Rz. 421

Enthält der Beschluss des Nachlassgerichts nicht die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung nach § 39 FamFG, so kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 17 Abs. 1 und 2 FamFG nur bei Kausalität zwischen der fehlenden oder unzureichenden Rechtsbehelfsbelehrung und der Fristversäumnis in Betracht.[393] Daran mangelt es nicht nur bei einer anwaltlich vertretenen Partei, sondern auch bei einer sach- und rechtskundigen Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich die Abwicklung von in den Nachlass des Landes fallenden Erbschaften fällt.[394]

 

Rz. 422

Nach § 17 Abs. 2 FamFG wird ein Fehlen des Verschuldens bei Einhaltung einer gesetzlichen Frist vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Diese Regelung dient in erster Linie dem Schutz des rechtsunkundigen Beteiligten an der Versäumung der Frist.[395] Demgegenüber ist ein Rechtsirrtum etwa durch eine anwaltlich vertretene Partei in der Regel verschuldet und steht einer Wiedereinsetzung entgegen.[396] Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung der §§ 17, 39 FamFG ausdrücklich die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verfassungsgebot einer Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen aufgegriffen.[397] Hierbei hat er insbesondere auf die vom Bundesgerichtshof herangezogene Rechtsprechung zu § 44 S. 2 StPO hingewiesen, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis erfordert.[398] Hieraus folgt, dass eine Wiedereinsetzung in denjenigen Fällen ausgeschlossen ist, in denen der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis über seine Rechtsmittel keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf. Auf diese Weise wird vor allem der geringeren Schutzbedürftigkeit anwaltlich vertretener Beteiligter Rechnung getragen.[399]

Dementsprechend geht die ganz überwiegende Auffassung davon aus, dass es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung und der Versäumung der Rechtsmittelfrist fehlt, wenn der Rechtsmittelführer anwaltlich vertreten war. Von einem Rechtsanwalt kann und muss erwartet werden, dass er selbst die Voraussetzungen für die Einlegung eines Rechtsmittels, insbesondere die zu wahrenden Fristen kennt. Auch in Übergangsfällen bei Änderung der Gesetzeslage hat der Rechtsanwalt die einzuhaltenden Fristen gegebenenfalls mit erhöhter Aufmerksamkeit zu überprüfen.

 

Rz. 423

Beruht die Versäumung der Frist auf einer gebotenen aber unterbliebenen Weiterleitung der Beschwerde durch das "unzuständige" Beschwerdegericht an das Ausgangsgericht, so kommt auch im Bereich des FamFG die Bewilligung der Wiedereinsetzung noch nach Ablauf der Jahresfrist (§ 18 Abs. 3 FamFG) in Betracht.[400]

Enthielt die in dem angefochtenen Beschluss beigelegte Rechtsbehelfsbelehrung keinen Hinweis an den im ersten Rechtszug anwaltlich nicht vertretenen Verfahrensbeteiligten auf den geltenden Anwaltszwang und hatte der betreffende Beteiligte innerhalb der Rechtsmittelfrist das Rechtsmittel selbst eingelegt, war er ohne Verschulden verhindert, die Beschwerdefrist einzuhalten.[401]

[394] BGH MDR 2012, 230 = NJW 2012, 453.
[395] BGH FamRZ 2010, 1425 unter II 2 a.
[396] BGH FamRZ 2010, 1425 unter II 2 a.; Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, § 17 Rn 25, 25a.
[397] BGHZ 150, 390, 396; BT-Drucks 16/6308, S. 183.
[398] BGH a.a.O., 399; BT-Drucks a.a.O.
[399] BT-Drucks 16/6308, S. 183; BGH FamRZ 2010, 1425; OLG Rostock FamRZ 2011, 986; OLG Naumburg MDR 2011, 387; OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 2011; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1691; Musielak/Borth, FamFG, § 17 Rn 3; Bahrenfuss, FamFG, § 17 Rn 11; Maurer, FamRZ 2009, 465.
[400] BGH NJW 2013, 1684 (zu § 234 Abs. 3 ZPO); OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 1598.
[401] OLG Köln FGPrax 2013, 137.

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