Rdn 277

 

Literaturhinweise:

Tsambikakis, Das "geteilte" Akteneinsichtsrecht, in: Festschrift für Christian Richter II, 2006, S. 529

s.a. die Hinw. bei → Akteneinsicht, Allgemeines, Teil A Rdn 226.

 

Rdn 278

In Verfahren, die sich gegen mehrere Beschuldigte richten, können hinsichtlich der AE sowohl praktische (vgl. Teil A Rdn 279) als auch rechtliche Probleme (vgl. Teil A Rdn 280 ff.) auftreten:

 

Rdn 279

1. Praktische Schwierigkeiten macht oft die Frage, wie die AE mehrerer Verteidiger mehrerer Beschuldigter organisiert werden kann. I.d.R. werden dazu Zweitakten oder Mehrfachakten anzulegen sein, damit mehrere Verteidiger gleichzeitig die Akten einsehen können. Es kann aber auch der eine Verteidiger dem anderen Verteidiger eines Mitbeschuldigten den von ihm gefertigten Aktenauszug zur Einsichtnahme zur Verfügung stellen.

 

☆ Wird gegen einen oder mehrere der Beschuldigten U-Haft vollzogen, ist die StA grds. verpflichtet , Zweit- oder Drittakten anzulegen. Tritt nämlich durch die mehrmalige AE eine Verzögerung der Verfahrens ein, liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 121 Abs. 1, der die Fortdauer der U-Haft über sechs Monate hinaus ggf. rechtfertigen würde, nicht vor ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 121 Rn 23 m.w.N.; s.a. OLG Bremen StV 1993, 377), wenn der auf der AE beruhenden Verzögerung nicht von vornherein durch Anlegen von Zweitakten begegnet wurde (s.a. →  Haftprüfung durch das Oberlandesgericht , Teil A Rdn 2604).U-Haft vollzogen, ist die StA grds. verpflichtet, Zweit- oder Drittakten anzulegen. Tritt nämlich durch die mehrmalige AE eine Verzögerung der Verfahrens ein, liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 121 Abs. 1, der die Fortdauer der U-Haft über sechs Monate hinaus ggf. rechtfertigen würde, nicht vor (Meyer-Goßner/Schmitt, § 121 Rn 23 m.w.N.; s.a. OLG Bremen StV 1993, 377), wenn der auf der AE beruhenden Verzögerung nicht von vornherein durch Anlegen von Zweitakten begegnet wurde (s.a. → Haftprüfung durch das Oberlandesgericht, Teil A Rdn 2604).

 

Rdn 280

2. Rechtliche Probleme ergeben sich in folgender Hinsicht (zum AER des Beschuldigten in Akten eines parallel geführten EV Tsambikakis, a.a.O., S. 529):

a) Wenn ein einheitliches Verfahren geführt wird, erstreckt sich das AER jedes Verteidigers selbstverständlich auf die gesamten Akten. Aktenteile, die die Tat nur eines Beschuldigten betreffen, dürfen nicht zurückgehalten werden.

 

Rdn 281

b)aa) Wird das einheitliche Verfahren getrennt und gegen mehrere Beschuldigte in unterschiedlichen Verfahren fortgesetzt, erstreckt sich das Einsichtsrecht jedes Verteidigers grds. auf die gesamten Akten des Ursprungsverfahrens bis zum Zeitpunkt der Trennung und nicht nur auf die Teile, die das Gericht für bedeutungsvoll hält (OLG Bremen StV 1993, 377; OLG Hamm StV 1993, 299; OLG Karlsruhe AnwBl 1981, 18; OLG Schleswig SchlHA 1998, 170 f. [L/Sch]; Schäfer NStZ 1984, 206 f.). Etwas anderes gilt ggf. bei Abtrennung und Anklageerhebung gegen einen von mehreren Beschuldigten, gegen die zunächst gemeinsam in einem Tatkomplex ermittelt worden ist. Nach Auffassung des BGH ergibt sich dann in dem abgetrennten Verfahren weder eine Pflicht des Gerichts zur Beiziehung der Akten noch ein Recht des Angeklagten auf Einsicht in die Akten des Ausgangsverfahrens, solange in diesem die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind und die Gewährung von AE den Untersuchungszweck gefährden würde (BGHSt 49, 317; 50, 224; offen gelassen von BGH NStZ 2010, 530). Allein der Umstand, dass in "seinem" Verfahren bereits Anklage erhoben worden ist, rechtfertigt es nach Auffassung des BGH (BGHSt 49, 317) nicht, den Gesichtspunkt der Gefährdung des Untersuchungszwecks (§ 147 Abs. 2) zurücktreten zu lassen (→ Akteneinsicht, Beschränkung, Teil A Rdn 302; dazu auch Tsambikakis, a.a.O., S. 533).

 

☆ Etwas anderes dürfte aber dann gelten, wenn die Abtrennung missbräuchlich erfolgt ist oder sich aus den Akten des noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahrens irgendwelche Tatsachen ergeben, welche für die Beurteilung der angeklagten Tat von Bedeutung und im abgetrennten Verfahren nicht bekannt sind (so wohl BGHSt 50, 224). Darauf muss der Verteidiger in seinem AE-Antrag hinweisen.Abtrennung missbräuchlich erfolgt ist oder sich aus den Akten des noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahrens irgendwelche Tatsachen ergeben, welche für die Beurteilung der angeklagten Tat von Bedeutung und im abgetrennten Verfahren nicht bekannt sind (so wohl BGHSt 50, 224). Darauf muss der Verteidiger in seinem AE-Antrag hinweisen.

 

Rdn 282

bb) Inwieweit allerdings ein Einsichtsrecht auch in die Teile der Akten von Mitbeschuldigten besteht, die erst nach Trennung der Ursprungsverfahrens entstanden sind oder in die gesamten Akten, wenn die Verfahren von Anfang an getrennt geführt wurden, ist noch nicht abschließend entschieden. Die h.M. in der Rspr. und Lit. hat die Frage in der Vergangenheit weitgehend einhellig verneint (vgl. u.a. OLG Hamm StV 1993, 299, 301 m.w.N.; OLG Schleswig SchlHA 1998, 170 f. [L/Sch]; Meyer-Goßner/Schmitt, § 147 Rn 16a). Davon war n...

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