Rz. 411

Neben dem Auskunftsanspruch hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände (§ 2314 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB). Es handelt sich um zwei selbstständige Ansprüche.[454] Die Wertfeststellung erfolgt durch Einholung von Sachverständigengutachten, die Kosten dafür fallen dem Nachlass zur Last (§ 2314 Abs. 2 BGB).

Die Wertermittlungspflicht erstreckt sich auch auf solche Gegenstände, die nicht mehr zum Nachlass gehören, diesem aber (zur Ermittlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gem. § 2325 BGB) hinzuzurechnen sind – sog. "fiktiver Bestand".[455]

Allerdings reicht auch der Wertermittlungsanspruch des pflichtteilsberechtigten Nichterben nicht so weit, dass allein der begründete Verdacht einer unter § 2325 BGB fallenden Schenkung genügen würde, um eine Wertermittlung durch Sachverständigen auf Kosten des Nachlasses zu erreichen; vielmehr muss der Pflichtteilsberechtigte schon für den Wertermittlungsanspruch darlegen und beweisen, dass unter Berücksichtigung von Leistung und Gegenleistung eine zumindest gemischte Schenkung vorliegt;[456] wenn der Pflichtteilsberechtigte die Kosten dagegen selbst übernimmt, genügen greifbare Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Verfügung.[457]

Die so ermittelten Werte sind im Prozess nicht bindend, sie dienen dem Pflichtteilsberechtigten lediglich als Orientierung und zur Abschätzung des Prozessrisikos.[458] Bleibt die Bewertung im Prozess streitig, so hat das Gericht seinerseits ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Die Vorlage von Bilanzen ersetzt in der Regel eine Wertermittlung nicht, weil die dort enthaltenen Buchwerte keine Aussage über den Verkehrswert zulassen.[459]

 

Rz. 412

BGH in BGHZ 108, 393:

Zitat

Der pflichtteilsberechtigte Erbe, der den vom Erblasser Beschenkten auf Pflichtteilsergänzung in Anspruch nimmt, kann gegen diesen einen Anspruch auf Wertermittlung aus § 242 BGB haben; auf Kosten des Beschenkten kann die Wertermittlung aber nicht verlangt werden. … [S. 396] Wie der Senat durch Urt. v. 19.4.1989 inzwischen entschieden hat (BGHZ 107, 200), haftet der (zuletzt) Beschenkte in den Fällen des § 2329 BGB mit dem Erlangten nur bis zur Höhe des Fehlbetrages im Sinne von § 2329 Abs. 2 BGB; der früher Beschenkte haftet nur bis zur Höhe des Fehlbetrages im Sinne von § 2329 Abs. 3 BGB. Damit ist die den Beschenkten gesetzte Opfergrenze erreicht; mehr brauchen sie von dem Geschenk, das sie ja mit Rechtsgrund in Händen halten, nicht wieder herauszugeben, auch nicht zur Deckung kostspieliger Ermittlungen oder Auskünfte im Interesse von Pflichtteilsberechtigten. Das kann bei einem Wertermittlungsanspruch, der auf § 242 BGB gestützt ist, nicht anders sein als im Rahmen von § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB. Davon aus Billigkeitsgründen im Einzelfall abzugehen, erscheint nicht gerechtfertigt. …

Deshalb ist ein schützenswertes Interesse des Pflichtteilsberechtigten daran anzuerkennen, dass der Wert der verschenkten Gegenstände sachverständig und objektiv ermittelt wird. Demgemäß ist es in solchen Fällen grundsätzlich gerechtfertigt, ihm einen Anspruch auf Ermittlung des Wertes an den maßgebenden Stichtagen (§ 2325 Abs. 2 BGB) einzuräumen.

[454] Coing, NJW 1983, 1298.
[455] BGH NJW 1975, 258; BGH NJW 1989, 2887; vgl. auch Dieckmann, NJW 1988, 180.
[456] BGHZ 89, 24, 29 f., 32; BGH NJW 1986, 127; MüKo/Helms, § 2314 BGB Rn 12 m.w.N.
[458] BGHZ 107, 200.
[459] BGHZ 108, 393.

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