Rz. 1

M und F leben seit kurzem getrennt. Ihre beiden Kinder vjK, 19 Jahre, und K, 16 Jahre, leben bei F und besuchen noch das Gymnasium. Das bereinigte Nettoeinkommen des M beträgt monatlich 3.000 EUR, das der F 1.100 EUR. F verlangt für sich und das minderjährige Kind K Unterhalt von M. Auch das volljährige Kind vjK verlangt Unterhalt von M.

I. Kindesunterhalt

 

Rz. 2

 

Hinweis

Während das volljährige Kind seinen Unterhaltsanspruch ohnehin im eigenen Namen geltend machen muss, ist der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes unter den Voraussetzungen des § 1629 Abs. 3 S. 1 von F im eigenen Namen (gesetzliche Verfahrensstandschaft) geltend zu machen. Nach Rechtskraft der Scheidung kommt meist § 1629 Abs. 2 S. 2 zur Anwendung. Das Kind klagt im eigenen Namen und wird vom betreuenden Elternteil vertreten. Beim Volljährigenunterhalt hat der Rechtsanwalt stets die Gefahr einer Interessenkollision zu bedenken.[1]

[1] Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11.

1. Unterhalt für das minderjährige Kind K

 

Rz. 3

Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle (DT). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe § 1 Rdn 1) verwiesen.

 

Rz. 4

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.000 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 4 (2.701 – 3.100 EUR) zur Anwendung. Es sind 3 Unterhaltsberechtigte vorhanden. Die DT geht von zwei Unterhaltsberechtigten aus. Eine Herabstufung um eine Einkommensgruppe in die Gruppe 3 (2.301 – 2.700 EUR) ist bei K deshalb geboten.

 

Rz. 5

Kind K ist 16 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 3. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 587 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K beträgt somit 477,50 EUR (587 – 109,50 EUR). F ist dem minderjährigen Kind nicht barunterhaltspflichtig, weil sie es betreut.

2. Unterhalt für das volljährige Kind vjK

 

Rz. 6

Vgl. hierzu zunächst Fälle 27 bis 29 (siehe § 6 Rdn 1, 15, § 7 Rdn 1).

 

Rz. 7

Aufgrund der Volljährigkeit ist auch F dem vjK barunterhaltspflichtig. Nur beim minderjährigen Kind erfüllt der Elternteil, bei dem das Kind lebt, seine Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung. VjK lebt noch bei einem Elternteil. Sein Bedarf bestimmt sich deshalb nach der DT (siehe hierzu auch Nr. 13.1 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien bzw. der SüdL).

 

Rz. 8

Für das volljährige Kind vjK bestimmt sich der Unterhalt jedoch nach dem zusammengerechneten Einkommen (3.000 + 1.100 EUR = 4.100 EUR) von M und F, die ebenfalls barunterhaltspflichtig ist; deshalb gilt für den Bedarf von vjK Gruppe 7: 3.901 – 4.300 EUR.

 

Rz. 9

Bei der Bedarfsbestimmung nach dem gemeinsamen Einkommen sind bei mehr oder weniger als zwei Unterhaltsberechtigten keine Umgruppierungen vorzunehmen.

 

Rz. 10

Kind vjK ist 19 Jahre alt, es fällt also in Altersstufe 4. Sein Bedarf beträgt damit in der Einkommensgruppe 7 grds. 774 EUR. Das ganze Kindergeld von 219 EUR ist bedarfsdeckend anzurechnen, so dass 555 EUR (774 – 219 EUR) verbleiben. Hierbei handelt es sich nur um einen vorläufigen Wert, weil noch der Haftungsanteil der F zu berücksichtigen sein wird.

 

Hinweis

Wenn F das Kindergeld bezieht, hat vjK einen Anspruch auf Verwendung für seinen Barbedarf (Kost und Logis). Falls M das Kindergeld bezieht, hat vjK gegen M einen Anspruch auf Auskehr.[2]

[2] Vgl. hierzu Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn 724.

3. Zwischenergebnis Kindesunterhalt

 

Rz. 11

Somit ergibt sich folgender Unterhalt für die beiden Kinder: für K 477,50 EUR und für vjK 555 EUR. Hierbei handelt es sich allerdings, wie schon ausgeführt, bezüglich vjK nur um einen vorläufigen Wert, weil noch der Haftungsanteil der F zu berücksichtigen sein wird.

II. Ehegattenunterhalt

1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 12

Im Fallbeispiel wird unterstellt, dass ein Unterhaltstatbestand erfüllt ist.

2. Bedarf

 

Rz. 13

Der eben bestimmte Kindesunterhalt (nicht der Tabellenbetrag) ist nunmehr vom Einkommen des M abzuziehen.

3.000 (Einkommen M) – 555 – 477,50 EUR (Zahlbeträge Kindesunterhalt) = 1.967,50 EUR

Diese 1.967,50 EUR fließen in die Berechnung des Ehegattenunterhalts ein.

Halbteilungsgrundsatz

bereinigtes Nettoeinkommen des M nach Vorwegabzug des Kindesunterhalts: 1.967,50 EUR

Erwerbstätigenbonus für M: 1.967,50 EUR × 10 % = 197 EUR

bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 1967,50 – 197 EUR = 1.770,50 EUR

bereinigtes Nettoeinkommen der F: 1.100 EUR

Erwerbstätigenbonus für F: 1.100 EUR × 10 % = 110 EUR

bedarfsbestimmendes Einkommen der F: 1.100 – 110 EUR = 990 EUR

voller Bedarf von F (Summe der gekürzten Einkommen geteilt durch 2): (1.770,50 + 990 EUR) : 2 = 1.380,25 EUR

Der Bedarf der F beträgt also 1.380,25 EUR.

3. Bedürftigkeit (ungedeckter Bedarf)

 

Rz. 14

Der vorgenannte Bedarf der F ist in Höhe von 990 EUR durch eigenes Einkommen gedeckt. Der Unterhaltsanspruch beträgt also 391 EUR (1.380,25 – 990 EUR). Erst jetzt kann der Haftungsanteil der F am Unterhalt für das volljährige Kind bestimmt werden.

III. Zurück zum Unterhalt für das volljährige Kind

 

Rz. 15

Haftungsanteil der F am Unterhalt für das volljährige Kind:

 

SüdL

13.3 Bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist vor Berechnung des Haftungsanteils nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gem. Nr. 10 zu ermitteln. Außerdem ist vom Restbetrag ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts ...

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