Rz. 9

Bei einem gemeinschaftlichen Testament tritt die Bindungswirkung bezüglich der wechselbezüglichen Verfügungen erst mit dem Tod des Erstversterbenden ein. Vor dem Tod ist jeder Ehegatte berechtigt, durch einseitigen notariellen Widerruf, der dem anderen Ehegatten zugehen muss, das Testament und somit seine Beschränkung der Testierfreiheit aufzuheben (vergleiche §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB). Die Widerrufserklärung muss dem Ehegatten im Original zugehen – eine beglaubigte Abschrift genügt nicht.[19]

 

Rz. 10

Steht ein Ehegatte unter Betreuung, dann muss die Widerrufserklärung dem Betreuer zugestellt werden.[20] Nach h.M. ist für eine wirksame Zustellung ausreichend, wenn der Betreuer für den Aufgabenbereich Vermögensangelegenheiten bestellt ist.[21] Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass für die Entgegennahme und den Zugang der Widerrufserklärung eine gesonderte Betreuerbestellung zu erfolgen hat.[22] Ist der widerrufende Ehepartner selbst der Betreuer, dann bedarf es zur Entgegennahme der Widerruferklärung eines Ergänzungsbetreuers (§§ 1908i, 1795 Abs. 2, 181 BGB).[23]

 

Rz. 11

Aufgrund der Tatsache, dass der Widerruf bei Geschäftsunfähigen dessen gesetzlichen Vertreter zugehen muss (§ 131 Abs. 1 BGB), ist umstritten, ob es ausreicht, wenn die Widerruferklärung einem Bevollmächtigten zugestellt wird. Das LG Leipzig hat dies für den Fall bejaht, dass der Geschäftsunfähige eine Vorsorgevollmacht erstellt hat und das Betreuungsgericht aufgrund dessen die Bestellung eines (weiteren) Betreuers zur Entgegennahme der Widerrufserklärung abgelehnt hatte.[24]

 

Rz. 12

Muster 9.2: Einseitiger Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments

 

Muster 9.2: Einseitiger Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments

_________________________ (Notarielle Urkundenformalien)[25]

Am _________________________ habe ich, _________________________, mit meiner Ehefrau _________________________ mit notarieller Urkunde vor dem Notar _________________________, Urkundenrolle Nr. _________________________, ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Hiermit widerrufe ich sämtliche in diesem gemeinschaftlichen Testament von mir getroffenen Verfügungen von Todes wegen in vollem Umfang. Eine Ausfertigung dieser notariell beurkundeten Widerrufserklärung wird meinem Ehegatten entsprechend den Formerfordernissen der §§ 2296 Abs. 2, 130, 132 BGB zugestellt. Damit beauftrage ich den amtierenden Notar bzw. seinen Vertreter im Amt hiermit.

 

Praxishinweis

Der Widerruf muss dem anderen Ehegatten in Ausfertigung zugehen, beglaubigte Abschrift reicht nicht![26] Im Übrigen ist für die Praxis die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher empfehlenswert. Dem Gerichtsvollzieher muss mitgeteilt werden, dass er nicht etwa eine von ihm beglaubigte Abschrift zustellen darf, sondern die Original-Ausfertigung zustellen muss. Dies sollte jeder gewissenhafte Berater danach auch selbst kontrollieren.

[20] So die h.M., J. Mayer, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2271 Rn 17 m.w.N.; a.A. Damrau/Bittler, ZErb 2004, 77, die in einem solchen Fall davon ausgehen, dass wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament bei Eintritt der Geschäftsunfähigkeit nicht mehr widerrufbar sind.
[21] OLG Nürnberg ZErb 2013, 306; LG Hamburg DNotI-Report 2000, 86; Zimmer, NJW 2007, 1713; Palandt/Weidlich, § 2271 Rn 6.
[22] Helms, DNotZ 2003, 104.
[23] Vgl. J. Mayer, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2271 Rn 18.
[24] LG Leipzig ZErb 2009, 360.
[25] Notarielle Beurkundung mit den üblichen Formalitäten, wobei zu beachten ist, dass der Widerrufende testierfähig sein muss.
[26] BGHZ 31, 5; OLG Hamm FamRZ 1991, 1486.

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