Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätze zur Schmerzensgeldberechnung im Verkehrsunfallprozess

 

Leitsatz (amtlich)

Im Verkehrsunfallprozess ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auch nach der Neufassung des § 253 Abs. 2 BGB durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz die Genugtuungsfunktion jedenfalls dann schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen, wenn der den Unfall verursachende Schädiger vorsätzlich gehandelt hat.

 

Normenkette

BGB § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1; StVG §§ 7, 18

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 27.03.2007; Aktenzeichen 9 O 206/05)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 27.3.2007 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (9 O 206/05) wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall, der sich am 1.11.2004 gegen 16.00 Uhr in [Ort] ereignete, und an dem der damals 39-jährige Kläger als Fahrer eines Mountainbikes und der zum Unfallzeitpunkt 77-jährige Beklagte als Halter und Fahrer eines Pkw Ford M., amtl. Kennzeichen, beteiligt waren.

Der Kläger bog gemeinsam mit dem Zeugen L. an der Kreuzung S. Straße/M.straße/E.straße nach rechts in die S. Straße in Richtung G. Weiher ein, als sich der Beklagte aus der entgegengesetzten Richtung kommend näherte und nach links ebenfalls in die S. Straße einbiegen wollte. Die Radfahrer fuhren kurz vor dem Beklagten in die Straße ein, der Beklagte hupte und fuhr an ihnen vorbei, woraufhin der Kläger ihm den erhobenen Mittelfinger zeigte. Nachdem der Beklagte und ihm nachfolgend der Kläger und der Zeuge L. von der S. Straße in die Zufahrtsstraße zum Weiher abgebogen waren, in der die zulässige Höchstgeschwindigkeit wegen in der Fahrbahn angebrachter Schwellen auf 30 km/h begrenzt war, versuchte der Kläger in einer leichten Linkskurve (vgl. Lichtbilder GA I 102, 105) den Beklagten, der sehr langsam fuhr, links zu überholen. Der Beklagte lenkte gleichzeitig sein Fahrzeug so weit nach links, bis er sich ganz auf der linken Fahrbahnseite befand und der links neben ihm fahrende Kläger mit der Hand auf die Motorhaube des Wagens schlug. Als es dem Kläger gelang, an dem Beklagten vorbeizukommen und er frontal vor dem Pkw fuhr, kam er zu Fall und geriet unter das Fahrzeug, wo er noch mindestens 20 Meter mitgeschleift wurde und darunter eingeklemmt blieb. Der Beklagte blieb bei laufendem Motor zunächst in dem Fahrzeug sitzen, bis er nach Intervention des Zeugen L. den Motor abschaltete und gemeinsam mit dem Zeugen den schwerverletzten Kläger mit zwei Wagenhebern befreite.

Der Kläger zog sich bei dem Unfall u.a. einen Beckenbruch rechts, eine distrale Radiusfraktur linksseitig, einen Schädelbruch, eine Orbitabodenfraktur rechts, eine Unterkieferfraktur sowie Verbrennungen am rechten Oberschenkel durch das Festklemmen am heißen Auspufftopf zu (vgl. die Lichtbilder GA I 147 ff.). Die Verletzungen machten mehrere operative Behandlungen erforderlich, u.a. die Stabilisierung des Beckenringes mit externer Fixatur, eine offene Fraktur-Reposition des rechten Jochbeinkörpers, eine Okklusionssicherung der Unterkieferfraktur und aufgrund einer Hautnekrose das Abtragen einer etwa handgroßen Fläche des verbrannten Gewebes bis zu einer Tiefe von fast 1 cm und das Transplantieren neuen, vom Oberschenkel zu diesem Zwecke entfernten Gewebes. Der Kläger war bis zum 31.12.2004 zu 100 %, bis zum 11.1.2005 zu 80 % und bis zum 27.3.2005 zu 70 % erwerbsunfähig; es folgten weitere krankengymnastische Behandlungen.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Beklagten lehnte unter Hinweis auf § 152 VVG eine Einstandspflicht wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Unfalls ab. Durch Urteil des AG Saarbrücken vom 7.12.2005 (BA 160 ff. sowie Beschluss des OLG vom 30.5.2006, BA 199 ff.) wurde der nicht vorbestrafte Beklagte wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde mit der Auflage, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR in monatlichen Raten zu 500 EUR zu zahlen. Hierauf hat der Beklagte bis zum Abschluss der ersten Instanz einen Betrag von 4.500 EUR gezahlt (vgl. oben Ziff. 2, GA III 359). Die Parteien haben die Hauptsache in dieser Höhe übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat zum Unfallhergang erstinstanzlich behauptet, der Beklagte habe sich bereits bei der Einfahrt in die S. Straße über ihn aufgeregt in der unzutreffenden Annahme, der Kläger und der Zeuge L. hätten ihm die Vorfahrt genommen. Letztere hätten in der Zufahrtsstraße zum Weiher den wegen der angebrachten Schwellen sehr langsam fahrenden Beklagten überholen wollen, der während des Überholvorgangs des Klägers sein Fahrzeug immer weiter nach links gezogen habe, weshalb der Kläger aus Angst auf die Motorhaube geschlagen und schnell in die Pedal...

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