Rz. 25

Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadenberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt zugrunde legen.[28]

Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt: Der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, muss sich auf diese verweisen lassen.[29]

Für die tatrichterliche Beurteilung der Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit gilt der erleichterte Beweismaßstab gem. § 287 ZPO.[30]

 

Rz. 26

Wenn daher der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer konkret eine oder mehrere Fachwerkstätten benennt, die etwa 3 km vom Wohnsitz des Geschädigten entfernt sind, sind die Werkstattlöhne dieser gleichwertigen Werkstatt zugrunde zu legen.[31]

 

Rz. 27

Wenn sich die markengebundene Werkstatt vom Wohnort des Geschädigten in einer Entfernung von 3,7 km befindet und die Vergleichswerkstatt 22,1 km entfernt ist, kann die Verweisung unzumutbar sein, insbesondere dann, wenn das nicht mehr verkehrssichere Fahrzeug transportiert werden muss.[32]

Wenn die Vertragswerkstatt 6 km entfernt ist und die Vergleichswerkstatt sich in einer Entfernung von 38 km befindet, ist die Verweisung auf diese Werkstatt unzulässig.[33]

 

Rz. 28

In der Praxis sind viele Versicherer – mit Erfolg – dazu übergegangen, dem Geschädigten eine oder mehrere Fachwerkstätten zu benennen, die im Umkreis von 3 km zum Wohnort des Geschädigten zu günstigeren Werkstattlöhnen qualitativ gleichwertige Reparaturarbeiten anbieten. Der Versicherer kann in diesen Fällen dann auch die Werkstattlöhne dieser Werkstätten bei der Schadenregulierung zugrunde legen; dies gilt insbesondere dann, wenn das beschädigte Fahrzeug älter als drei Jahre ist.[34]

 

Rz. 29

Die technische Gleichwertigkeit der Reparatur ist gegeben, wenn die Vergleichswerkstatt den "Eurogarant-Fachbetrieben"[35] angehört und Meisterbetrieb sowie Mitgliedsbetrieb des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik ist.[36]

 

Rz. 30

Der Haftpflichtversicherer muss dem Geschädigten konkrete Angaben zukommen lassen, aus denen sich die Gleichwertigkeit der genannten Werkstätten ergibt, ebenso die Entfernung zum Wohnort des Geschädigten.[37]

 

Rz. 31

Wenn der Geschädigte der Auffassung ist, dass es unzumutbar ist, eine der vom Versicherer genannten Werkstätten aufzusuchen, ist der Geschädigte beweispflichtig.[38]

 

Rz. 32

Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Werkstatt" insbesondere dann, wenn diese Werkstatt nur deshalb kostengünstiger ist, weil sie mit dem Haftpflichtversicherer Sonderkonditionen vereinbart hat;[39] dies gilt nicht für Kaskoschäden.[40]

Unzumutbarkeit ist auch dann gegeben, wenn die Vertragswerkstatt 3,7 km, die Vergleichswerkstatt 22 km entfernt ist und das nicht verkehrssichere Fahrzeug transportiert werden muss.[41]

 

Rz. 33

Bei der fiktiven Schadenabrechnung kann der Geschädigte noch im Rechtsstreit auf die günstigere Reparaturmöglichkeit verwiesen werden, da es für den Geschädigten unerheblich ist, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlichen Aufwendungen ermittelt werden soll.[42]

 

Rz. 34

Wenn der Geschädigte das Fahrzeug in einer Werkstatt sach- und fachgerecht reparieren lässt, kann er nur die tatsächlich angefallenen Bruttokosten geltend machen. Es ist ihm dann verwehrt, fiktiv auf der Basis des Sachverständigengutachtens abzurechnen;[43] dies gilt auch bei einer preisgünstigeren Reparatur im Ausland.[44] Im Rahmen der Zumutbarkeit sind auch zusätzliche Transportkosten zu berücksichtigen.[45]

[28] "Porsche-Urteil", BGH, VI ZR 398/02, DAR 2003, 373 = zfs 2003, 405 = SP 2003, 201 = VersR 2003, 920, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 4 Rn 1.
[29] BGH, VI ZR 398/02, DAR 2003, 373 = zfs 2003, 405 = SP 2003, 201 = VersR 2003, 920, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 4 Rn 1; BGH, VI ZR 259/09, zfs 2010, 621 = NZV 2010, 553, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 4 Rn 47; BGH, VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 = NZV 2010, 554, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 4 Rn 34; BGH, VI ZR 337/09, zfs 2010, 497 = VersR 2010, 1097 = NZV 2010, 555, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 4 Rn 39.
[30] BGH, VI ZR 59/09, NZV 2010, 553 = DAR 2010, 621 = zfs 2010, 621.
[31] LG Berlin, NJW-RR 2007, 20 = SP 2007, 71; AG Köln, SP 2007, 147; AG Gummersbach, SP 2007, 147; LG Halle, 2 S 191/09, NJW-RR 2010, 1537.
[32] BGH, VI ZR 267/14, zfs 2015, 621; OLG Karlsruhe, 1 U 135/14, zfs 2015, 624.
[34] BGH, VI ZR 53/09, zfs 2010, 143 = SP 2010, 79 = NZV 2010, 133 = DAR 2010, 77 = MDR 2010, 203, BGH, VI ZR 182/16, NJW 2017, 2182; OLG Saarbrücken, 4 U 29/17, NJW-RR 2018, 87, 90.
[35] Siehe www.eurogarant.de.
[36] BGH, VI ZR 259/09, zfs 2010, 621 = VersR 2010, 1380, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 4 Rn 47.

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