Rz. 178

BGH, Urt. v. 24.10.2017 – VI ZR 504/16, juris

Zitat

BGB §§ 134, 249, 305c Abs. 2, 307, 398, 823 Abs. 1; StVG §§ 7, 18; RDG §§ 1, 2 Abs. 1, 2 Abs. 2, 3, 5 Abs. 1

1. Übernimmt ein Kfz-Sachverständiger mit der Erstellung von Schadensgutachten zugleich die Einziehung des vom jeweiligen Geschädigten an ihn abgetretenen Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der Sachverständigenkosten, so liegt in der Einziehung dieser Schadensersatzansprüche kein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 RDG. Wie häufig der Sachverständige entsprechend verfährt, ist nicht erheblich.

2. Stellt die Geltendmachung der an den Sachverständigen abgetretenen Forderung auf Ersatz der Sachverständigenkosten durch den Sachverständigen eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG dar, so ist sie nach § 5 Abs. 1 RDG grundsätzlich erlaubt, wenn allein die Höhe der Forderung im Streit steht (Fortführung Senatsurt. v. 31.1.2012 – VI ZR 143/11, BGHZ 192, 270 Rn 7 ff.).

3. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierenden Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut (Anschluss BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 152/15, NJW-RR 2016, 526 Rn 18).

4. Zu § 305c Abs. 2 BGB.

a) Der Fall

 

Rz. 179

Die Parteien, eine Verrechnungsstelle (Klägerin), die über die Erlaubnis zur Erbringung von Inkassoleistungen verfügt, und ein Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer (Beklagte) stritten um den Ersatz restlicher Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall.

 

Rz. 180

Das Fahrzeug des F. (im Folgenden: Geschädigter) wurde Ende August 2015 bei einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte zu 100 % einstandspflichtig ist, beschädigt. Noch am Tag des Unfalls beauftragte der Geschädigte den Sachverständigen G. W. (im Folgenden: Sachverständiger) mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Der vom Geschädigten und dem Sachverständigen unterzeichnete Gutachtenauftrag lautete auszugsweise wie folgt:

 

Rz. 181

Zitat

[…]. Der SV [Sachverständiger] erhält als Vergütung für die Gutachtenerstellung ein Grundhonorar, das sich am ermittelten Schaden orientiert. Grundlage der Berechnungen ist der im Honorarbereich V ermittelte Wert der aktuellen BVSK-Befragung 2013. Zusätzlich erhält der SV Nebenkosten wie folgt vergütet: 1. Fotosatz: EUR 2,50 (entspricht EUR 2,97 inkl. MwSt.) pro Foto, 2. Fotosatz EUR 1,65 (entspricht EUR 1,96 inkl. MwSt.) pro Foto; Fahrtkosten EUR 1,10 (entspricht EUR 1,31 inkl. MwSt.) pro gefahrenem Kilometer (max. 50 km); Porto/Telefon (pauschal): EUR 18,00 (entspricht EUR 21,42 inkl. MwSt.); Schreibkosten pro Seite: EUR 2,80 (entspricht EUR 3,33 inkl. MwSt.); Schreibkosten Zweitausfertigung pro Seite EUR 1,40 (entspricht EUR 1,67 inkl. MwSt.).

[…]

Abtretung und Zahlungsanweisung

Zur Sicherung des Sachverständigenhonorars in der o.g. Angelegenheit trete ich meinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs einschließlich der Mehrwertsteuer für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber an den SV ab. Auf den Zugang der Annahme verzichte ich. […] Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des SV aus diesem Vertrag gegen mich nicht berührt. Diese können nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung bei der gegnerischen Versicherung oder dem Schädiger zu jeder Zeit gegen mich geltend gemacht werden. […]

[Unterschrift Geschädigter]

Weiterabtretung zur Geltendmachung an Verrechnungsstelle

Der SV bietet hiermit der D […] [Klägerin] die vorstehend vereinbarte Forderung inkl. aller Nebenrechte und Surrogate zur Abtretung an.

Der SV verzichtet auf den Zugang der Annahmeerklärung. Jegliche Zahlung darf ausschließlich an die Verrechnungsstelle erfolgen!

[Unterschrift Sachverständiger]

 

Rz. 182

Das vom Sachverständigen erstattete Gutachten wies als Schaden voraussichtliche Reparaturkosten von brutto 2.163,86 EUR aus. Für sein Gutachten berechnete der Sachverständige einen Betrag von brutto 600,95 EUR, der sich aus dem Grundhonorar von 370 EUR, Fotokosten für 12 Lichtbilder von 30 EUR für den ersten und 19,80 EUR für den zweiten Satz, Schreibgebühren für 16 Seiten von insgesamt 44,80 EUR und weiteren 22,40 EUR für das Duplikat, 18 EUR für Porto/Telefon/EDV sowie der Umsatzsteuer von 95,95 EUR zusammensetzte. Die Klägerin zahlte den Rechnungsbetrag an den Sachverständigen, übersandte die Rechnung zusammen mit der Abtretungserklärung an die Beklagte und forderte sie zur Zahlung des Rechnungsbetrags an sie auf. Die Beklagte zahlte hierauf 479,19 EUR an die Klägerin und lehnte eine weitergehende Zahlung ab. Mit ihrer Klage machte die Klägerin die Differenz von 121,76 EUR zwischen dem Rechnungsbetrag einerseits und der erfolgten Zahlung andererseits nebst Zinsen geltend.

 

Rz. 183

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils vollumfänglich stattgegebe...

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