Rz. 72

Für die Durchführung des Wertausgleichs nach der Scheidung sieht das VersAusglG ein flexibles Instrumentarium vor, mit welchem einerseits den verschiedenen in Betracht kommenden Situationen und zum anderen v.a. dem Schutzinteresse des Ausgleichsberechtigten Rechnung getragen werden soll: Ist vom Wertausgleich nach der Scheidung eine Rente betroffen, wird durch die Zahlung einer Ausgleichsrente ausgeglichen, sodass in diesen Fällen ein unterhaltsähnliches Dauerschuldverhältnis entsteht (vgl. § 20 VersAusglG, siehe dazu Rdn 73 ff.), aber auch eine Einmalkapitalleistung, wenn das auszugleichende Anrecht den Anspruch auf eine Einmalzahlung begründet und diese dann an den Ausgleichspflichtigen auszahlt (§ 22 VersAusglG, siehe dazu Rdn 95 ff.). Nur zur Sicherung gegen die Zahlungsunfähigkeit des Ausgleichspflichtigen räumt das Gesetz dem Ausgleichsberechtigten einen Anspruch auf Abtretung der Ansprüche auf die laufende Versorgung ein (vgl. § 21 VersAusglG) (siehe dazu Rdn 114 ff.). Dadurch entsteht aber kein eigenständiges Anrecht; die Abtretung wird vielmehr automatisch wieder unwirksam, wenn der Ausgleichspflichtige stirbt (§ 21 Abs. 4 VersAusglG, siehe dazu Rdn 123 ff.). Nur ausnahmsweise hat der Ausgleichsberechtigte Teil an einer Hinterbliebenenversorgung (§§ 25 f. VersAusglG, siehe dazu Rdn 175 ff.). Weil der Ausgleichsberechtigte beim Versorgungsausgleich nach der Scheidung eine nur sehr schwache Stellung hat, kann er die Abfindung seiner Ausgleichsansprüche verlangen (§ 23 VersAusglG). Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen derartigen Ausgleich werden in den meisten Fällen aber nicht vorliegen.

I. Ausgleich durch Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente

 

Rz. 73

Für den Regelfall, dass im Wertausgleich nach der Scheidung laufende Rentenleistungen aus dem noch nicht ausgeglichenen Anrecht ausgeglichen werden müssen, sieht § 20 Abs. 1 VersAusglG vor, dass der Ausgleich durch die Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente erfolgt (vgl. § 20 Abs. 1 VersAusglG).

1. Berechnung der Ausgleichsrente

 

Rz. 74

Die Berechnung der Ausgleichsrente richtet sich im Grundsatz nach denselben Regeln wie der Versorgungsausgleich bei der Scheidung.

 

Rz. 75

Für die Bestimmung des Ehezeitanteils und des Ausgleichswerts sind dieselben Kriterien maßgebend wie beim Ausgleich bei der Scheidung: Es kommt darauf an, ob das Anrecht in der Ehezeit erworben wurde (siehe dazu § 4 Rdn 61 ff.). Auszugleichen ist die Hälfte des Ehezeitanteils (§ 1 VersAusglG, zum Ehezeitprinzip siehe oben § 4 Rdn 61 ff.). Dessen Wert ist – soweit möglich – durch unmittelbare Bewertung und bei Unmöglichkeit der unmittelbaren Bewertung zeitratierlich[26] zu bestimmen (vgl. §§ 39 ff. VersAusglG, siehe dazu § 6 Rdn 16 ff.). Wenn beides nicht möglich ist, ist nach Billigkeit zu bewerten.

 

Rz. 76

Die Ausgleichswerte der Anrechte sind genauso zu bestimmen, wie beim Ausgleich bei der Scheidung. Eine Ausnahme besteht allerdings in Bezug auf die Darstellung des Ausgleichswerts. Normalerweise ist dieser in der für das jeweilige Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße anzugeben, insb. also in Entgeltpunkten, Rentenbeträgen oder Kapitalwerten (§ 5 Abs. 1 Vers­AusglG). Beim Wertausgleich nach der Scheidung werden jedoch im Regelfall bereits laufende Renten gezahlt. Deswegen ist in Verfahren über Ausgleichsansprüche nach der Scheidung grds. nur der Rentenbetrag zu berechnen (§ 5 Abs. 4 Satz 1 VersAusglG).

 

Rz. 77

Welche Werte ausgeglichen werden, richtet sich grds. nach dem Ende der Ehezeit. Rechtliche und tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf das Ende der Ehezeit zurückwirken, sind aber zu berücksichtigen, soweit es sich um allgemeine Wertveränderungen handelt (§ 5 Abs. 4 Satz 2 VersAusglG). Maßgebend ist insoweit das Ende der letzten mündlichen Verhandlung in der Scheidungssache, wenn die Eheleute bereits zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den schuldrechtlichen Ausgleich erfüllen. Handelt es sich um einen Wertausgleich nach der Scheidung, der erst nach dem Scheidungsverfahren durchgeführt wird, kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über diesen an.

 

Rz. 78

Entscheidend für die Berücksichtigung ist, ob eine Wertveränderung eines Anrechts zwischen der Scheidung und der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung eine allgemeine ist (in diesem Fall ist sie zu berücksichtigen) oder nicht. Allgemeine Wertanpassungen können betreffen:

die Anpassung des Anrechts an die wirtschaftliche Entwicklung (Dynamisierung),[27]
die Anpassung der aktuellen Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung,
die Anpassungen der Beamtenversorgung nach dem Ende der Ehezeit, soweit diese in festen Beträgen ausgedrückt ist,[28]
die Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG,
die Erhöhung der Überschussanteile in der privaten Altersversorgung,
Wertänderungen des Anrechts, die diesem aufgrund der Versorgungsanordnung schon latent innegewohnt haben (Streichung von Ausbildungszeiten, Verlängerung von Kindererziehungszeiten und Ähnliches),[29]
Wegfall von Versorgungen (durch Auflösung, Ausscheiden aus de...

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