Rz. 21

Die Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung spielt aufgrund der Inhalts- und Ausübungskontrolle (§ 8 Rdn 70 ff.) in der Praxis nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Sie ist jedoch vor allem dann zu prüfen, wenn die Vertragskontrolle nicht greift oder zu einem im Vergleich zur Anfechtung ungünstigeren Ergebnis führt. Dogmatisch ist die Anfechtung durch die Inhalts- und Ausübungskontrolle nicht ausgeschlossen und kann sich im Einzelfall als der günstigere Weg darstellen. Ein angefochtener Ehevertrag ist nämlich ex ante nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB), während die Ausübungskontrolle in der Regel nur zur Anpassung führt (§ 242 BGB). Allerdings werden häufig Beweisprobleme bestehen.

 

Rz. 22

Es sollte grundsätzlich darauf geachtet werden, dass im Rahmen der Verhandlungen keine abwiegelnden oder verharmlosenden oder sogar denaturierenden Erklärungen abgegeben werden, auch und insbesondere nicht durch den Rechtsanwalt, dessen Erklärungen dem vertretenen Mandanten unmittelbar zugerechnet werden (§ 164 BGB).

 

Rz. 23

 

Beispiel

M möchte F dazu bringen, einen Globalverzicht zu vereinbaren.

Der Rechtsanwalt, Anwalt des M, schreibt an F: "Sie können den Vertrag bedenkenlos unterschreiben. Er gibt nur wieder, was für Ihren Fall ohnehin den gesetzlichen Vorschriften entspricht."

Achtung!

Dieser Satz gefährdet den Vertrag.

1. Irrtumsanfechtung, § 119 BGB

 

Rz. 24

 

Beispiel

F hat in der Notarurkunde einen Globalverzicht erklärt, welcher der Vertragskontrolle standhält. Der Notar hat ausweislich der Urkunde nicht über die Bedeutung der einzelnen Folgesachen belehrt.

 

Rz. 25

Nach wohl überwiegender, vor allem neuerer Rechtsprechung steht die fehlende Notarbelehrung der Gültigkeit des Vertrages nicht entgegen und kann allenfalls zur Notarhaftung führen.[18] Der Erklärende bleibt bewusst in Unkenntnis wesentlicher Umstände und gibt gleichwohl seine Erklärung ab.[19] Dies gilt auch für Ausländer mit Sprachschwierigkeiten und verwendete juristische Fachbegriffe (Handeln auf eigene Gefahr).[20] Das OLG Stuttgart hat in einer allerdings älteren Entscheidung aus dem Jahr 1982 eine andere Bewertung anklingen lassen.[21]

 

Rz. 26

Ob in diesem Fall eine Irrtumsanfechtung greift, ist noch nicht entschieden. Die besondere Gefahr für den Rechtsanwalt liegt in der kurzen Anfechtungsfrist des § 121 BGB (Vollmacht im Original beifügen, § 174 BGB!).

 

Rz. 27

Erklärt ein Beteiligter bei der Urkundsverhandlung oder meint der Notar, dass ein Beteiligter der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist und wird dies in der Niederschrift festgestellt (§ 16 BeurkG) muss zwingend ein Dolmetscher zur Übersetzung der Niederschrift hinzugezogen werden, falls der Notar nicht selbst übersetzt. Erfolgt die Übersetzung durch einen der Beteiligten, ist die Beurkundung unwirksam und der Vertrag nichtig.[22] Dies ist jedoch kein Problem der Anfechtung. Diese ist möglich, wenn ein Beteiligter die Vertragsklauseln wegen unzureichender Sprachkenntnis nicht versteht und es hierdurch kausal zu einem Irrtum kommt.

[18] OLG Frankfurt v. 3.6.2005 – 5 F 75/04, juris.
[21] OLG Stuttgart DNotZ 1983, 693
[22] OLG Frankfurt FF 2001, 172; OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 761.

2. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB

 

Rz. 28

Leugnet ein Ehegatte die tatsächlich vorhandene Trennungsabsicht, um den anderen zu einer vertraglichen Verzichtserklärung zu bewegen, kann die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung möglich sein.[23] Hier besteht natürlich ein gravierendes Beweisproblem.

Unabhängig davon kann ein anlässlich einer Ehekrise geschlossener Vertrag wirksam sein.[24]

 

Rz. 29

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1995 anklingen lassen, dass eine Vertragsanfechtung in Betracht kommt, wenn der eine Ehegatte dem anderen vorspiegelt, er sei bereit, den Vertrag später wieder aufzuheben.[25]

 

Rz. 30

Man wird hier auch die Wertung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit zu beachten haben: verlangt einer der Ehegatten in einer Ehekrise den Abschluss eines Ehevertrags mit Globalverzicht, verstößt dies nicht gegen § 138 BGB, wenn er davon den Versuch der Fortsetzung der Ehe abhängig gemacht hat.[26]

[23] Hoffmann, FF 2004, 7 Fn 39.
[24] OLG Hamm FamRZ 2005, 1210.
[25] BGH FamRZ 1996, 1536.
[26] BGH FamRZ 1997, 156.

3. Anfechtung wegen Drohung, § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB

 

Rz. 31

Auch die Anfechtung wegen Drohung kann dann bedeutsam sein, wenn im objektiven Bereich nicht in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingegriffen wurde (Beispiel: Gütertrennung) und die Inhalts- und Ausübungskontrolle deshalb nicht greift.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge