a) § 623 BGB: Beendigungskündigung des Arbeitsvertrages

 

Rz. 88

Die Beendigung des Arbeitsvertrages durch Kündigung gem. § 623 BGB ist einem konstitutiven Schriftformerfordernis nach § 126 Abs. 1 BGB unterworfen.[53] Hiervon sind neben der Änderungskündigung auch die ordentliche und außerordentliche Kündigung erfasst,[54] unabhängig davon, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer kündigt.[55]

 

Rz. 89

Die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen, § 623 Hs. 2 BGB. Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB gilt auch bei einer Beendigungskündigung durch den Insolvenzverwalter gem. § 113 InsO.[56]

 

Rz. 90

Der Schriftformzwang besteht auch dann, wenn das KSchG keine Anwendung findet, also bspw. in Kleinbetrieben oder bei einer Kündigung in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses.

 

Rz. 91

Eine Verletzung des Schriftformerfordernisses bei der Beendigungskündigung kann fristungebunden ­gerichtlich geltend gemacht werden, da § 4 S. 1 KSchG den Zugang der "schriftlichen" Kündigung zur Voraussetzung für die Fristauslösung macht. Das gilt auch bei der außerordentlichen Kündigung, § 13 Abs. 1 S. 1 KSchG. Eine Begrenzung des Klagerechts ergibt sich nur aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung, § 242 BGB,[57] Rdn 97 ff.

 

Rz. 92

Die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung bleibt gem. § 140 BGB möglich. Dies gilt aber nur dann, wenn die außerordentliche Kündigung gemäß § 623 BGB schriftlich erklärt worden ist und nur aus einem anderen Grund unwirksam ist. Die Umdeutung scheitert dann nicht an der Form für die ordentliche Kündigung, denn die Kündigung an sich ist formwirksam erklärt. Die Umdeutung einer gegen § 623 BGB verstoßenden außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung scheitert jedoch daran, dass die ordentliche Kündigung als Ersatzgeschäft gegen § 623 BGB verstößt und damit gleichfalls formunwirksam ist, denn § 140 BGB setzt voraus, dass mit der Umdeutung der Wille der Parteien in rechtlich zulässiger Weise verwirklicht worden wäre.[58]

 

Rz. 93

Soweit der Arbeitgeber seine Kündigung mit einer Abfindungserklärung nach § 1a KSchG verbindet, bedarf diese ebenfalls der Schriftform.[59]

[54] ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB, Rn 3; HB-KR/Osnabrügge, § 1 Rn 45 ff.
[55] ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB, Rn 3; Trittin/Backmeister, DB 2000, 618, 621.
[56] Preis/Gotthardt, NZA 2000, 350.
[57] HWK/Quecke, § 7 KSchG Rn 4; Däubler, AiB 2000, 188.
[58] BGH 30.10.1970 – IV ZR 125/69, NJW 1971, 428, 429.
[59] Giesen/Besgen, NJW 2004, 185, 186; Raab, RdA 2005, 1, 5.

b) § 623 BGB: Änderungskündigung

 

Rz. 94

Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB erstreckt sich nicht nur auf die Änderungskündigung, sondern auch auf das Änderungsangebot.[60] Das Änderungsangebot ist Bestandteil der Kündigung. Eine Trennung von Kündigung und Angebot mit der Folge, dass der Arbeitgeber das Angebot auch mündlich abgeben kann, verkennt, dass Kündigung und Angebot eine Einheit bilden, es sich also um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt.[61]

 

Rz. 95

Es ist aber ausreichend, wenn der Inhalt des Änderungsangebots im Kündigungsschreiben hinreichenden Anklang gefunden hat. Die Formvorschrift des § 623 BGB dient vor allem dem Schutz vor Übereilung (Warnfunktion) und der Rechtssicherheit (Klarstellungs- und Beweisfunktion).[62] Durch die Beachtung der Formvorschrift soll die Beweisführung für die Existenz der Kündigungserklärung sowie den Inhalt des Änderungsangebots gesichert werden. Hinsichtlich des Inhalts eines (Änderungs-) Angebots ist aber der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen, § 133 BGB. Deshalb können und müssen auch außerhalb des Kündigungsschreibens liegende, zur Erforschung des Angebotsinhalts geeignete Umstände herangezogen und mitberücksichtigt werden. Dieser Notwendigkeit trägt im allgemeinen Zivilrecht bei formbedürftigen Rechtsgeschäften die sog. Andeutungstheorie Rechnung. Nach ihr sind auch Urkunden über formbedürftige Rechtsgeschäfte nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat.[63]

[60] BAG 16.9.2004 – 2 AZR 628/03, NZA 2005, 635 = BB 2005, 946; ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rn 16; Preis/Gotthardt, NZA 2000, 349; Richardi/Annuß, NJW 2000, 1233; Hromadka, DB 2002, 1323.
[62] ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rn 1.
[63] BGH 25.3.1983 – V ZR 268/81, BGHZ 81, 150; BGH 17.2.2000 – IX ZR 32/99, NJW 2000, 1569; zusammenfassend Palandt/Ellenberger § 133 Rn 19.

c) Rechtsfolgen des Formverstoßes, Klagefrist und Verwirkung

 

Rz. 96

Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Form des § 623 BGB hat gem. § 125 S. 1 BGB die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge.[64] Eine Heilung ist nicht möglich. Die Kündigung muss unter Beachtung der anzuwendenden Kündigungsfristen sowie sonstiger rechtlicher Erfordernisse (z.B. Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG) wiederholt werden. Deshalb kann eine wiederholte außerordentlich...

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