Entscheidungsstichwort (Thema)

Schenkung eines Erblassers

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen dem pflichtteilsberechtigten Erben gegen den vom Erblasser Beschenkten ein Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch zusteht.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 2314

 

Tenor

Auf die Revision und die Anschlußberufung der Beklagten werden das Teilurteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 1984 und das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 11. Mai 1982 abgeändert, soweit die Auskunftswiderklage (Widerklageantrag zu 2 a) abgewiesen worden ist:

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, den Beklagten Auskunft über den Gemeinwert der Zuwendungen zu erteilen, die sie mit den notariellen Verträgen des Notars Krüger in Arolsen vom 30. März 1978, Urkundenrolle Nr. 254 und 256/78, von ihrem Vater Heinrich Karl W. erhalten hat (ein GmbH-Geschäftsanteil, vier Grundstücke und ein Erbbaurecht). Die Ermittlung des Wertes zum Zeitpunkt des Vollzuges dieser Zuwendungen ist von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen auf Kosten des Nachlasses durchzuführen.

Die Gerichtskosten der Revisionsinstanz tragen die Klägerin zu 41/50, die Beklagten zu 1-3 zu 7/50 als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 1 zu weiteren 2/50. Die außergerichtlichen Kosten dieser Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagten zu 2) und 3) sind die Kinder des am 11. April 1979 verstorbenen Bauunternehmers Karl W. (nachfolgend Erblasser genannt) aus erster Ehe. Die Beklagte zu 1) ist seine zweite Ehefrau. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der Antrag der Widerklage, mit dem die Beklagten Auskunft über den Wert bestimmter Zuwendungen verlangen, die die Klägerin vor dem Tode des Erblassers von diesem erhalten hat.

Am 15. Januar 1970 schloß der Erblasser, der sein Bauunternehmen bis dahin allein betrieben hatte, mit der Klägerin einen Gesellschaftsvertrag, durch den beide die Firma Karl W. KG, Bauunternehmung, gründeten. Im Jahre 1977 beschlossen der Erblasser und die Klägerin, eine Betriebsaufspaltung vorzunehmen. Sie beendeten die Geschäftstätigkeit der W. KG und gründeten mit notariellem Vertrag vom 11. Februar 1977 die Karl W. GmbH. Diese pachtete mit Vertrag vom selben Tage von der aus dem Erblasser und der Klägerin bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in die sich die Kommanditgesellschaft nach der Beendigung ihrer Geschäftstätigkeit umgewandelt hatte, deren Unternehmen mit dem gesamten Anlagevermögen.

Durch zwei notarielle Verträge vom 30. März 1978 trat der Erblasser seinen Geschäftsanteil an der Karl W. GmbH im Zuge einer vorweggenommenen Erbregelung an die Klägerin ab und übertrug ihr vier Grundstücke und ein Erbbaurecht. In dem Übergabevertrag verpflichtete sich die Klägerin ihrerseits zu bestimmten Gegenleistungen und erklärte, sie sei nach Durchführung des Vertrages wegen aller zukünftigen Erb- und Pflichtteilsansprüche gegenüber ihrem Vater befriedigt.

Nach dem Tode des Erblassers, den die Beklagten allein beerbt haben, entstand zwischen den Parteien Streit darüber, wem von ihnen bestimmte überwiegend vom Erblasser persönlich, in einem Fall von der Karl W. KG erworbene Geschäftsanteile an verschiedenen anderen Gesellschaften zustünden. Auf die zur Klärung dieser Frage von der Klägerin erhobene Klage, die nicht (mehr) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, haben die Beklagten widerklagend auf Kosten des Nachlasses Auskunft durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Wert der Zuwendungen verlangt, die die Klägerin mit den notariellen Verträgen vom 30. März 1978 vom Erblasser erhalten hat.

Die Beklagten halten den Wert dieser Zuwendungen für so hoch, daß ihnen ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen die Klägerin zustehe; bei den Zuwendungen habe es sich zumindest um eine gemischte Schenkung gehandelt.

