Rz. 226

Die Geschäftsgebühr, die für die vor- bzw. außergerichtliche Tätigkeit des RA entstanden ist, ist derzeit nach der Rechtsprechung des BGH nicht i.R.d. Kostenfestsetzung gem. §§ 103, 104 ZPO festsetzbar (BGH, NJW 2006, 2560; BGH, AGS 2008, 158 ff.; BGH, RVGreport 2006, 274 – für die durch ein Mahnschreiben entstandene Geschäftsgebühr und weitere Entscheidungen des BGH [abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de, Unterpunkt: Entscheidungen – Suchbegriff: Geschäftsgebühr]). Um eine Erstattung der Geschäftsgebühr zu erreichen, bleibt nur der Weg, dass der Auftraggeber (vertreten durch seinen RA) die Geschäftsgebühr in einer eigenen Klage (oder durch einen Mahnbescheid) oder – und dies ist der sinnvollste Weg – im laufenden Prozess als Nebenforderung geltend macht. Verlangt der Auftraggeber die Erstattung der Geschäftsgebühr im laufenden gerichtlichen Verfahren, ist die vor- bzw. außergerichtliche Geschäftsgebühr eine Nebenforderung i.S.v. § 4 ZPO. Sie erhöht dann den Streitwert (und damit auch den Gegenstandswert) nicht. Der RA darf hier nicht untätig sein. Unternimmt er angesichts der klaren kostenerstattungsrechtlichen Folgen nichts zur Geltendmachung der Geschäftsgebühr, kann sich der RA schadensersatzpflichtig machen.

 

Rz. 227

Die klageweise Geltendmachung der vor- bzw. außergerichtlichen Geschäftsgebühr betrifft sowohl den Kläger als auch den Beklagten im Prozess. Für beide gilt, dass im Fall des Obsiegens eine vor- bzw. außergerichtlich entstandene Geschäftsgebühr nicht festsetzbar ist.

 

Rz. 228

Es besteht auch die Möglichkeit, die Geschäftsgebühr nicht gemeinsam mit der Hauptsache geltend zu machen, sondern einen eigenen Prozess dafür anzustrengen. Dies birgt ein nicht unerhebliches Kostenrisiko. Wird die Geschäftsgebühr in einem eigenen Prozess geltend gemacht, bestimmt diese Gebühr die Hauptsache und es entstehen eigene Vergütungsansprüche (also Rechtsanwaltsgebühren) und Gerichtskosten. Es ist zu erwarten, dass eine Kostenerstattung in diesem Verfahren selbst im Fall eines Obsiegens nicht erfolgt. Es hätte einen günstigeren Weg gegeben, die Geschäftsgebühr geltend zu machen, sodass die Kosten eines gesonderten Prozesses nicht notwendig sein dürften.

 

Rz. 229

Muster 8.22: Geltendmachung der Geschäftsgebühr in der Klage

 

Muster 8.22: Geltendmachung der Geschäftsgebühr in der Klage

1.

Hauptanspruch nebst Zinsen,

2.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere _________________________ EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem _________________________ (spätestens: Zustellung der Klage/Widerklage o.Ä.) zu zahlen.

3.

Weitere Ansprüche (Vollstreckbarkeit/Zulassung von Rechtsmitteln/einer Bankbürgschaft u.Ä.).

Begründung:

1. Begründung zum Hauptanspruch
2.

Der mit dem Antrag zu 2. geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich wie folgt:

Der Beklagte ist zur Erstattung der vorgerichtlich bei dem Kläger entstandenen ­Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG verpflichtet.

Dem Kläger steht ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch als Folgeschaden zu. Durch das vorgerichtliche Verhalten des Beklagten war der Kläger veranlasst, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dazu war der Kläger auch berechtigt.

Vorgerichtlich sind bei dem Kläger eine 1,3 Geschäftsgebühr gem. §§ 2 Abs. 2, 13, Nr. 2300 VV RVG nebst Nebenleistung (in der Regel: Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem. Nr. 7002 VV RVG und Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG) entstanden. Da im gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr entsteht, ist die Geschäftsgebühr zu 0,65 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Daher wird klageweise nur die um den Anrechnungsteil nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG verbleibende Restgeschäftsgebühr geltend gemacht. Dies vorausgeschickt berechnet sich der von dem Kläger geltend gemachte Betrag wie folgt:

 
Gegenstandswert _________________________ EUR
Berechnet nach §§ 2 Abs. 2, 13 RVG  
0,65 Restgeschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG _________________________ EUR
(die Anrechnung entsprechend Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG erfolgt im Rahmen eines etwaigen Kostenfestsetzungsverfahrens)  
anteilige Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem. Nr. 7002 VV RVG _________________________ EUR
19 % USt gem. Nr. 7008 VV RVG _________________________ EUR
Der Kläger ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.  
Summe _________________________ EUR

Die Geschäftsgebühr ist nach der herrschenden Meinung nicht vom Kostenerstattungsanspruch des Hauptverfahrens umfasst.

Der Kläger hat die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG bereits beglichen.

Anm.:

1. Hat der Kläger nicht geleistet, ist auf Freistellung zu klagen.
2. Die folgenden kursiv dargestellten Ausführungen sind nur erforderlich, wenn der Gebührensatzrahmen der Geschäftsgebühr höher als mit 1,3 bestimmt wird.

Gleichzeitig wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer gemäß § 14 Abs. 2 RVG nicht erforderlich ist. Sollte der Beklagte die Angemessenheit des Gebührensatzrahmens der Geschäftsgebühr bestr...

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