Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Frage, ob ein Richter ggf. vom Verfahren "ausgeschlossen ist", ist in den §§ 22, 23 geregelt. Der Ausschluss ist von Amts wegen zu beachten.
2. Die Ausschließungsgründe sind im Gesetz enumerativ aufgezählt.
3. War der Richter in der Sache als Beamter der StA, als Polizeibeamter, als Rechtsanwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig, liegt der Ausschlussgrund des § 22 Nr. 4 vor.
4. Ausgeschlossen ist ein Richter insbesondere, wenn er in der Sache als Zeuge oder SV vernommen ist. Allein die Benennung eines Richters als Zeugen in einem Beweisantrag reicht für den Ausschluss aber nicht aus.
5. Der Richter, der an einer früheren, inzwischen vom Rechtsmittelgericht aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist nicht allein deshalb bei einer neuen Verhandlung in derselben Sache ausgeschlossen.
6. Ist ein Ausschließungsgrund zu bejahen, ist der Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen, sein Richteramt auszuüben.
 

Rdn 544

 

Literaturhinweise:

Arzt, Der befangene Strafrichter, 1969

Burhoff, Anwendbarkeit von Normen des Deliktsrechts, Verfahrens- und Prozessrechts auf nichteheliche Lebensgemeinschaften, FPR 2001, 18

ders., Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Straf(verfahrens)recht, StRR 2008, 287

Dahs, Ablehnung von Tatrichtern nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht, NJW 1966, 1691

Gravenhorst, Zurückverweisung und gesetzlicher Richter, NJW 2018, 2161

Meyer-Mews, Fallstudie: Der erkennende Richter als Zeuge, JuS 2002, 376

Michel, Der Richter als Zeuge im Strafverfahren, MDR 1992, 1026

Müller, Unter welchen Voraussetzungen ist jemand als Richter wegen früherer Befassung mit der Sache ausgeschlossen?, NJW 1961, 102

Pauly, Beweisanträge auf Vernehmung von Richtern, in: Festschrift 25 Jahre AG Strafrecht, 2009, S. 731

Rieß, Zur Revisibilität der freien tatrichterlichen Überzeugung, GA 1978, 257

Rissing van Saan, Der "erkennende" Richter als Zeuge im Strafprozess, MDR 1993, 310

Seibert, Das andere Gericht (§ 354 Abs. 2 StPO), NJW 1968, 1317

Volkmer, Der entscheidungsbefugte Verletzte – Zu den Grenzen des Ausschlusses nach § 22 Nr. 1 StPO, NStZ 2009, 371

s.a. die Hinw. bei → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 8.

 

Rdn 545

1. Die Frage, ob ein Richter ggf. vom Verfahren "ausgeschlossen ist", ist in den §§ 22, 23 geregelt. Der Ausschluss ist von Amts wegen zu beachten, einer Entscheidung bedarf es nur in Zweifelsfällen (vgl. a. Teil A Rdn 562 ff.).

 

☆ Der Verteidiger und der Angeklagte können die Entscheidung ohne zeitliche Beschränkung anregen oder mit einem Ablehnungsgesuch gem. § 24 geltend machen. Der betroffene Richter (vgl. § 22 Nr. 5) hat ggf. die Möglichkeit, die Selbstablehnung (§ 30) zu erklären (AG Rudolstadt, Beschl. v. 14.3.2019 – 260 Js 15751/18 2 Cs, StV 2020, 462. → Ablehnung, Selbstablehnung , Teil A Rdn  75 ).Entscheidung ohne zeitliche Beschränkung anregen oder mit einem Ablehnungsgesuch gem. § 24 geltend machen. Der betroffene Richter (vgl. § 22 Nr. 5) hat ggf. die Möglichkeit, die Selbstablehnung (§ 30) zu erklären (AG Rudolstadt, Beschl. v. 14.3.2019 – 260 Js 15751/18 2 Cs, StV 2020, 462. → Ablehnung, Selbstablehnung, Teil A Rdn 75).

 

Rdn 546

Die Vorschrift des § 22 erfordert nicht den Nachweis, dass der entscheidende Richter tatsächlich voreingenommen ist. Es soll vielmehr bereits durch eine generelle Regelung der bloße Anschein einer sachfremden Beeinflussung vermieden werden (BGH NStZ 2007, 711; 2011, 106; Beschl. v. 18.8.2018 – 1 StR 454/18, NStZ 2019, 353 m. Anm. Hillenbrand StRR 12/2018, 11).

 

Rdn 547

2.a) Die Ausschlussgründe sind im Gesetz in den §§ 22, 23 enumerativ aufgezählt (vgl. auch Teil A Rdn 548 ff.). Von besonderer praktischer Bedeutung sind insbesondere § 22 Nr. 4 und § 22 Nr. 5 (vgl. unten Teil A Rdn 552 ff.) und § 23 (vgl. Teil A Rdn 559), die Ausschließungsgründe des § 22 Nr. 1–3 (vgl. Teil A Rdn 548 ff.) sind nicht von so erheblicher Bedeutung.

 

Rdn 548

b) Nach § 22 Nr. 1 ist ein Richter ausgeschlossen, wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist (→ Verletzter, Begriff, Teil V Rdn 3631). "Straftat" i.S.d. Nr. 1 ist nur eine die, die Prozessgegenstand des anhängigen Verfahrens ist (BGH NStZ-RR 2013, 66 [Ci/Zi]), da sich anderenfalls der Angeklagte einem jeden Richter entziehen könnte (BVerfG NJW 1996, 2022). Eine erst in der HV begangene Straftat reicht also nicht aus (BGHSt 14, 219; BGH NStZ-RR 2013, 66 [Ci/Zi]).

 

Rdn 549

Der Richter muss unmittelbar durch die abzuurteilende Tat betroffen sein. Bei einem Vermögensdelikt kommt es darauf an, ob durch das tatsächliche Geschehen, welches Gegenstand des Strafverfahrens ist, bei dem zur Entscheidung berufenen Richter unmittelbar ein Vermögensnachteil bewirkt worden ist (BGH NStZ 2006, 646). Deshalb reicht es z.B. nicht aus, wenn der Richter, der über den strafrechtlichen Vorwurf der Untreue zulasten einer politischen Partei zu entscheiden hat, selbst Mitglied dieser Partei ist. Auch reicht eine nur allgemeine, das Gericht insgesamt betreffende Bombendrohung für einen Ausschluss nach Nr. 1 als Verl...

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