Leitsatz (redaktionell)

(Versäumung der Mitteilungspflicht des § 9 Abs 1 Satz 1 MuSchG)

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vom 13.11.1979 1 BvL 24/77, 1 BvL 19/78, 1 BvL 38/78 = BVerfGE 52, 357 = AP Nr 7 zu § 9 MuSchG) erstreckt sich der besondere Kündigungsschutz des § 9 Abs 1 S 1 MuSchG auch auf die Arbeitnehmerinnen, die im Zeitpunkt der Kündigung schwanger sind, ihren Arbeitgeber hiervon unverschuldet nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung unterrichten, dies aber unverzüglich nachholen.

2. Eine schuldhafte Verzögerung der Mitteilung liegt nicht bereits darin, daß die Arbeitnehmerin alsbald nach Kenntnis von der Schwangerschaft einen Prozeßbevollmächtigten mit der Klageerhebung gegen die bis dahin nicht angegriffene Kündigung des Arbeitgebers beauftragt und die Schwangerschaft nur in der Klageschrift mitteilt. Die Arbeitnehmerin hat auch weder für Hindernisse bei der Übermittlung der Mitteilung, an denen sie kein Verschulden trifft, noch für ein zur Verzögerung der Mitteilung führendes Verschulden eines von ihr beauftragten geeigneten Bevollmächtigten einzustehen (im Anschluß an das auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmte Senatsurteil vom 6. Oktober 1983 2 AZR 368/82 = AP Nr 11 zu § 9 MuSchG 1968).

 

Normenkette

BGB § 278; GG Art. 6 Abs. 4; KSchG § 5 Fassung 1969-08-25; MuSchG § 1 Fassung: 1968-05-24; ZPO § 85 Abs. 2 Fassung 1976-12-03

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 25.03.1982; Aktenzeichen 9 Sa 1650/81)

ArbG Minden (Entscheidung vom 10.11.1981; Aktenzeichen 2 Ca 772/81)

 

Tatbestand

Die im Jahre 1957 geborene Klägerin war bei dem Beklagten seit 1. Februar 1981 als Taxifahrerin beschäftigt. Am 24. Juli 1981 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mündlich. Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 21. August 1981, beim Arbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Klage erhoben. In der Klageschrift ist ausgeführt, der Beklagte habe am 24. Juli 1981 zum 1. August 1981 gekündigt. Die Kündigung sei wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG unwirksam, weil die Klägerin seit zwei Monaten schwanger sei. Darüber hinaus sei die Kündigungsfrist für Angestellte von sechs Wochen zum Quartalsende nicht eingehalten. Die durch die Post am 27. August 1981 versuchte Zustellung der Klageschrift scheiterte zunächst daran, daß in der Klageschrift in der Anschrift des Beklagten ein unrichtiger Straßenname angegeben worden war. Die am 2. September 1981 an das Arbeitsgericht zurückgelangte Klageschrift wurde sodann am 4. September 1981 dem Beklagten durch Übergabe an seine Ehefrau zugestellt.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei im Zeitpunkt der Kündigung bereits schwanger gewesen. Nachdem die in der Zeit zwischen dem 18. und 24. Juli 1981 erwartete Regelblutung ausgeblieben sei, habe sie sich am 31. Juli 1981 bei dem Frauenarzt Dr. S einem Schwangerschaftstest unterzogen, der negativ ausgefallen sei; der Arzt habe eine hormonelle Störung angenommen. Am 19. August 1981 habe sie selbst einen Schwangerschaftstest mit positivem Ergebnis durchgeführt. Eine daraufhin von dem Frauenarzt Dr. G am 8. September 1981 vorgenommene Untersuchung habe eine Schwangerschaft in der 13. Woche ergeben.

Von der Schwangerschaft habe sie daher frühestens am 19. August 1981 und somit ohne ihr Verschulden erst nach Ablauf der zweiwöchigen Mitteilungsfrist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG Kenntnis erlangt. Hiervon habe sie den Beklagten auch unverzüglich durch die Klage unterrichtet. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne sie deshalb den Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes in Anspruch nehmen.

