Rz. 57

Hat das Kind eine eigene Erwerbstätigkeit aufgenommen, lebt es aber noch im Haushalt der Eltern, erhält dort Unterhaltsleistungen und arbeitet in seiner Freizeit im elterlichen Betrieb noch mit, entfällt trotzdem ein Ersatzanspruch der Eltern nach § 845 BGB bei Verletzung/Tötung des Kindes. Für eine Verpflichtung des noch im elterlichen Haushalt lebenden Kindes zu unentgeltlichen Leistungen gemäß § 619 BGB ist dann kein Raum mehr, wenn das Kind seine volle Arbeitskraft für eine anderweitige entgeltliche Erwerbstätigkeit einsetzt.[51]

 

Rz. 58

Schwer abzugrenzen ist häufig, ob es sich um familienrechtliche,[52] gesellschaftsrechtliche[53] oder arbeitsvertragliche[54] Verpflichtungen handelt.

 

Rz. 59

Entscheidend ist der Wille der Beteiligten,[55] der zumeist schriftlich (z.B. in einem Ausbildungsvertrag) fixiert ist. Vermutungen für die eine oder die andere Variante gibt es nicht. Bei der Mitarbeit eines erwachsenen Kindes im elterlichen Betrieb spricht im Allgemeinen das Bestreben nach Selbstständigkeit und sozialer Absicherung sowie der Wunsch nach einem festen monatlichen Einkommen gegen die rechtliche Einordnung der Mithilfe als familienrechtlich motiviert.[56]

 

Rz. 60

Die Einordnung erfolgt ganzheitlich, d.h. die Dienstleistung ist entweder insgesamt als familienrechtlich motiviert anzusehen oder komplett anders einzuordnen (z.B. als arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit).[57] Bei Tätigkeit im elterlichen Betrieb ist eine Aufspaltung der Arbeitsleistung in einen familienrechtlichen und einen arbeitsvertraglichen Teil nicht möglich.[58]

 

Rz. 61

Auch in der Landwirtschaft entfällt ein Ersatzanspruch, wenn die Dienstleistung aufgrund eines Arbeits- oder Ausbildungsvertrages erfolgte.[59] Gleiches gilt, wenn zwischen Eltern und verletztem/getötetem Kind eine vertraglich bindende Vereinbarung über die spätere Hofübernahme[60] (z.B. ein Erbvertrag) und die deswegen zu erbringende Arbeitsleistung des Kindes bestanden hätte.[61]

[51] BGH v. 7.10.1997 – VI ZR 144/96 – AgrarR 1998, 90 = BGHZ 137, 1 = EWiR 1998, 263 (Anm. Grunsky) = FamRZ 1998, 101 = JZ 1998, 362 (Anm. Gernhuber) = MDR 1998, 49 = NJW 1998, 307 = NZV 1998, 67 = RdL 1998, 10 = r+s 1998, 111 = SP 1998, 10 = VersR 1998, 466 = VRS 94, 81 = WI 1997, 207 (Setzt ein noch im elterlichen Haushalt lebendes Kind seine volle Arbeitskraft für eine anderweitige entgeltliche Tätigkeit ein, ist kein Raum mehr für unentgeltliche Dienstleistungen i.S.v. § 1619 BGB); OLG Celle v. 31.1.1996 – 3 U 24/95 – r+s 1997, 160 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 3.12.1996 – VI ZR 81/96 –); LG Münster v. 17.6.2005 – 4 O 150/05 – juris (Vorinstanz zu OLG Hamm v. 28.3.2006 – 9 U 137/05 – juris); LG Trier v. 25.5.1999 – 11 O 322/98 – SP 1999, 341.
[52] OLG Saarbrücken v. 14.3.1980 – 3 U 107/78 – r+s 1981, 127 = VersR 1981, 542 = zfs 1981, 238, 248 m.w.H. (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 24.3.1981 – VI ZR 93/80 –).
[53] Siehe BGH v. 21.11.2000 – VI ZR 231/99 – BGHReport 2001, 123 = DAR 2001, 159 = JA 2001, 619 (nur Ls.) (Anm. Schöpflin) = MDR 2001, 389 = NJW 2001, 971 = r+s 2001, 245 = VersR 2001, 648.
[54] OLG Jena v. 3.12.2008 – 2 U 157/08 – RdL 2010, 9 = zfs 2010, 79 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 13.10.2009 – VI ZR 342/08 –); OLG Köln v. 13.12.1989 – 13 U 191/89 – JMBl NW 1990, 163 = VersR 1991, 1292 (Mithilfe der Tochter in der Bäckerei der Eltern aufgrund Arbeitsvertrages).
[55] BGH v. 6.11.1990 – VI ZR 37/90 – AgrarR 1991, 316 = DAR 1991, 144 = FamRZ 1991, 298 = MDR 1991, 425 = NJW 1991, 1226 = NZV 1991, 110 = r+s 1991, 164 = VersR 1991, 428 = VRS 80, 251 = zfs 1991, 156.
[56] OLG Jena v. 3.12.2008 – 2 U 157/08 – RdL 2010, 9 = zfs 2010, 79 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 13.10.2009 – VI ZR 342/08 –).
[57] BGH v. 6.11.1990 – VI ZR 37/90 – AgrarR 1991, 316 = DAR 1991, 144 = FamRZ 1991, 298 = MDR 1991, 425 = NJW 1991, 1226 = NZV 1991, 110 = r+s 1991, 164 = VersR 1991, 428 = VRS 80, 251 = zfs 1991, 156 (Eine ganzheitliche Betrachtungsweise ist angezeigt; im Zweifel ist einer ungekünstelten Würdigung der Dienstleistung entweder als insgesamt familienrechtlich motiviert oder als insgesamt dienst- bzw arbeitsvertraglich geschuldet der Vorzug zu geben).
[58] OLG Jena v. 3.12.2008 – 2 U 157/08 – RdL 2010, 9 = zfs 2010, 79 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 13.10.2009 – VI ZR 342/08 –); OLG Köln v. 13.12.1989 – 13 U 191/89 – JMBl NW 1990, 163 = VersR 1991, 1292 (Mithilfe der Tochter in der Bäckerei der Eltern aufgrund Arbeitsvertrages); LG Arnsberg v. 29.11.1968 – 1 O 291/68 – VersR 1969, 911 (Mithilfe in elterlicher Gaststätte).
[59] Vgl. BGH v. 21.11.2000 – VI ZR 231/99 – BGHReport 2001, 123 = DAR 2001, 159 = JA 2001, 619 (nur Ls.) (Anm. Schöpflin) = MDR 2001, 389 = NJW 2001, 971 = r+s 2001, 245 = VersR 2001, 648.
[60] OLG Celle v. 10.8.1989 – 5 U 97/88 – NJW-RR 1990, 1478 = NZV 1990, 434 = VersR 1991, 1291 = zfs 1991, 11 (Auch ein als Hoferbe vorgesehener Sohn erbringt nach Ausbildungsende nicht nur Leistungen nach § 1619 BGB...

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