Landgericht und Oberlandesgericht haben den Auskunftsanspruch verneint und die Widerklage (auch) insoweit abgewiesen. Mit der in diesem Punkt angenommenen Revision verfolgen die Beklagten den Antrag auf Auskunft weiter.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet, soweit der Senat sie angenommen hat.

I.

Mit der Widerklage verlangen die Beklagten als pflichtteilsberechtigte Erben Auskunft von der Klägerin als beschenkter Nichterbin. In einem solchen Falle scheidet - wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - § 2314 BGB als Anspruchsgrundlage aus, weil die Anwendbarkeit dieser Bestimmung voraussetzt, daß der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt auch eine entsprechende Anwendung von § 2314 BGB zugunsten des pflichtteilsberechtigten Erben gegen den Beschenkten nicht in Betracht, weil der umfassende Auskunftsanspruch nach dieser Vorschrift seinem Wortlaut und seinem Zweck nach auf den Nichterben zugeschnitten ist (BGHZ 61, 180, 183; Urteil vom 1. Juli 1976 - VII ZR 294/74, WM 1976, 1089; Urteil vom 4. Dezember 1980 - IV a ZR 46/80, LM § 2314 BGB Nr. 11).

Dennoch steht den Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein Anspruch auf Auskunft durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Wert der Zuwendungen zu, die die Klägerin aufgrund der Verträge vom 30. März 1978 vom Erblasser erhalten hat. Das Berufungsgericht hat nämlich die Reichweite des aus § 242 BGB abgeleiteten allgemeinen Auskunftsanspruchs zu eng bemessen.

1.

Nach allgemein anerkannter Rechtsprechung besteht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Auskunftsanspruch, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, daß der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im unklaren und deshalb auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen ist, während dieser die Auskunft unschwer erteilen kann und dadurch nicht unbillig belastet wird. Entsprechend diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof dem pflichtteilsberechtigten Erben gegen den vom Erblasser in den letzten zehn Jahren Beschenkten, gegen den Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen können, einen Auskunftsanspruch zuerkannt, wenn er sich die erforderliche Kenntnis nicht auf andere ihm zumutbare Weise verschaffen kann und der Beschenkte die Auskunft unschwer zu geben vermag (BGHZ 61, 180; vgl. auch BGHZ 58, 237).

Diesen Entscheidungen lag allerdings nur das Verlangen auf Auskunft über den Bestand des fiktiven Nachlasses und des Gegenstandes der Schenkung zugrunde. Im vorliegenden Falle geht es darum, ob der pflichtteilsberechtigte Erbe von dem beschenkten Dritten verlangen kann, daß dieser den Wert der Zuwendung durch einen unparteiischen Sachverständigen ermitteln laßt. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden; noch in dem Urteil vom 4. Dezember 1980 (IV a ZR 46/80, LM BGB § 2314 Nr. 11) hat er sie ausdrücklich offengelassen. Sie ist zu bejahen. Die Gründe, die die Rechtsprechung veranlaßten, dem pflichtteilsberechtigten Erben einen allgemeinen Auskunftsanspruch gegen den vom Erblasser beschenkten Dritten zu gewähren, sprechen auch dafür, unter den entsprechenden Voraussetzungen einen Wertermittlungsanspruch einzuräumen. Das Wesen des Rechtsverhältnisses zwischen dem pflichtteilsberechtigten Erben und dem Beschenkten bringt es mit sich, daß der Berechtigte selbst dann, wenn er die Zuwendung des Erblassers an den Beschenkten kennt, über das Bestehen und den Umfang seines Rechts (hier auf Pflichtteilsergänzung) unverschuldet keine Gewißheit gewinnen kann, weil dieses entscheidend vom Wert der Zuwendung bestimmt wird.