Die Klägerin hat beantragt festzustellen,

daß ihr Arbeitsverhältnis bei dem Beklagten

durch die Kündigung vom 24. Juli 1981 nicht

zum 1. August 1981 beendet worden ist.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat vorgetragen, daß er der Klägerin am 24. Juli 1981 wegen wiederholten Zuspätkommens zum Dienst, zuletzt an den vorausgegangenen vier Tagen, fristlos gekündigt habe. Von dem Bestehen einer Schwangerschaft habe er erstmals durch die Klage erfahren. Vorher habe er die Klägerin mehrfach in der Stadt getroffen. Weder bei diesen Gelegenheiten noch bei Abholung ihrer Arbeitspapiere am 25. August 1981 habe sie etwas von einer Schwangerschaft gesagt. Er bestreite, daß die Klägerin bei Ausspruch der Kündigung bereits schwanger gewesen sei. In jedem Falle habe sie aber die gesetzliche Mitteilungsfrist schuldhaft versäumt. Nachdem sie durch den von ihr selbst durchgeführten Test am 19. August 1981 Gewißheit über das Bestehen einer Schwangerschaft erlangt habe, hätte sie ihn hiervon spätestens bei Abholung der Arbeitspapiere am 25. August 1981 unterrichten müssen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des Arbeitsgerichts wiederherzustellen. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Kündigung nicht wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG unwirksam sei.

1. In tatsächlicher Hinsicht hat es festgestellt, die Klägerin sei bei Ausspruch der Kündigung am 24. Juli 1981 schwanger gewesen und habe positive Kenntnis von ihrem Zustand erst am 19. August 1981 erlangt. Der Beklagte habe hiervon jedoch nichts gewußt.

2. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß die Klägerin die - am 7. August 1981 abgelaufene - zweiwöchige Mitteilungsfrist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG zwar ohne ihr Verschulden versäumt, die Mitteilung jedoch nicht unverzüglich nach Kenntnis von der Schwangerschaft nachgeholt und deshalb den Sonderkündigungsschutz auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwirkt habe. Durch die erst am 4. September 1981 zugestellte Klage sei dem Beklagten die Schwangerschaft schuldhaft verspätet mitgeteilt worden. Zwar könne die Mitteilung auch auf diesem Wege erfolgen, wenn die Zustellung nur unwesentlich später bewirkt werde als ein gewöhnlicher Brief zugehen würde. Die Klägerin müsse es sich jedoch zurechnen lassen, daß der erste Zustellungsversuch infolge der unrichtigen Adressenangabe gescheitert sei. Durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe die Arbeitnehmerin im Falle einer ihr zunächst unbekannten Schwangerschaft einen zusätzlichen Schutz erfahren. Der Schutzzweck erfordere aber auch eine gebührende Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers. Die Arbeitnehmerin müsse deshalb nicht nur die Gefahr des Zugangs, sondern auch das Risiko tragen, daß der Zugang nicht mehr unverzüglich erfolge.

Die Klägerin könne sich auch deshalb nicht darauf berufen, die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung von der Schwangerschaft mit der Einreichung der Klage beim Arbeitsgericht erfüllt zu haben, weil sie bei Abholung ihrer Arbeitspapiere am 25. August 1981 nichts hiervon erwähnt habe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre sie aber verpflichtet gewesen, die ihr zwischenzeitlich bekanntgewordene Schwangerschaft mitzuteilen.

II. Die tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts über den Beginn der Schwangerschaft der Klägerin ist für das Revisionsgericht bindend, weil der insoweit durch das angefochtene Urteil beschwerte Beklagte als Revisionsbeklagter hiergegen keine Gegenrüge erhoben hat (§ 561 Abs. 2 ZPO). Für das Revisionsgericht steht somit fest, daß die Klägerin am 24. Juli 1981, dem Tag des Zugangs der Kündigung, schwanger gewesen ist.

