Rz. 1

M und F1, deren Ehe geschieden ist, haben das gemeinsame volljährige Kind vjK, das 19 Jahre alt ist. VjK lebt bei seiner Mutter F1 und studiert. F1 hat kein Einkommen und kann auch keines erzielen; sie ist leistungsunfähig. Einen Unterhaltsanspruch gegen M hat sie nicht (mehr). M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 2.300 EUR. M ist seit einigen Jahren mit F2 verheiratet, die ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 400 EUR hat und auch nicht mehr verdienen kann. VjK will von M Unterhalt.

I. Unterhalt für volljähriges Kind

1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 2

Zur Anspruchsgrundlage vgl. Fälle 27 und 28 (siehe § 6 Rdn 1, 15).

2. Bedarf

 

Rz. 3

VjK lebt bei einem Elternteil, im Fallbeispiel bei seiner Mutter F1. Der Bedarf ist deshalb der Düsseldorfer Tabelle (DT) zu entnehmen (vgl. Fall 27, siehe § 6 Rdn 1).

 

Rz. 4

F1 hat kein Einkommen und kann auch keines erzielen. Somit ist lediglich das Einkommen des M maßgebend (zur anteiligen Haftung vgl. Fall 28, siehe § 6 Rdn 15). Vgl. zum Bedarf volljähriger Kinder auch Nr. 13.1 der im Einzelfall anwendbaren Leitlinien bzw. der SüdL (Anhang Nr. 3).

 

Rz. 5

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.300 EUR. Er fällt deshalb grundsätzlich in die Einkommensgruppe 2 (1.901 – 2.300 EUR). Die Altersstufe 4 (ab 18) ist maßgebend. Es sind zwei Unterhaltsberechtigte (vjK und F2) vorhanden. Ein Unterhaltsanspruch der F1 ist im Fallbeispiel nicht gegeben. Ab- oder Zuschläge sind nicht geboten, da die DT von zwei Unterhaltsberechtigten ausgeht.

 

Rz. 6

Vom Tabellenbetrag (598 EUR) ist das volle Kindergeld (219 EUR) abzuziehen.

 

BGH, Urt. v. 21.1.2009 – XII ZR 54/06

Um den unterschiedlichen Beiträgen der Eltern zum Barunterhaltsbedarf des volljährigen Kindes gerecht zu werden, ist das Kindergeld deswegen vorab bedarfsdeckend auf den gesamten (Bar-) Unterhaltsbedarf anzurechnen. Das führt dazu, dass beide Elternteile entsprechend der jeweils geschuldeten Quote vom Barunterhalt entlastet werden (BGH, Urt. v. 26.10.2005 – XII ZR 34/03 = FamRZ 2006, 99, 101 ff.).

 

Rz. 7

Somit ergibt sich ein Zahlbetrag von 379 EUR (598 – 219 EUR).

3. Leistungsfähigkeit

 

Rz. 8

Es ist zu berücksichtigen, dass M auch seiner neuen Ehefrau F2 unterhaltspflichtig ist. Deshalb ist dieser Unterhalt zu bestimmen, um die Leistungsfähigkeit beurteilen zu können:

II. Ehegattenunterhalt

1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 9

Die Ehe von M und F2 ist nicht geschieden. M und F2 leben auch nicht getrennt. F2 hat einen Anspruch auf Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a.

 

§ 1360 Verpflichtung zum Familienunterhalt

Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts.

 

Rz. 10

Der Familienunterhalt ist aber zu beziffern, um bestimmen zu können, ob bzw. in welchem Umfang M gegenüber dem volljährigen Kind leistungsfähig ist.

 

BGH, Beschl. v. 27.4.2016 – XII ZB 485/14 Tz. 17

Der Anspruch auf Familienunterhalt nach den §§ 1360, 1360 a BGB lässt sich zwar nicht ohne weiteres nach den zum Ehegattenunterhalt nach Trennung oder Scheidung entwickelten Grundsätzen bemessen. Seinem Umfang nach umfasst der Anspruch auf Familienunterhalt gemäß § 1360a BGB alles, was für die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und eventueller Kinder erforderlich ist. Sein Maß bestimmt sich aber nach den ehelichen Lebensverhältnissen, so dass der Senat in Fällen der Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen § 1578 BGB als Orientierungshilfe herangezogen hat (Senatsurteil BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363 Rn 33 m.w.N.; BGHZ 186, 350 = FamRZ 2010, 1535 Rn 30).

 

BGH, Urt. v. 21.1.2009 – XII ZR 54/06

Schuldet ein Unterhaltsschuldner seiner neuen Ehefrau nach den §§ 1360, 1360a BGB Familienunterhalt, da sie nicht über ausreichendes eigenes Einkommen verfügt, kann dieser Unterhaltsanspruch zwar nicht ohne weiteres nach den zu Ehegattenunterhalt nach Trennung oder Scheidung entwickelten Grundsätzen bemessen werden. Denn er ist nach seiner Ausgestaltung nicht auf die Gewährung einer – frei verfügbaren – laufenden Geldrente für den jeweils anderen Ehegatten, sondern vielmehr als gegenseitiger Anspruch der Ehegatten darauf gerichtet, dass jeder von ihnen seinen Beitrag zum Familienunterhalt entsprechend seiner nach dem individuellen Ehebild übernommenen Funktion leistet. Seinem Umfang nach umfasst der Anspruch auf Familienunterhalt gemäß § 1360a BGB alles, was für die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und eventueller Kinder erforderlich ist. Sein Maß bestimmt sich aber nach den ehelichen Lebensverhältnissen, so dass § 1578 BGB als Orientierungshilfe herangezogen werden kann. Es begegnet deshalb keinen Bedenken, den Anspruch auf Familienunterhalt im Fall der Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen auf die einzel­nen Familienmitglieder aufzuteilen und in Geldbeträgen zu veranschlagen (BGH 30.7.2008 – XII ZR 177/06, FamRZ 2008, 1911, 1914; BGH 25.4.2007 – XII ZR 189/04, FamRZ 2007, 1081, ...

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