Rz. 200

Sämtliche Geschäftsgebühren der Nrn. 2300 – 2303 VV RVG sind gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des sich anschließenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen (zur Verfahrensgebühr s. Rdn 356). Der Gesetzgeber beabsichtigt mit Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu verhindern, dass der RA für die gleiche Tätigkeit (Betreiben des Geschäfts) in einer Angelegenheit zweimal Gebühren fordern kann.

 

Rz. 201

Eine Anrechnung findet statt, wenn der RA die Angelegenheit zunächst vor- bzw. ­außergerichtlich und anschließend gerichtlich betrieben hat.

 

Rz. 202

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Anrechnung durchzuführen.

1. Durch die Anrechnung vermindert sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr. In diesem Fall ist es i.d.R. unvermeidbar, dass die Geschäftsgebühr in voller Höhe neben der Hauptforderung oder auch ohne diese gerichtlich geltend gemacht werden kann und muss. Wird die Geschäftsgebühr in voller Höhe im Klageverfahren geltend gemacht, wird die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt.

2. Die geltend gemachte Geschäftsgebühr wird um den Anrechnungsteil aus Vorbe­merkung 3 Abs. 4 VV RVG gekürzt. In diesem Fall wird auch nur die gekürzte Geschäftsgebühr im gerichtlichen Verfahren als Nebenforderung geltend gemacht. In dem sich anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat die Anrechnung auf die Höhe der Verfahrensgebühr keine Auswirkung.

 

Rz. 203

Der RA hat ein freies Wahlrecht zwischen einer der beiden Anrechnungsmethoden, kann aber seine ausgeübte Wahl nicht später abändern, denn nach Ausübung des Wahlrechts schützt § 15a Abs. 2 RVG den zur Kostentragung Verpflichteten.

 

Rz. 204

Muster 8.21: Kurzbelehrung Anrechnung der Geschäftsgebühr

 

Muster 8.21: Kurzbelehrung Anrechnung der Geschäftsgebühr

Wir weisen bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass für den Fall einer sich anschließenden gerichtlichen Auseinandersetzung entsprechend Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG die Hälfte der Geschäftsgebühr, jedoch höchstens 0,75 auf die im gerichtlichen Verfahren entstehende Verfahrensgebühr anzurechnen ist.

Es ist daher noch fraglich, ob alle Teile der hiesigen Anwaltsvergütung auch im Fall des Obsiegens von der Gegenseite gezahlt werden müssen.

 

Rz. 205

 

Hinweis:

Bitte beachten Sie das Muster in § 10 Rdn 64. Diese Belehrung berücksichtigt die Änderungen durch § 15a RVG.

 

Rz. 206

Die Geschäftsgebühr wird nur zur Hälfte (maximal 0,75) angerechnet, um den unterschiedlichen vor- und außergerichtlichen Tätigkeiten des RA Rechnung zu tragen. Bei der Anrechnung ist zu beachten, dass die Geschäftsgebühr nur nach dem Wert des Gegenstands angerechnet wird, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist.

 

Beispiel:

Vorgerichtlich fordert der RA den Gegner zur Zahlung i.H.v. 15.000,00 EUR auf. Diesbezüglich entsteht die Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert i.H.v. 15.000,00 EUR. Der Gegner erbringt jetzt eine Teilzahlung i.H.v. 7.500,00 EUR, sodass das gerichtliche Verfahren nur noch wegen 7.500,00 EUR zu führen ist (der Gegner hat eine Zahlungsbestimmung auf die Hauptforderung vorgenommen, sodass eine Verrechnung auf die bisher entstandene Rechtsanwaltsvergütung ausscheidet). Angerechnet wird die Geschäftsgebühr jetzt nur nach einem Gegenstandswert von 7.500,00 EUR.

 

Rz. 207

Haben die vor- bzw. außergerichtliche und die nachfolgende gerichtliche Tätigkeit des RA nicht denselben Gegenstand, erfolgt keine Anrechnung. Nur wenn die gerichtliche Tätigkeit die vor- bzw. außergerichtliche Tätigkeit des RA tatsächlich fortführt, erfolgt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr.

a) Höhe der Anrechnung

 

Rz. 208

Die Höhe der Anrechnung ergibt sich aus Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG. Die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG (und auch die anderen Geschäftsgebühren, bei denen es sich um Satzrahmengebühren handelt) wird zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahren angerechnet, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz i.H.v. 0,75.

Hierbei muss beachtet werden, dass, wenn die Hälfte der Gebühr kleiner als 0,75 ist, nur der geringere Betrag angerechnet wird. Ist die Hälfte der Geschäftsgebühr größer als 0,75, werden lediglich 0,75 angerechnet. Mehr als 0,75 der Geschäftsgebühr werden nie angerechnet. Die Anrechnungshöhe ist auf 0,75 nach oben begrenzt.

 

Rz. 209

 

Beispiel 1:

Der RA hat die Höhe des Gebührensatzrahmens der Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG mit 1,3 bestimmt. Der vorgerichtlichen Tätigkeit schließt sich eine gerichtliche Auseinandersetzung an.

Die Geschäftsgebühr wird mit 0,65 auf die entsprechende Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, denn die Hälfte v. 1,3 ist kleiner als 0,75.

Der RA kann berechnen

Entweder:

1,3 Geschäftsgebühr gem. §§ 2 Abs. 2, 13, Nr. 2300 VV RVG,

0,65 Restverfahrensgebühr gem. §§ 2 Abs. 2, 13, Nr. 3100 VV RVG.

(Kürzung der 1,3 Verfahrensgebühr um den Anrechnungsanteil der Geschäftsgebühr i.H.v. 0,65 gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG.)

Neue Variante:

Oder

0,65 Restgeschäftsgebühr gem. §§ 2...

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