Rz. 5

& Zu 1.

Zweck der Abmahnung: Die Abmahnung ist eine Reaktion auf einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Sie soll dem Arbeitnehmer einerseits Gelegenheit geben, sein Verhalten zu verändern, um weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung zu vermeiden. Andererseits ist sie eine Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Daher muss die Abmahnung sorgfältig formuliert werden.

Im Regelfall sind ein oder mehrere Abmahnungen erforderlich, bevor der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen kündigen kann.

 

Rz. 6

& Zu 2.

Für die Abmahnung besteht zwar kein Schriftformbedürfnis. Aus Beweisgründen ist es aber sehr zu empfehlen, jede Abmahnung schriftlich zu verfassen.

Im Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ist vor der Erteilung einer Abmahnung die Anhörung des Arbeitnehmers vorgeschrieben.[3] Aber auch für Arbeitnehmer außerhalb des Geltungsbereichs des TV-L wird in der Literatur teilweise die Notwendigkeit zur Anhörung des Arbeitnehmers vor der Erteilung einer Abmahnung angenommen, weil der Arbeitnehmer vor einer das Arbeitsverhältnis belastenden Maßnahme Gelegenheit haben soll, Stellung zu nehmen. Fehle die Anhörung, so sei die Abmahnung formell unwirksam.[4] Andere Auffassungen gehen davon aus, dass die Anhörung nicht erforderlich sei. Nach der Rechtsprechung des BAG behält eine formell unwirksame Abmahnung jedenfalls ihre Warnfunktion, wenn sie ansonsten korrekt formuliert und inhaltlich zutreffend ist, sodass sie Grundlage für eine spätere Kündigung sein kann.[5] Unabhängig von juristischen Aspekten empfiehlt es sich, den Arbeitnehmer vor der Erteilung einer Abmahnung zu seinem Fehlverhalten anzuhören, da der Arbeitgeber dabei die Sichtweise des Arbeitnehmers zu dem Vorfall erfährt und dadurch auf einer besseren Tatsachengrundlage beurteilen kann, ob eine Abmahnung die angemessene Reaktion auf das Fehlverhalten darstellt.

 

Rz. 7

& Zu 3.

& Zu a)

Es ist sinnvoll, pro Abmahnung nur ein Fehlverhalten zu bezeichnen. Denn wenn sich innerhalb eines Gerichtsverfahrens auch nur einer von mehreren Vorwürfen nicht beweisen lässt oder als unzutreffend herausstellt, muss der Arbeitgeber die Abmahnung insgesamt zurücknehmen und aus der Personalakte entfernen.[6]

 

Rz. 8

& Zu b)

Näheres zu den Funktionen und zum notwendigen Inhalt der Abmahnung: BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 258/11, AP BGB § 626 Nr. 238; BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 675/07, NZA 2009, 842.

 

Rz. 9

& Zu 4.

Zwar gibt es für die Abmahnung keine gesetzliche Frist. Selbst wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Fehlverhaltens eine fristlose Kündigung erklären könnte, ist die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB für die Abmahnung nicht anwendbar. Auch tarifvertragliche Verfallfristen finden grundsätzlich keine Anwendung. Aber das Recht zur Erteilung der Abmahnung kann verwirken. Voraussetzungen des Tatbestands der Verwirkung sind das Zeitmoment und das Umstandsmoment. Nach welchem Zeitablauf eine Verwirkung eintritt, ist höchstrichterlich nicht entschieden und richtet sich nach den Umständen des einzelnen Falles. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat entschieden, eine Verwirkung sei nach Ablauf von sechs Monaten anzunehmen (wobei zusätzlich die konkreten Umstände des Falls zu berücksichtigen sind). Denn für den Arbeitnehmer entstehe der Eindruck, der Arbeitgeber halte das Fehlverhalten für nicht sanktionswürdig, wenn längere Zeit keine arbeitsrechtliche Konsequenz hierauf erfolgt.[7] Daher sollte eine Abmahnung stets kurzfristig nach Kenntnis des Fehlverhaltens erteilt werden, d.h. innerhalb weniger Wochen.

 

Rz. 10

& Zu 5.

Das Recht des Arbeitnehmers auf Rücknahme der Abmahnung und Entfernung aus der Personalakte ergibt sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in Verbindung mit §§ 242, 1006 BGB und kann auch klageweise geltend gemacht werden.[8] Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Er besteht auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht.[9] Meist wird gegen eine Abmahnung aber keine gesonderte Klage erhoben. Denn die Klage ist zum einen mit Kosten für den Arbeitnehmer verbunden, die er unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits in jedem Falle selbst zu tragen hat, sofern nicht eine Rechtsschutzversicherung eintritt oder Prozesskostenhilfe gewährt wird. Zum anderen belastet ein Klageverfahren das ohnehin schon angespannte Arbeitsverhältnis noch mehr. Sollte der Arbeitgeber später tatsächlich eine Kündigung erklären, kann im Rahmen der Kündigungsschutzklage die Berechtigung der Abmahnung geprüft werden.

Statt einer Klageerhebung gibt der Arbeitnehmer häufig eine Gegendarstellung zu der Abmahnung ab. Diese muss der Arbeitgeber in die Personalakte aufne...

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