Bei Anwendung der Grundsätze, die für den allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB gelten, besteht ein solcher Wertermittlungsanspruch allerdings dann nicht, wenn sich der Berechtigte Kenntnis über den Wert auf andere Weise verschaffen kann. Eine solche Möglichkeit folgt aber nicht schon daraus, daß der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen seines allgemeinen Auskunftsrechts die Vorlage aller Unterlagen verlangen kann, die zur Ermittlung des Wertes von Bedeutung sind. Das wird besonders deutlich, wenn es bei dem vom Erblasser weggeschenkten Gegenstand - was auch hier in Frage steht - um ein Unternehmen oder um eine Beteiligung an einem Unternehmen geht. Der Berechtigte kann hier zwar die Vorlage von Bilanzen und anderen Unterlagen fordern. Den ergänzenden Pflichtteilsanspruch wird er regelmäßig aber dennoch nicht berechnen können, weil auch sie keine ausreichende Grundlage für die Berechnung des tatsächlichen Wertes bilden. Dieser wird wesentlich vom Ertragswert bestimmt; außerdem können stille Reserven, die aus dem Rechenwerk selbst ebenfalls nicht erschlossen werden können, besondere Bedeutung erlangen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30.10.1974 - IV ZR 41/73, LM BGB § 2314 Nr. 9). Es ist deshalb ein schützenswertes Interesse des Pflichtteilsberechtigten daran anzuerkennen, daß ihm zur Aufdeckung seiner - möglichen - Pflichtteilsansprüche nicht nur umfassend Auskunft erteilt wird, sondern daß auch der Wert des verschenkten Gegenstandes ermittelt wird. Da dem flicht dadurch Rechnung getragen werden kann, daß der Verpflichtete die eigenen Vorstellungen über den Wert mitteilt, vielmehr objektive Wertfeststellungen notwendig sind, ist es in solchen Fällen grundsätzlich gerechtfertigt, dem Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch darauf einzuräumen, daß der Wert durch einen unabhängigen Sachverständigen ermittelt wird.

2.

Der aus den Grundsätzen von Treu und Glauben hergeleitete Auskunftsanspruch setzt nicht nur voraus, daß der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang des Anspruchs im unklaren ist, sondern auch, daß der Verpflichtete nicht unbillig und unzumutbar belastet wird. Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Verpflichtete die - eventuell nicht geringen - Kosten zu tragen hat, die ein Sachverständigengutachten verursacht.

Über die in diesem Zusammenhang auftauchenden Fragen braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden, weil die Klägerin nach dem Widerklageantrag der Beklagten nicht mit Kosten belastet werden soll. Die Beklagten haben - als alleinige Erben - nur beantragt, daß der Sachverständige, der den Wert der Zuwendungen des Erblassers ermitteln soll, auf Kosten des Nachlasses beauftragt wird, und die Klägerin hat insoweit keine Einwendungen erhoben.

3.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch nach § 2314 BGB. Er hat über den Wortlaut dieser Norm hinaus einen Anspruch nicht nur gegen den Beschenkten zugebilligt (BGHZ 55, 378; Urt. v. 4.12.1980, aaO), sondern auch ausgesprochen, daß der pflichtteilsberechtigte Nichterbe vom Erben und dem beschenkten Dritten verlangen könne, daß der Wert des vom Erblasser weggeschenkten Gegenstandes durch einen unabhängigen Sachverständigen ermittelt wird (Urt. v. 30.10.1974, aaO; BGHZ 89, 24, 30 ff.). In BGHZ 89, 24 heißt es allerdings weiter, der Wertermittlungsanspruch könne nicht schon auf den begründeten Verdacht hin, der Erblasser habe einen bestimmten Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 BGB weggeschenkt, zugebilligt werden; es müsse vielmehr bewiesen sein, daß es sich um eine ergänzungspflichtige Schenkung handele. Dem liegt aber ersichtlich die Überlegung zugrunde, die auch in dem vorstehend erörterten Urteil vom 4. Dezember 1980 zum Ausdruck kommt, daß in solchen Fällen der Nachlaß in unzumutbarer Weise mit Kosten belastet würde. Dieser Gesichtspunkt greift jedoch in einem Falle der vorliegenden Art nicht ein, in dem die Erben den Wertermittlungsanspruch gegen den beschenkten Dritten mit der Maßgabe geltend machen, die Kosten selbst - über den Nachlaß - zu übernehmen, und dem Verlangen, den Wert durch einen unabhängigen Sachverständigen ermitteln zu lassen, nur unter den besonderen Voraussetzungen des allgemeinen Auskunftsrechts nach § 242 BGB stattgegeben wird, die nur dann gegeben sind, wenn der Auskunft Begehrende den Wert nicht auf zumutbare andere Weise ermitteln kann und der Verpflichtete nicht unbillig (unzumutbar) belastet wird.

