Rz. 53

§ 66 FamFG ermöglicht die Anschlussbeschwerde. Sie muss angesichts des fehlenden Begründungszwangs für die Beschwerde ebenfalls nicht begründet werden (arg. § 65 FamFG). Sie unterliegt keiner Anschlussfrist, kann also auch noch nach Ablauf der eigenen (Haupt-)Beschwerdefrist eingelegt werden.[133] Unerheblich ist hierbei, wann die Tatsachen entstanden sind, auf die die Anschlussbeschwerde gestützt wird.[134] Bedingt durch die Abkoppelung von der Beschwerdefrist ist die Anschlussbeschwerde selbst dann noch statthaft, wenn bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Die Möglichkeit der Anschließung endet erst mit dem Erlass der Entscheidung zur Hauptbeschwerde.[135] Die Anschlussbeschwerde bedarf keiner Beschwer. Sie kann auch zur Erreichung eines weitergehenden als des bisherigen Verfahrensziels eingesetzt werden oder dem Zweck dienen, einen neuen Streitpunkt in das Verfahren einzuführen.[136] Allerdings muss der Anschlussbeschwerdeführer ein Rechtsschutzbedürfnis haben. Dieses fehlt, wenn mit der Anschließung lediglich das gleiche Ziel wie mit dem Hauptrechtsmittel verfolgt werden soll[137] oder das Verschlechterungsverbot (siehe dazu Rdn 6) zugunsten des Beschwerdeführers ohnehin nicht gilt.[138] Dies ist etwa im Verfahren nach § 1666 ff. BGB der Fall,[139] so dass hier eine Anschlussbeschwerde nicht zulässig ist.[140] Gleiches gilt im Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts.[141] und – zutreffender Ansicht zufolge – auch im Verfahren gemäß § 1671 BGB. Denn hier ist eine entsprechende Antragstellung zwar materiell-rechtliche Voraussetzung für eine Sorgerechtsübertragung. Indessen fällt das Sorgerecht dem Beschwerdegericht stets insgesamt zur Überprüfung an.[142] Stellt also der andere Elternteil einen Antrag auf weitergehende Sorgerechtsübertragung als im angefochtenen Beschluss, so bedarf es keiner Anschlussbeschwerde.[143] Ohne einen solchen materiell-rechtlichen Antrag darf das Beschwerdegericht freilich den angegriffenen Beschluss nur zu Ungusten des Beschwerdeführers abändern, wenn die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 4 i.V.m. § 1666 BGB vorliegen. Anderfalls würde der – nur durch § 1666 BGB begrenzte und durch das Antragserfordernis in § 1671 Abs. 1 S. 1 BGB abgesicherte – Vorrang der einvernehmlichen Sorgerechtsgestaltung durch die Eltern verletzt.

[133] BGH NJW 2009, 442.
[135] Kemper/Schreiber/Klußmann, HK-FamFG, § 66 Rn 4.
[136] Kemper/Schreiber/Klußmann, HK-FamFG, § 66 Rn 4.
[137] BGH FamRZ 2014, 827.
[139] BGH, Beschl. v. 6.7.2016 – XII ZB 47/15, juris; BGH FamRZ 2008, 45.
[141] OLG Hamm FamRZ 2016, 1093; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.11.2014 – 6 UF 107/14 (n.v.); Beschl. v. 2.2.2016 – 9 UF 81/15 (n.v.).
[142] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.9.2016 – 9 UF 40/15 (n.v.); OLG Frankfurt FamRZ 2015, 1633; a.A. – Anschlussbeschwerde notwendig – OLG Brandenburg FamFR 2012, 547; OLG Celle FamRZ 2004, 1667.
[143] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.9.2016 – 9 UF 40/15 (n.v.).

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