Rz. 7

Der Kündigungsschutz greift nur bei positiver Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft bei Abgabe der Kündigungserklärung ein. Die Mitteilung einer vermuteten oder möglichen Schwangerschaft ist bereits ausreichend, um den Sonderkündigungsschutz auszulösen.[24] Weder treffen den Arbeitgeber in diesem Zusammenhang besondere Nachforschungspflichten noch fällt ihm fahrlässige bzw. grob fahrlässige Unkenntnis zur Last. Die schwangere Arbeitnehmerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, man habe ihren Zustand doch erkennen können. Will sie sich auf den Sonderkündigungsschutz berufen, hat sie selbst dafür Sorge zu tragen, dass die Mitteilung über die Schwangerschaft dem Arbeitgeber zugeht. Da dem Arbeitgeber bei der Einstellung kein Fragerecht nach einer Schwangerschaft zusteht, wäre es systemwidrig, ihm während des bestehenden Arbeitsverhältnisses bestimmte Nachforschungs- oder Erkundigungspflichten aufzuerlegen.[25] Eine bloße Vermutung des Arbeitgebers begründet daher noch keine fahrlässige Unkenntnis.

 

Rz. 8

Eine besondere Form ist für die Kenntniserlangung nicht vorgeschrieben. In den meisten Fällen wird der Arbeitgeber aufgrund der Mitteilungspflicht gem. § 15 Abs. 1 MuSchG ausdrücklich von der schwangeren Arbeitnehmerin informiert, wobei ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 MuSchG allerdings keine Auswirkungen auf den Sonderkündigungsschutz hat.

 

Rz. 9

 

Formulierungsbeispiel

Sehr geehrte Damen und Herren,

ausweislich des beigefügten ärztlichen Attestes bin ich in der (…) Woche schwanger. Als voraussichtlicher Tag der Entbindung wurde der (…) errechnet. Bitte bestätigen Sie mir den Erhalt dieses Schreibens.

Mit freundlichen Grüßen

 

Rz. 10

Die positive Kenntnis kann der Arbeitgeber auch durch die eigene Wahrnehmung oder zufälligen oder beabsichtigten Benachrichtigungen von dritten Personen wie bspw. Arbeitskollegen oder Betriebsratsmitgliedern erhalten haben.[26] Beruht die Kenntnis auf der eigenen Wahrnehmung, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ob die äußeren Anzeichen tatsächlich geeignet waren, dem Arbeitgeber ein über eine bloße Vermutung hinausgehendes sicheres Wissen (positive Kenntnis) zu verschaffen.

 

Rz. 11

Der Kenntnis des Arbeitgebers steht die Kenntnis seiner Vertreter gleich. Entscheidendes Kriterium für die Vertretereigenschaft ist die Personalkompetenz. Arbeitgeberstellung haben deshalb nicht nur kündigungsberechtigte Personen inne, sondern kann auch Personalsachbearbeitern zukommen, sofern diese nicht nur untergeordnete Schreibtätigkeiten ausüben.[27] Nicht ausreichend ist die Mitteilung an den Betriebsrat oder Werksarzt, da diese keine Vertreter des Arbeitgebers sind.[28] Auch die Mitteilung an den Vorarbeiter oder Dienstvorgesetzten genügt üblicherweise nicht.[29]

[24] LAG Berlin-Brandenburg v. 15.3.2018, BeckRS 2018, 25417.
[25] Vgl. BAG v. 15.10.1992, AP Nr. 8 zu § 611a BGB = NZA 1993, 257.
[26] Vgl. LAG Sachsen-Anhalt v. 9.12.2014, ArbRAktuell 2015, 231.
[27] KR/Gallner, § 17 MuSchG Rn 56.
[28] Vgl. BAG v. 13.4.1956, AP Nr. 9 zu § 9 MuSchG; Ascheid/Preis/Schmidt/Rolfs, § 17 MuSchG Rn 47.
[29] Vgl. BAG v. 18.2.1965, AP Nr. 26 zu § 9 MuSchG; KR/Gallner, § 17 MuSchG Rn 56.

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