Demgemäß setzt die Zuerkennung des aus § 242 BGB abgeleiteten Wertermittlungsanspruchs - in gleicher Weise wie der allgemeine Auskunftsanspruch - nicht voraus, daß das Vorliegen einer Schenkung als Grundlage des Auskunftsverhältnisses feststeht. Es ist vielmehr genügend - aber auch geboten, weil das Verlangen nicht auf eine reine Ausforschung hinauslaufen darf -, daß der Pflichtteilsberechtigte gewisse Anhaltspunkte für die von ihm behauptete unentgeltliche Verfügung des Erblassers nachweist (vgl. im einzelnen BGHZ 55, 378, 380; 58, 237, 239; 61, 180, 185).

II.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Klägerin vom Erblasser die Zuwendungen erhalten hat, die Gegenstand der Wertermittlungsanträge der Beklagten sind. Aus den vorliegenden Verträgen und dem unstreitigen Vorbringen der Parteien ergibt sich weiter, daß der GmbH-Geschäftsanteil, die vier Grundstücke und das Erbbaurecht zu Bedingungen übertragen worden sind, die dafür sprechen, daß jedenfalls eine gemischte Schenkung vorliegt. Das folgt daraus, daß das Finanzamt auf der Grundlage der Verträge vom 30. März 1978 gegen die Klägerin einen Schenkungssteuerbescheid erlassen hat, in dem der Wert der Schenkung mit 414.899 DM angesetzt worden ist, wobei das Grundvermögen nur mit dem Einheitswert berücksichtigt wurde, der wesentlich unter dem hier maßgeblichen Verkehrswert liegt.

Die Klägerin hat allerdings geltend gemacht, bei der gebotenen Anrechnung des den Beklagten zugeflossenen Erbes verbleibe kein Raum für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch. Diese Frage kann aber erst geklärt werden, wenn der Wert der Zuwendung (die Wertdifferenz der von dem Erblasser einerseits und der Klägerin andererseits zu erbringenden und tatsächlich erbrachten vertraglichen Leistungen) feststeht.

Eine Schenkung, die zur Begründung eines Auskunftsverhältnisses zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Beschenkten notwendig ist, setzt allerdings nicht nur eine ganz oder teilweise unentgeltliche Zuwendung voraus, sondern auch die Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Insoweit greift aber der Grundsatz ein, wonach bei einem groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß sich die Vertragschließenden über die Unentgeltlichkeit der dem anderen zugewandten Bereicherung einig waren (vgl. BGHZ 59, 132). Die angeführten unstreitigen Tatsachen geben insoweit ebenfalls hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen der von den Beklagten behaupteten Schenkung.

2.

Eine Pflichtteilsergänzung und ein damit verbundener Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch wären allerdings ausgeschlossen, wenn ohne Rücksicht auf den Wert der Zuwendung die Unentgeltlichkeit - insgesamt gesehen - deshalb zu verneinen wäre, weil die Klägerin in dem Vertrag mit dem Erblasser auf alle Erb- und Pflichtteilsansprüche gegenüber ihrem Vater verzichtet hat. Das ist jedoch nicht der Fall.

