Leitsatz (amtlich)

1. Eine freie Fachwerkstatt, die fast 38 km vom Wohnort des Geschädigten entfernt in einer anderen Stadt liegt und keinen kostenlosen Bring- und Holservice anbietet, ist unter Berücksichtigung gegebener Verzögerungen, die sich im morgen- und nachmittäglichen Berufsverkehr ergeben, jedenfalls dann nicht mühelos und ohne Weiteres erreichbar, wenn eine markengebundene Werkstatt nur 6 km entfernt liegt und in 9 Autominuten erreicht werden kann.

2. Wird dem Geschädigten kein zumutbares alternatives Reparaturangebot unterbreitet, kann er seiner Abrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 254

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 12 O 134/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Mönchengladbach vom 29. April 2019 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.398,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagten zu 80 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls am 03.07.2018, als sein parkendes Fahrzeug der Marke M. von einem vorbeifahrenden B., der vom Beklagten zu 1. gefahren wurde und bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert war, am Kotflügel, beiden linksseitigen Türen sowie am vorderen linken Reifen und Felge streifend beschädigt wurde.

In der Berufungsinstanz steht nur noch die Höhe der Stundenverrechnungsätze in Streit, die der Kläger im Rahmen seiner fiktiven Schadensabrechnung geltend machen kann.

Der Kläger forderte in der ersten Instanz den Ersatz fiktiver Reparaturkosten in Höhe von 5.768,54 EUR (Nettoreparaturkosten 5.543,54 EUR, Wertminderung 200,00 EUR und Kostenpauschale 25,00 EUR). Dabei legte er gemäß dem von ihm eingeholten Schadensgutachten als Stundenverrechnungssatz einer markengebundenen Werkstatt für Karosseriearbeiten 151,92 EUR netto und für Lackierarbeiten 227,88 EUR netto zzgl. 50 % für Lackiermaterial zugrunde (Bl. 19 d.A.).

Die Beklagte zu 2. zahlte am Tag vor der Zustellung der Klage am 14.11.2018 an den Kläger einen Betrag in Höhe von 3.376,47 EUR (Nettoreparaturkosten 3.201,47 EUR, Wertminderung 150,00 EUR, Kostenpauschale 25,00 EUR), den sie aufgrund eines Netto-Stundenverrechnungssatzes für Karosseriearbeiten in Höhe von 95,00 EUR und für Lackierarbeiten in Höhe von 98,00 EUR zzgl. 45 % für Lackiermaterial berechnet hatte. Auf die abgerechneten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 EUR zahlte die Beklagte zu 2. 492,54 EUR.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, dass seine Schadensabrechnung - insbesondere im Hinblick auf die geltend gemachten Stundenverrechnungssätze und die Wertminderung - den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag darstelle. Dementsprechend hat er die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner in Höhe von weiteren 2.392,07 EUR nebst Zinsen und Freistellung von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten beantragt.

Die Beklagten haben demgegenüber die Ansicht vertreten, dass sie den Kläger auf die von ihr benannte günstige freie Werkstatt F.-M. G. in Köln gemäß ihrer Schadensabrechnung wirksam verwiesen hätten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I., der als Mechaniker-, Karosserie- und Lackierermeister bei der F.-M. G. tätig ist, und sodann der Klage in Höhe von 451,17 EUR teilweise stattgegeben. Die Beklagte zu 2. habe den Kläger wirksam auf die F.-M. G. als freie Fachwerkstatt verwiesen, die den glaubhaften Angaben des Zeugen I. zufolge für Karosseriearbeiten einen Stundenverrechnungssatz in Höhe von 95,00 EUR und für Lackierarbeiten in Höhe von 98,00 EUR zzgl. Lackiermaterial verlange. Die von der F.-M. G. verlangten Preise stünden nach der Zeugenaussage allen Kunden offen und beruhten nicht auf einer besonderen vertraglichen Vereinbarung gegenüber einem Versicherer. Der erforderliche Qualitätsstandard sei gegeben und die Werkstatt trotz der Entfernung von knapp 38 km zum Wohnort des Klägers noch mühelos erreichbar, da diese einen Hol- und Bringservice mit überschaubaren Kosten anbiete. UPE-Aufschläge - die im Übrigen nach den Abrechnungen des Klägers und der Kostenprüfung der Beklagten nicht hinreichend nachvollziehbar seien - verlange die Werkstatt nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen nicht. Damit ergäben sich fiktive Reparaturkosten in Höhe von 3.652,64 EUR, auf die bereits 3.201,47 EUR gezahlt seien. Ein höherer merkantiler Minderwert als 150,00 EUR stehe dem Kläger überdies nicht zu.

Mit seiner Berufung, mit der der Kl...

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