Rz. 143

Von großer Bedeutung ist die Frage, wie sich nichtige Klauseln auf die Wirksamkeitskontrolle auswirken[96] und was der Mandantschaft zu raten ist.

 

Achtung!

Hier droht sich folgendes Risiko zu verwirklichen: Das von den Ehegatten Gewollte gerät im Falle einer späteren Scheidung in Streit. Der benachteiligte Ehegatte beruft sich zu einer bestimmten Vertragsklausel auf § 138 BGB und der gesamte Vertrag, auch andere Punkte, die nicht kontrollfest sind, droht zu kippen. Diese Gefahr besteht besonders in Fällen, wo der Vertrag aus der Zeit vor dem 6.2.2001 (neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts[97]) stammt und nunmehr Klauseln, die früher kontrollfest waren, einer gerichtlichen Überprüfung nicht mehr standhalten.

[96] Münch, FamRB 2015, 196.

a) Die Ehegatten sind sich weiterhin einig – keine Zwangsteilhabe

 

Rz. 144

Hierzu hat Münch vorgeschlagen, eine Bestätigung des Rechtsgeschäfts vorzunehmen.[98] Dieser Hinweis ist richtig und wichtig, wobei zu beachten ist, dass die Bestätigung – neues Rechtsgeschäft = neuer (Notar)vertrag) – als erneute Vornahme gilt (§ 141 BGB), die folglich ihrerseits einer erneuten Wirksamkeitskontrolle unterfällt. Die Bestätigung ist also vor allem dort hilfreich, wo die Voraussetzungen beim ursprünglichen (sittenwidrigen) Rechtsgeschäft vorlagen, nun aber nicht mehr gegeben sind.

 

Rz. 145

 

Beispiel

Die Ehegatten verzichteten am 1.4.1980 wechselseitig umfassend auf nachehelichen Unterhalt für den Fall der Scheidung incl. des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB. Diese Klausel war damals kontrollfest.[99] Inzwischen sind die Eheleute 60 Jahre alt und gemeinsame Kinder sind nicht mehr zu erwarten. Beide haben Erwerbseinkommen in gleicher Höhe und sind für das Alter in gleicher Weise abgesichert. Sie vereinbaren erneut einen den vollständigen nachehelichen Unterhaltsausschluss.

 

Rz. 146

Auch nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die Inhaltskontrolle nicht zu einer Zwangsteilhabe.[100] Bereits vorher hatte er entschieden, dass nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit Heiratswillige nicht gezwungen sein sollen, den Versorgungsausgleich für ihre Ehescheidung hinzunehmen.[101]

[98] Münch, FamRB 2015, 196, 197.
[99] BGH FamRZ 1985, 788.
[100] BGH FamRZ 2014, 629, 632.
[101] BGH FamRZ 1996, 1536.

b) Die Ehe ist gescheitert

 

Rz. 147

Aufgrund der kontradiktorischen Interessenlage wird es zu einer Bestätigung nach § 141 BGB nicht kommen.

Nunmehr können sich verschiedene Fragen stellen:

aa) Wie wirkt sich eine nichtige, aber irrelevante Klausel auf den Gesamtvertrag aus?

 

Rz. 148

Die Nichtigkeit kann nicht gemäß § 139 BGB aus einer Klausel hergeleitet werden, die bei der Vertragsdurchführung ohne Bedeutung geblieben ist.[102]

[102] BGH, BGHZ 112, 296; RGZ 153, 59, 61; Palandt/Heinrichs, § 138 Rn 17; OLG Hamm FamRZ 2012, 232; OLG Jena NJW-RR 2010, 649.

bb) Kann eine nachträgliche Veränderung der tatsächlichen Umstände dazu führen, dass eine ursprünglich nichtige Klausel wieder auflebt?

 

Rz. 149

Richtiger Auffassung nach ist dies nicht der Fall, da dem das Gesetz entgegensteht, wonach für den Fall der Nichtigkeit einer vertraglichen Vereinbarung an deren Stelle die gesetzlichen Regelungen treten. Es liegt kein Fall der sog. schwebenden Unwirksamkeit vor.[103]  

 

Rz. 150

Vgl. folgendes Beispiel von Münch:[104]

 
Praxis-Beispiel

Die Ehegatten hatten einen Globalverzicht (vollständiger Ausschluss aller Scheidungsfolgen) incl. Kindesbetreuungsunterhalt vereinbart bei bestehendem Kinderwunsch, der sich aber später nicht erfüllt hat. Ein Ehegatte klagt ohne Erfolg auf Zugewinnausgleich mit dem Argument der Nichtigkeit des Unterhaltsverzichts und der Folge der Nichtigkeit auch der Gütertrennungsklausel.

[104] Münch, FamRB 2015, 196, 197.

cc) Kann eine nachträgliche Veränderung der Gesetzeslage dazu führen, dass eine ursprünglich nichtige Klausel wieder auflebt?

 

Rz. 151

Hauptanwendungsfall:[105] Eine Klausel war zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung rechtwidrig, genügt nunmehr aber den restriktiveren Vorgaben der Unterhaltsrechtsreform (§ 1578 b BGB). Das Problem besteht in der Überlegung, ob man in einer Vereinbarung, die der Gesetzgeber später selbst für rechtens hält, eine Verwerflichkeit sehen kann.

[105] Vgl. Münch, FamRB 2015, 196, 198.

dd) Kann eine nachträgliche Kompensation dazu führen, dass eine ursprünglich nichtige Klausel wieder auflebt?

 

Rz. 152

Dies ist nach herrschender Auffassung nicht der Fall, selbst wenn es zu einer Überkompensation gekommen ist,[106] sodass nur ein neuer Vertrag (Bestätigung, siehe oben Rdn 36 ff.) hilft,[107] in welchen die Kompensationsleistung aufzunehmen ist. Münch vertritt überdies die Meinung, dass dem durch die Klausel benachteiligten Ehegatten (Empfänger der Kompensation) eine Berufung auf die Klausel nach § 242 BGB verwehrt sein kann.[108]

[106] OLG München FamRB 2015, 196, 197; OLG Düsseldorf FamRZ 2005, 282; OLG Saarbrücken NJW-RR2007, 654.
[107] Münch, FamRB 2015, 196, 198.
[108] Münch, FamRB 2015, 196, 198.

ee) Problem: Altfälle

 

Rz. 153

Der BGH hatte bei seiner Grundsatzentscheidung vom 11.2.2004 – XII ZR 265/02[109] (Änderung seiner Rechtsprechung; Einführung der Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen heutiger Prägung) notwendig einen zeitlich davor liegenden Fall zu beurteilen. Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und damit auf das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden an diesem Tag abzustellen. Man stelle sich nun im Wege eines Gedankenexperiments den Abschluss zweier identisch...

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