Leitsatz (amtlich)

Wegen der in Verkehrsunfallsachen im Vordergrund stehenden Ausgleichsfunktion des immateriellen Schadensersatzanspruchs ist das Schmerzensgeld, das nur auf Gefährdungshaftung gestützt werden kann, nicht niedriger zu bemessen als bei einer Haftung aus (einfach) fahrlässigem Verhalten.

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Beschluss vom 01.09.2003; Aktenzeichen 4 O 182/03)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert:

Dem Antragsteller wird für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug für die Anträge bewilligt,

1. die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld i.H.v. 6.000 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.3.2003 zu zahlen,

2. die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn an materiellem Schadensersatz weitere 580 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.3.2003 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Antragsgegner als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 17.8.2002 auf der A 2 in Höhe … zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen, und ihm alle aufgrund dieses Unfalls zukünftig noch entstehenden immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit diese derzeit noch nicht hinreichend sicher vorhersehbar sind.

Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Antragsteller wird Rechtsanwalt … in … zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.

Gleichzeitig wird ihm aufgegeben, 30 Euro monatlich, beginnend am 15.2.2004, an die Landeskasse zu zahlen, solange das Gericht nichts anderes bestimmt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind in einem Rechtsstreit jedoch nicht mehr als 48 Monatsraten zu zahlen.

Die Folgeraten sind jeweils bis zum 15. eines jeden Monats zu zahlen.

Eine Zahlungsaufforderung wird dem Zahlungspflichtigen in Kürze übersandt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gerichtskosten sind nicht zu erheben, außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat weitgehend Erfolg und führt dazu, dass ihm für die beabsichtigte Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Prozesskostenhilfe mit einer Ratenzahlungsverpflichtung i.H.v. monatlich 30 Euro zu gewähren ist. In dem genannten Umfang bietet die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Nach Einschätzung des Senats rechtfertigen die Verletzungen und sonstigen Beeinträchtigungen, die der Antragsteller nach seinem Vortrag als Beifahrer bei dem Unfall des Lkw der Antragsgegnerin zu 1) vom 17.8.2002 auf der A 2 in Höhe … erlitten hat und die im letzten Absatz des angefochtenen Beschlusses im Einzelnen aufgeführt sind – hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, nicht nur, wie vom LG angenommen, ein Schmerzensgeld von maximal 3.420 Euro, sondern ein solches i.H.v. 6.000 Euro. Dieser Betrag steht nicht nur in Einklang mit der sog. Vergleichsrechtsprechung (vgl. etwa die in der Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Ring/Böhm, 21. Aufl., unter der laufenden Nr. 1544 zitierte Entscheidung, auf die auch in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen wird), sondern berücksichtigt auch das Bestreben des Senats, Schmerzensgelder einer entspr. Empfehlung des Verkehrsgerichtstages folgend angemessen zu erhöhen. Ob der genannte Betrag hier tatsächlich auszuschöpfen ist, muss dem Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben. Dabei wird auch dem Einwand der Antragsgegner nachzugehen sein, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Unfalls nicht ordnungsgemäß angeschnallt gewesen sei. Sollte sich dieser Vortrag als richtig erweisen und wären bei einer ordnungsgemäßen Verwendung des Sicherheitsgurtes weniger schwer wiegende Verletzungen zu erwarten gewesen, so muss dieser Umstand unter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens des Antragstellers auch bei der Bemessung des Schmerzensgeldes Berücksichtigung finden.

Die Auffassung des LG, dass einem Verkehrsunfallopfer bei einer bloßen Gefährdungshaftung, wie sie hier aus §§ 7 Abs. 1, 11 S. 2 StVG gegeben ist, von vornherein ein deutlich geringeres Schmerzensgeld zusteht, als wenn dem Schädiger (auch) ein Verschuldensvorwurf zu machen ist, wird vom Senat nicht geteilt. Zwar ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes von seiner Doppelfunktion auszugehen. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat. Bei Verletzungen infolge eines Verkehrsunfalls wird die Höhe des Schmerzensgeldes jedoch in erster Linie durch das Maß der dem Verletzten durch den Unfall zugefügten Lebensbeeinträchtigung bestimmt. Bei Straßenverkehrsdelikten tritt die Genugtuungsfunktion daher gg...

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