Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Schlechterfüllungsverbot in Sorgerechtsfällen; Sorgerechtsübertragung auf Vater. Elterliche Sorge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In der Beschwerdeinstanz eines Sorgerechtsverfahrens gilt das Verbot der Schlechterstellung des Beschwerdeführers nicht. Auf die Beschwerde der Kindesmutter auf die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts kann das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis kommen, die gesamte elterliche Sorge auf den Kindesvater zu übertragen.

2. Eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Kindesvater kann gerechtfertigt sein, wenn die Mutter massiv jegliche direkte Kommunikation der Kinder mit dem Vater verweigert und durch einseitig getroffene Entscheidungen unterläuft.

 

Normenkette

EStG 1997 § 9 Abs. 1 Nr. 5; GG Art. 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 21.10.2003; Aktenzeichen 604 F 2097/03)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des AG - FamG - Hannover vom 21.10.2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Vater die gesamte elterliche Sorge für die Kinder übertragen wird.

2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die seit dem 21.12.2001 geschiedenen Eltern haben bislang für die drei aus der Ehe hervorgegangenen betroffenen Kinder A., S. und M. gemeinsam die elterliche Sorge ausgeübt. Dabei lebten die Kinder seit der Scheidung bei der Mutter, die unverändert in S. wohnte, während der ebenfalls in S. als Geschäftsführer einer Restaurant-Filiale berufstätige Vater regelmäßig und umfassend Umgang mit den Kindern ausübte, die zu beiden Elternteilen eine enge und liebevolle Beziehung haben.

Die während der Ehe zum Islam übergetretene Mutter erzieht nunmehr auch die Kinder in einem von ihr sehr eng ausgelegten Verständnis und hält etwa die beiden Töchter zum ständigen Tragen eines Kopftuches an. Sie hält mittlerweile den Lebenswandel des Vaters für mit dem Islam unvereinbar und für die Kinder nicht zuträglich, denen nach ihrem Verständnis nur sie selbst eine konsequente Erziehung nach den Regeln des Islam gewährleisten kann. Vor diesem Hintergrund und erklärtermaßen, um eine möglichst große Entfernung zwischen die Kinder und ihren Vater zu bringen, ist sie in den Osterferien 2003 gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Vaters mit den Kindern nach H. umgesiedelt; zuvor war sie auch vom zuständigen Jugendamt auf das Erfordernis einer Zustimmung des Vaters zu einem Wohnortwechsel der Kinder hingewiesen worden. Aufgrund der räumlichen Entfernung war - wie von der Mutter beabsichtigt - in der Folgezeit tatsächlich nur ein sehr verkürzter Umgang mit dem berufstätigen Vater möglich. Dabei wurde der Umgang der Kinder mit ihrem Vater auch noch dadurch erschwert, dass die Mutter seit einiger Zeit unter Berufung auf religiöse Gründe eine direkte Kommunikation mit dem Vater als ihrem geschiedenen Ehemann verweigert; sie hat diesem deswegen auch nicht einmal die Nummer eines in ihrer Wohnung seit geraumer Zeit bestehenden Fernsprechanschlusses mitgeteilt. Namentlich die für die Durchführung des Umganges erforderlichen organisatorischen Vorbereitungen mussten mithin zwischen dem Vater und den Kindern selbst - etwa über öffentliche Fernsprechmöglichkeiten - getroffen werden.

Der Vater, dem zunächst vor allem an der Wiederherstellung eines wie zuvor möglichen Umganges gelegen war, hat im Laufe des Verfahrens dann die Übertragung der elterlichen Sorge erstrebt; er hat - auch im Beschwerdeverfahren - wiederholt betont, dass er sich im Falle eines Umzuges der Mutter in die nähere Umgebung seines Wohn- und Arbeitsortes und zu erwartender Wiederherstellung eines intensiven Umganges mit den Kindern ein Leben der Kinder im Haushalt der Mutter vorstellen könne. Die vom AG für die Kinder bestellte Verfahrenspflegerin hat sich für die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater ausgesprochen.

Das AG hat mit Beschluss vom 21.10.2003 unter Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Übrigen das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater übertragen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Mutter, die eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf sich, hilfsweise die Beibehaltung der gemeinsamen Ausübung erstrebt.

Der Senat, der im Hinblick auf die kurzfristig anstehende Anhörung vor dem Senat die Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig ausgesetzt hatte, hat die Beteiligten einschließlich der beiden älteren Töchter angehört.

II. Die zulässige Beschwerde der Mutter ist nicht begründet. Zutreffend hat das AG (bereits) das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder allein auf den Vater übertragen; in Ansehung der gesamten Entwicklung ist jedenfalls nunmehr die Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt allein auf den Vater geboten.

1. Die massive Verweigerung der Mutter sowohl jeglicher direkter Kommunikation mit dem Vater als auch der ...

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