Im Schrifttum ist umstritten, ob ein solcher Verzicht als Gegenleistung anzusehen ist, die dem Geschäft den Schenkungscharakter nimmt und dazu führt, daß für die Anwendung der §§ 2325, 2329 BGB kein Kaum ist (vgl. zum Streitstand z.B. Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB, 12. Aufl., § 2325 Rdn. 7; Palandt/Edenhofer, BGB, 44. Aufl., § 2325 Anm. 2 a; jeweils m.w.N.). Diese Frage ist bisher vom Bundesgerichtshof nicht entschieden worden. Sie bedarf auch hier keiner abschließenden Entscheidung. Der Erblasser hat den GmbH-Geschäftsanteil, die vier Grundstücke und das Erbbaurecht der Klägerin im Zuge "vorweggenommener Erbregelung" zugewandt. Nach dem Vorbringen der Parteien ist auch davon auszugehen, daß die Klägerin aufgrund der beiden Verträge vom 30. März 1978 vom Erblasser mehr erhalten hat, als ihr aufgrund ihres Pflichtteilsrechts zugestanden hätte. Die Zuwendung des Erblassers müßte deshalb jedenfalls in Höhe dieses Mehrbetrages der Pflichtteilsergänzung unterliegen. Denn wollte man in diesen Fällen Zuwendungen im Rahmen eines Erb- oder Pflichtteilsverzichts ohne Einschränkung als nicht ergänzungsbedürftig ansehen, so würden dadurch in Widerspruch zum Sinn und Zweck des § 2325 BGB die gesetzlichen Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten ohne Rechtfertigung verkürzt. Die für das Vorliegen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs aufgezeigten konkreten Anhaltspunkte bleiben somit bestehen.

3.

Die Beklagten sind nicht in der Lage, die für die Feststellung ihres Pflichtteilsergänzungsanspruchs notwendige Wertermittlung der Zuwendungen des Erblassers an die Klägerin auf zumutbare andere Weise zu beschaffen.

Soweit die Beklagten verlangen, daß die Klägerin den Wert des ihr übertragenen GmbH-Geschäftsanteils durch einen unabhängigen Sachverständigen ermitteln läßt, rechtfertigt sich dieser Schluß aus den vorstehenden Ausführungen zu I 1 und aus dem dort angeführten BGH-Urteil vom 30. Oktober 1974. Für die Ermittlung des Wertes der aufgrund des Übergabevertrages vom 30. März 1978 vom Erblasser auf die Klägerin übertragenen vier Grundstücke und des Erbbaurechts gilt nichts anderes: Drei dieser Grundstücke (Grundbuch Arolsen Bd. 40 Bl. 1199 Nr. 4, 7, 10) gehören zum Betriebsvermögen und werden pachtweise genutzt. Aber auch für das Erbbaurecht und das weitere Grundstück (Nr. 8) ist davon auszugehen, daß der gemeine Wert durch einen unabhängigen Sachverständigen zu ermitteln ist (wegen der bei der Ermittlung des Verkehrswertes auftretenden Probleme vgl. BGHZ 29, 217, 219; BGH, Urt. v. 23.11.1962 - V ZR 148/60, LM BGB § 2311 Nr. 5).

Die Wertermittlung durch einen von den Beklagten beauftragten Sachverständigen wäre nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich und bei den gegebenen Verhältnissen unzumutbar. Die vom Erblasser zugewendeten Gegenstände befinden sich im Eigentum und Besitz der Klägerin, so daß auch sie allein in der Lage ist, dem Sachverständigen die zu bewertenden Gegenstände offenzulegen und die für die Wertermittlung nötigen zusätzlichen Auskünfte - deren Notwendigkeit nicht voraussehbar ist und erst bei der Erstellung des Gutachtens eintritt - zu erteilen. In ihrem Auftrag und unter ihrer Mitwirkung kann der Sachverständige überdies den Wert der Zuwendungen weitaus schneller und besser ermitteln als dies bei einem Auftrag der Beklagten möglich wäre (vgl. hierzu auch OLG Schleswig, Urt. v. 13.10.1971, NJW 1972, 586, 587; BGH, Urt. v. 30.10.1974 aaO). Eine unzumutbare Belastung der Klägerin ist damit ersichtlich nicht verbunden. Eine solche könnte hier nur angenommen werden, wenn diese die durch die Erhebung des Gutachtens entstehenden Kosten zu tragen hätte. Das ist aber, wie dargelegt, nicht der Fall.

 

Unterschriften

Stimpel,

Dr. Bauer,

Dr. Kellermann,

Richter am Bundesgerichtshof Bundschuh kann wegen Urlaubs,

Richter am Bundesgerichtshof Brandes kann krankheitshalber nicht unterschreiben. Stimpel

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456159

NJW 1986, 127

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