Rz. 31

Da die Nacherbfolge erst mit dem vom Erblasser bezeichneten Ereignis und unabhängig vom Wissen und Wollen des Nacherben[51] eintritt (§ 2139 BGB), hat der Nacherbe für die Dauer der Vorerbschaft keine zum Besitz oder zur Nutzung der Erbschaft oder einzelner Nachlassgegenstände berechtigende Rechtsposition inne, sondern ist lediglich auf Sicherungsmittel beschränkt (§§ 21212123, 21272129 BGB). Der Vorerbe kann als Inhaber aller zum Nachlass gehörenden Rechte über die Nachlassgegenstände verfügen, die Beschränkungen seiner Verfügungsbefugnis (§§ 2113 ff. BGB) entfalten erst mit dem Nacherbfall ihre absolute Wirkung, sollte der Erblasser den Vorerben nicht von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB befreit haben (§ 2136 BGB).

 

Rz. 32

Auch wenn der Nacherbe mit dem Eintritt des Erbfalls noch nicht Erbe wird, erlangt der eingesetzte (Ersatz-)Nacherbe bereits mit dem Erbfall ein unentziehbares und unbeschränkbares Anwartschaftsrecht an der Erbschaft (§ 2108 Abs. 2 BGB).[52] Diese Rechtsposition kann entsprechend § 1946 BGB angenommen oder ausgeschlagen werden (§ 2142 BGB). Die Annahme folgt den allgemeinen Regeln, kann also auch konkludent erfolgen. Ist im Testament nichts anderes verfügt, so wird der Vorerbe Vollerbe, wenn der Nacherbe die Erbschaft ausschlägt, § 2142 BGB. Das Recht zur Ausschlagung besteht ab dem Erbfall (§ 1946 BGB), also schon vor Eintritt des Nacherbfalls (§ 2139 BGB). Die Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB) beginnt für den Nacherben erst mit Kenntnis vom Nacherbfall (§§ 2139 i.V.m. 1944 Abs. 2 BGB). Der Nacherbe hat mit der Ausschlagung einen Pflichtteilsanspruch (§ 2306 Abs. 2 BGB). Da der Nacherbe den ihm zugedachten Erbteil nicht sogleich, sondern erst nach dem Vorerben erhält, steht dies einer Beschränkung i.S.d. § 2306 Abs. 1 BGB gleich. Wegen drohender Verjährung des Pflichtteilanspruches kann der Nacherbe zur Ausschlagung vor dem Nacherbfall gezwungen sein, da die Verjährungsfrist für den Pflichtteilsanspruch unabhängig von der Ausschlagung läuft (§ 2332 Abs. 2 BGB).[53]

 

Rz. 33

Das Anwartschaftsrecht ist veräußerbar (§§ 2033 f., 2371, 2385 BGB) und vererblich (§ 2108 Abs. 2 BGB). Hat der Erblasser allerdings für den Fall, dass der Nacherbe verstirbt, die Vererblichkeit ausgeschlossen (§ 2108 Abs. 2 BGB), so wird der Vorerbe Vollerbe. Sofern es an einer ausdrücklichen testamentarischen Regelung fehlt, ist ein etwaiger Ausschluss der Übertragbarkeit bzw. Vererblichkeit durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln.[54] Sowohl die Mitnacherben als auch im Falle ihres Fehlens der Vorerbe[55] haben ein Vorkaufsrecht entsprechend § 2034 Abs. 1 BGB. Als sonstiges Vermögensrecht kann das Anwartschaftsrecht des Nacherben auch gepfändet werden (§ 857 ZPO).[56] Der Nacherbe kann sein Anwartschaftsrecht übertragen, auch an den Vorerben, der dann Vollerbe wird.[57]

[51] BayObLG NJW-RR 2004, 1377.
[52] BVerwG NJW 2001, 2417; Harder, ZEV 1995, 453.
[53] Palandt/Weidlich, § 2306 Rn 6.
[54] OLG Braunschweig ZEV 2020, 687, 688; Damrau/Tanck/Bothe, § 2108 Rn 5.
[55] Vgl. MüKo/Gergen, § 2306 Rn 16 m.w.N.
[56] Palandt/Weidlich, Einf. v. § 2100 Rn 4.
[57] Hartmann, ZEV 2009, 108.

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