Rz. 61

Der Versorgungsausgleich ist in Bezug auf Versorgungsanrechte das funktionelle Äquivalent zum Zugewinnausgleich: Ausgeglichen werden soll das gemeinsam in der Ehe Erwirtschaftete. Dem entspricht es, dass § 3 Abs. 2 VersAusglG bestimmt, dass in den Versorgungsausgleich (nur) Anrechte einzubeziehen sind, die in der Ehezeit erworben wurden. Diese Anrechte nennt das Gesetz Ehezeitanteile (§ 1 Abs. 1 VersAusglG). Aus Vereinfachungsgründen wird die Ehezeit aber anders als im Zugewinnausgleich berechnet, weil es den Versorgungsträgern nicht zugemutet werden sollte, taggenau abzurechnen (vgl. § 3 Abs. 1 VersAusglG, zu den Einzelheiten siehe unten Rdn 61 ff.). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber grds. den Versorgungsausgleich ausgeschlossen, wenn die Ehezeit nur kurz war; in diesem Fall haben es aber beide Ehegatten in der Hand, durch die Stellung eines dahingehenden Antrags die Durchführung eines Versorgungsausgleichs doch zu erzwingen (§ 3 Abs. 3 VersAusglG, zu den Einzelheiten siehe unten Rdn 81 ff.).

I. Begriff der Ehezeit

 

Rz. 62

Der Begriff der Ehezeit ist in § 3 Abs. 1 VersAusglG geregelt. Er deckt sich mit dem Ehezeitbegriff in § 1587 Abs. 2 BGB a.F. Gerechnet wird in vollen Monaten: vom Monat, in dem die Ehe geschlossen wurde, bis zu dem Monat, welcher der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorausging. Die Ehezeit ist nur in engen Grenzen disponibel (siehe unten § 7 Rdn 44 ff.).

1. Beginn der Ehezeit

 

Rz. 63

Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist (§ 3 Abs. 1 VersAusglG). Ob die Ehegatten schon vorher zusammengelebt haben, ob sie schon gemeinschaftliche Kinder hatten usw. ist ohne Belang.

 

Rz. 64

Bei mehreren Eheschließungen kommt es auf die letzte an.[52] Die Anrechte aus einer vorher schon einmal zwischen diesen Ehegatten bestehenden Ehe wurden ja dem Versorgungsausgleich bei der Auflösung der ersten Ehe bereits unterworfen (oder nicht, wenn die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen). Die Nichteinbeziehung gilt auch dann, wenn die erste Ehe von kurzer Dauer war und keiner der Ehegatten einen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs gestellt hatte. Es ist unzulässig, die Dauer der zweiten Ehe hinzuzurechnen und so auf die Ausgleichsfähigkeit auch der früher erworbenen Anrechte zu kommen. Ebenso wenig kann durch die Addition der ersten Ehezeit aus einer nachfolgenden kurzen Ehe eine solche werden, die die Dreijahresschwelle überschreitet.

 

Rz. 65

Eine aufhebbare Ehe reicht aus (vgl. § 1318 Abs. 3 BGB). Insoweit ist in Bezug auf Lebenspartnerschaften zu beachten, dass bei diesen bestimmte Partnerschaftshindernisse nicht zu einer aufhebbaren, sondern zu einer nichtigen Lebenspartnerschaft führen (vgl. §§ 1, 15 LPartG). In diesen Fällen findet kein Versorgungsausgleich statt, weil die eingegangene Partnerschaft ein rechtliches nullum war.

 

Rz. 66

Der Nachweis des Zeitpunkts der Eheschließung wird durch die Vorlage der Heiratsurkunde geführt.

[52] BGH FamRZ 1983, 461.

2. Ende der Ehezeit

 

Rz. 67

Die Ehezeit endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags (§ 3 Abs. 1 VersAusglG). Entsprechendes gilt bei der Aufhebung der Ehe (§ 1318 BGB).[53] Zeiten des Getrenntlebens sind grds. irrelevant und zählen noch zur Ehezeit, soweit sie vor dem genannten Zeitpunkt liegen, sodass die in dieser Zeit erworbenen Anrechte noch auszugleichen sind. Nur bei besonders langen Trennungsphasen kann Härten mithilfe von § 27 VersAusglG begegnet werden.[54]

 

Rz. 68

Entscheidend ist der Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags, welcher das zur Scheidung führende Verfahren in Gang gesetzt hat.[55] Stellen die Eheleute wechselseitige Scheidungsanträge, kommt es auf die erste Zustellung an. Werden Anträge wieder zurückgenommen, verlieren sie grds. ihre Relevanz für das Scheidungsverfahren. Das kann (bei zunächst nur einem Scheidungsantrag) bedeuten, dass wegen veränderter Stichtage nun sämtliche Auskünfte noch einmal eingeholt werden müssen, wenn dann erneut von der Gegenseite die Scheidung beantragt wird. Bei wechselseitigen Anträgen gilt das aber nicht; in diesem Fall bleibt die auf den Ausgangstermin wirkende Rechtshängigkeitswirkung erhalten.[56]

 

Rz. 69

Dass der Scheidungsantrag vor Ablauf eines Trennungsjahres verfrüht gestellt wird, ist unschädlich.[57]

 

Rz. 70

Ausländische Scheidungsanträge reichen dann zur Markierung des Ehezeitendes aus, wenn die Scheidung in Deutschland anerkannt wird. Ihre Wirksamkeitsvoraussetzungen richten sich nach der lex fori.

 

Rz. 71

Die Zustellung des Scheidungsantrags muss wirksam sein. Unwirksame Zustellungen sind nicht geeignet, das Ehezeitende festzulegen. V.a. reichen ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe und eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195 ZPO) nicht, weil die Zustellung eines Scheidungsantrages von Amts wegen erfolgen muss (§ 166 ZPO). Zustellungsmängel sind nach § 114 FamFG, § 189 ZPO heilbar. In diesen Fällen treten die Wirkungen für den Versorgungsausgleich aber erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Zu einer Rückwirkung kommt es nicht.

 

Rz. 72

...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge