Das Wichtigste in Kürze:

1. Als Befangenheit i.S.d. § 24 wird die innere Haltung des Richters angesehen, aufgrund derer er ggf. nicht mehr neutral ist. Für die Beurteilung der Befangenheit kommt es auf den Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten an.
2. Ein Ablehnungsgrund kann sich grds. nicht aus dem eigenen Verhalten des Ablehnenden ergeben.
3. Ein Ablehnungsgrund kann aus der Vortätigkeit des Richters folgen.
4. Ein Ablehnungsgrund kann sich schließlich aus dem Verhalten oder Äußerungen ableiten lassen.
5. Bei der Verhandlungsführung ist Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des Richters gerechtfertigt, wenn sie rechtsfehlerhaft, unangemessen oder sonst unsachlich ist.
6. Ggf. können auch die persönlichen Verhältnisse des Richters die Ablehnung begründen.
 

Rdn 94

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 8, und bei → Ablehnungsgründe, Befangenheit, Allgemeines, Teil A Rdn 81.

 

Rdn 95

1. Aus seinem eigenen Verhalten kann der Ablehnende grds. keinen Ablehnungsgrund herleiten. Er hätte es sonst in der Hand, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen und die Besetzung der Richterbank zu manipulieren (u.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 Rn 7 m.w.N.). In der Literatur (vgl. KMR-Bockemühl, § 24 Rn 21 m.w.N.; Bock StraFo 2017, 142) gibt es aber auch andere Stimmen, die davon ausgehen, dass es eine Frage des Einzelfalls ist (so KMR-Bockemühl, a.a.O.) oder darauf abstellen, ob das Verhalten des Ablehnenden "rechtsmissbräuchlich" in dem Sinn ist, dass er unternommen wird, um einen Ablehnungsgrund zu schaffen (so Bock, a.a.O.).

2. Hinzuweisen ist auf der Grundlage der h.M. auf folgende

 

Rdn 96

 

Rechtsprechungsbeispiele:

Der Richter selbst hat wegen eines beleidigenden oder provozierenden Verhaltens des Beschuldigten/Angeklagten oder seines Verteidigers Strafanzeige erstattet (OLG München NJW 1971, 384; AG Nürnberg, Beschl. v. 23.9.2014 – BwR 403 Ds 304 Js 6812110; differenzierend BGH NStZ 1992, 290; s.a. BVerfG NJW 1995, 2912 [zu einem Ablehnungsgesuch mit der Begründung, der für den Gerichtsbezirk zuständige Gerichtspräsident habe einen Strafantrag gegen den Beschuldigten wegen Kollektivbeleidigung von Richtern gestellt]; zur Strafanzeige als Ablehnungsgrund Nierwetberg NJW 1996, 435 [für den Bereich der ZPO]; s. aber auch BVerfG NJW 2012, 3228 für das Zivilverfahren),
gegen den Richter ist Dienstaufsichtsbeschwerde (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 1635) erhoben oder
ein Disziplinarverfahren (BGH NJW 1952, 1425) beantragt oder
wegen Strafanzeige erstattet worden (BGH NJW 1962, 748, 749 [angebliche Rechtsbeugung]; ähnl. OLG Hamm, Beschl. v. 8.7.2004 – 3 Ss 245/04; vgl. auch noch BGH, Beschl. v. 16.5.2018 – PatAnw (R) 1/18 für Strafanzeige gegen den Richter wegen uneidlicher Falschaussage wegen des Inhalts seiner dienstlichen Äußerung), die bloße Tatsache der Anzeigeerstattung bildet aber keinen Ablehnungsgrund, sondern allein der in ihr enthaltene Sachverhalt und rechtliche Vorwurf (BGH, a.a.O.),
ggf., wenn zwischen dem Richter und dem Verteidiger Spannungen in einem so erheblichen Ausmaß bestehen, dass das gegenseitig zu Strafanzeigen, Dienstaufsichtsbeschwerden und Verfahren vor dem Ehrengerichtshof der Anwaltskammer geführt hat (OLG Hamm NJW 1951, 731; m.E. zw.; → Ablehnungsgründe, Befangenheit, persönliche Verhältnisse, Teil A Rdn 86).

Siehe auch: → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 8 m.w.N.; → Ablehnungsgründe, Befangenheit, Allgemeines, Teil A Rdn 81 m.w.N.; → Ausschluss eines Richters, Teil A Rdn 543.

[Autor] Burhoff

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