Rz. 5

Dass mit der Anordnung einer Vor- und Nacherbeneinsetzung praktische und wirtschaftliche Nachteile verbunden sein können, darüber sollte sich der Testator bewusst sein.

Gerade im Bereich der Unternehmensnachfolge kann die Vor- und Nacherbschaft nur in Ausnahmefällen eine sinnvolle Gestaltungsalternative bilden. Im Hinblick auf die vielfältigen Beschränkungen, denen der Vorerbe unterliegt (und von denen nur eingeschränkt Befreiung erteilt werden kann), und die zahlreichen Kontrollmöglichkeiten des Nacherben (bzw. seines Vertreters) sind seine Möglichkeiten, wirklich unternehmerisch zu handeln, stark limitiert. Dies gilt nicht nur für sein eigenes Handeln, sondern mitunter auch für die Reaktionen etwaiger Geschäftspartner, insbesondere finanzierender Banken, die dem Vorerben mitunter – wegen der Vor- und Nacherbschaft (und dem damit verbundenen Risiko, der Vorerbe könnte Kreditmittel entgegen dem Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB verwenden) – die Kreditgewährung verweigern.[6]

 

Rz. 6

Ein weiterer wesentlicher wirtschaftlicher Nachteil droht – soweit keine Vollverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG gesichert ist – im Falle der Überschreitung der Steuerfreibeträge. Bei Vor- und Nacherbeneinsetzung fällt zweimal Erbschaftsteuer an. Mit dem Erbfall ist der Vorerbe als Erbe uneingeschränkt steuerpflichtig (§ 6 Abs. 1 ErbStG). Die Erbschaftsteuer ist als außerordentliche Last (§ 2126 BGB) aus den Mitteln der Vorerbschaft, also aus der Substanz der Erbschaft zu entrichten (§ 20 Abs. 4 ErbStG).[7] Der Übergang des Vermögens auf den Nacherben ist mit dem Eintritt des Nacherbfalls (§ 2139 BGB) als vom Vorerben stammend zu versteuern (§ 6 Abs. 2 ErbStG).[8] Steht der Nacherbe zum Erblasser in einem engeren Angehörigkeitsverhältnis als zum Vorerben, ist der Besteuerung auf Antrag sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen (§ 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG). Der Nacherbe ist insoweit nicht steuerpflichtig, als der Nacherbfall schon vor dem Tod des Vorerben eintritt, da hier die vom Vorerben gezahlte Steuer abzüglich des auf eine Bereicherung des Vorerben entfallenden Betrages dem Nacherben angerechnet wird (§ 6 Abs. 3 ErbStG). Tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein und geht zugleich eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, werden beide Nachlassteile zusammengezogen und steuerlich als eine Einheit behandelt; dennoch ist jeder Nachlassteil selbstständig zu ermitteln und zu bewerten.[9]

 

Rz. 7

Abgesehen von der mit dem Tod des Vorerben und dem Eintritt des Nacherbfalls verbundenen doppelten Besteuerung (§ 6 ErbStG) kann die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft auch wegen praktischer Erwägungen ungünstig sein. Denn die mit der Vor- und Nacherbeinsetzung einhergehende längerfristig bindende Verfügung kann den Vorerben womöglich in nicht sinnvoller Weise derart einschränken, dass ihm bei unvorhergesehenen Entwicklungen die erforderliche Flexibilität fehlt, insbesondere wegen der in § 2112 i.V.m. §§ 2113 bis 2115 BGB angeordneten Verfügungsbeschränkungen.

 

Rz. 8

Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Nacherbe nach Ausschlagung (§ 2142 BGB) seinen Pflichtteilsanspruch (§ 2306 Abs. 2 BGB) geltend macht, wozu sich der Nacherbe insbesondere im Falle der befreiten Vorerbschaft oftmals entschließen wird.

[6] Vgl. insoweit Nieder/Kössinger/R. Kössinger/Zintl, § 10 Rn 38.
[7] Das gilt jedoch nicht für Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten, die durch eine vom Vorerben zu verantwortende Nichtzahlung der Erbschaftsteuer entstehen, vgl. OLG Frankfurt a.M. ZEV 2016, 271.
[8] Jülicher, ZEV 2003, 350 mit Gestaltungsüberlegungen.
[9] Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 6 ErbStG Rn 104; Damrau/Tanck/Bothe, Vor §§ 2100 ff. Rn 13.

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