Nach § 22 Nr. 2 ist der Richter ausgeschlossen, wenn er Ehegatte, Lebenspartner i.S.v. § 1 LPartG, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzten (→ Verletzter, Begriff, Teil V Rdn 4712) ist od...

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