Rz. 1

Während sich die vorangegangenen Ausführungen allein damit beschäftigten, welche unmittelbaren und mittelbaren Schadensersatzansprüche aus der Beschädigung von Sachen aus Anlass eines Verkehrsunfalls resultieren, beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen auf die durch die Verletzung des Körpers oder der Gesundheit verursachten Schadenspositionen.

 

Rz. 2

Sämtliche Personenschäden lassen sich unterteilen in die Untergliederungspunkte

Schmerzensgeld,
Heilbehandlungskosten,
vermehrte Bedürfnisse,
Erwerbsschaden.
 

Rz. 3

Nach der Gesetzesänderung zum 1.8.2002 steht für den Schmerzensgeldanspruch § 253 Abs. 2 BGB als Anspruchsnorm für sämtliche Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Körper und Gesundheit zur Verfügung. Hierzu gehören die deliktischen Ansprüche ebenso wie die Ansprüche aus Gefährdungshaftung. Verlangt werden kann eine billige Entschädigung in Geld bei den für Verkehrsunfälle allein relevanten Verletzungen des Körpers und der Gesundheit, soweit der Schaden keinen Vermögensschaden darstellt.

 

Rz. 4

Das Schadensersatzrecht ist vom Grundgedanken des Ausgleichs geprägt. Ziel ist es, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, der ohne das schadenbegründende Ereignis bestand. Dieser Grundsatz gilt auch für das Schmerzensgeld. Der Verletzte soll dadurch in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und andere Annehmlichkeiten anstelle derer zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde.[1]

 

Rz. 5

Neben den klassischen Ausgleichsgedanken tritt im Bereich des Schmerzensgeldes die sog. Genugtuungsfunktion.[2] Damit dient das Schmerzensgeld in bestimmten Fallkonstellationen nicht nur der reinen Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, sondern gewinnt quasi-strafenden Charakter. Der pönale Aspekt des Schmerzensgeldes tritt allerdings im Rahmen der Verkehrsunfallbearbeitung in aller Regel zurück.[3]

 

Beispiel

Erleidet ein Geschädigter im Rahmen eines fahrlässig verursachten Verkehrsunfalls einen Nasenbeinbruch, fällt das dafür zu zahlende Schmerzensgeld geringer aus, als wenn der Schädiger den Schaden durch einen gezielten und vorsätzlichen Faustschlag verursacht hätte.

 

Rz. 6

Findet die Genugtuungsfunktion im Rahmen der Schmerzensgeldbezifferung aus Anlass eines Verkehrsunfalls generelle Berücksichtigung, wirkt es sich jedoch nicht schmerzensgeldmindernd aus, wenn der Schädiger wegen des begangenen Unrechts bereits strafrechtlich belangt wurde.[4] Zu beachten ist weiterhin, dass nach der Haftungserweiterung auf eine reine Gefährdungshaftung der Aspekt der Genugtuung an Gewicht verloren hat und zumindest in den Fällen einer verschuldensunabhängigen Haftung keine wesentliche Rolle mehr spielen wird.[5] Andererseits ist die Genugtuungsfunktion auch nach der Gesetzesreform in Fällen einfacher Fahrlässigkeit berücksichtigt worden.[6] Zumindest in Fällen eines groben Verschuldens des Schädigers dürfte die Genugtuungsfunktion daher auch weiterhin schmerzensgelderhöhend wirken.[7]

[1] OLG München SVR 2006 180; OLG Hamm zfs 2005, 122.
[2] BGHZ 18, 149, 154.
[4] BGH VersR 1996, 382; LG Hanau zfs 1996, 13.
[6] KG VersR 2004, 1569; anders OLG Celle NJW 2004 1185, wonach nur ein erhebliches Verschulden schmerzensgelderhöhend wirkt.
[7] OLG Saarbrücken, Urt. v. 27.11.2007 – 4 U 276/07 = NJW 2008, 1166 (Vorsatz); OLG Frankfurt, Urt. v. 29.8.2005 – 12 U 190/14 – juris (grobe Fahrlässigkeit); Diederichsen, VersR 2005, 433–442.

I. Nachweis des Schadensumfangs

 

Rz. 7

Ebenso wie für jede andere Schadensposition trägt der Geschädigte auch für die Höhe des Schmerzensgeldes die Darlegungs- und Beweislast. Danach ist es allein seine Aufgabe, geeignete Belege zum Umfang des eingetretenen Personenschadens vorzulegen.

In der Praxis erfolgt der Nachweis des eingetretenen Personenschadens durch Vorlage von Arztberichten bzw. -gutachten. Solche werden auf Anforderung des Geschädigten regelmäßig vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners beschafft.

Erklärt sich der Haftpflichtversicherer hierzu bereit, ist ihm eine Erklärung des Geschädigten vorzulegen, wonach er den oder die Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht befreit, soweit dies für die Anfertigung der Arztberichte aus Anlass des Verkehrsunfalls erforderlich ist. Der Haftpflichtversicherer wendet sich sodann unter Vorlage der Schweigepflichtentbindungserklärung an die betreffenden Ärzte und fordert dort Arztberichte an, die für gewöhnlich in formularmäßige Fragebögen einzufügen sind. Durchschriften dieser Arztberichte leitet der Haftpflichtversicherer an den Geschädigten bzw. seinen Rechtsanwalt weiter, auf deren Grundlage sodann die Bezifferung des Schmerzensgeldes erfolgt.

 

Rz. 8

Hat der Verletzte Kenntnis davon, dass der Haftpflichtversicherer beabsichtigt, einen Arztbericht einzuholen, kann er die Kosten eines gleichwohl von ihm selbst eingeholten ärztlichen Attestes nicht erstattet verlangen. Er hat die ihm ob...

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