III.Der rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts kann jedoch nicht gefolgt werden.

1. Richtig ist zunächst der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Die Klägerin hat den Sonderkündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht bereits deshalb verloren, weil sie dem Beklagten ihre Schwangerschaft nicht innerhalb von zwei Wochen nach Ausspruch der Kündigung mitgeteilt hat. Wie das Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 13. November 1979 und 22. Oktober 1980 (BVerfGE 52, 357 = AP Nr. 7 und BVerfGE 55, 154 = AP Nr. 8 zu § 9 MuSchG 1968) entschieden hat, ist es mit Art. 6 Abs. 4 GG unvereinbar, Frauen den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 MuSchG zu entziehen, die im Zeitpunkt der Kündigung schwanger sind, ihren Arbeitgeber hiervon unverschuldet nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG unterrichten, dies aber unverzüglich nachholen. Da dem Gesetzgeber keine andere Wahl bleibt, als die verfassungsrechtlich gebotene Einbeziehung dieser Arbeitnehmerinnen gesetzlich zu vollziehen, ist es den Gerichten für Arbeitssachen erlaubt, bis zu einer solchen Neuregelung im Wege einer verfassungsrechtlich gebotenen ergänzenden Rechtsanwendung den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG auch auf diesen Personenkreis zu erstrecken (BAG Urteil vom 13. Januar 1982 - 7 AZR 764/79 - AP Nr. 9 zu § 9 MuSchG 1968).

2. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, daß die Klägerin ohne ihr Verschulden den Beklagten nicht innerhalb der am 7. August 1981 abgelaufenen Mitteilungsfrist von ihrer Schwangerschaft unterrichtet hat.

a) Bei der Mitteilung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG handelt es sich um ein im eigenen Interesse der Arbeitnehmerin liegendes Gebot (Obliegenheit, Verpflichtung gegen sich selbst); die Arbeitnehmerin erfüllt durch die rechtzeitige Mitteilung ihrer Schwangerschaft keine Rechtspflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Im Hinblick darauf, daß das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG letztlich eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gebots an den Gesetzgeber zur Fürsorge für die werdende Mutter darstellt, kann der Verlust des Sonderkündigungsschutzes des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nur dann eintreten, wenn sich die Versäumung der Mitteilungsfrist aufgrund der Umstände des Einzelfalles als ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse billigerweise zu erwartende Verhalten darstellt. Dies hat der Senat in dem am 6. Oktober 1983 verkündeten Urteil in der Sache 2 AZR 368/82 (zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, zu II 2 b der Gründe) ausgesprochen und näher begründet. Hierauf wird verwiesen.

Bei Anwendung dieses Verschuldensmaßstabes hat die Klägerin den Beklagten von ihrer Schwangerschaft unverschuldet erst nach Ablauf der Mitteilungsfrist unterrichtet.

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, aufgrund des am 31. Juli 1981 erhobenen Befundes des Frauenarztes Dr. S sei der Verdacht, daß bei der Klägerin eine Schwangerschaft bestehen könnte, zunächst ausgeräumt gewesen. Der Arzt hatte der Klägerin, die ihn wegen des Ausbleibens der nach ihrer Darstellung in der Zeit zwischen 18. und 24. Juli 1981 erwarteten Regelblutung aufgesucht hatte, nach negativ verlaufenem Test hormonelle Störungen als Ursache angegeben. Damit hatte die Klägerin zunächst das ihr Mögliche zur Klärung ihres Zustandes getan. Eine Verpflichtung, eine Vermutung über das Bestehen einer Schwangerschaft dem Beklagten mitzuteilen, bestand nicht. Die unterlassene fristgemäße Mitteilung einer Schwangerschaftsvermutung darf der Arbeitnehmerin nicht als Verschulden angerechnet werden, wie der Siebte Senat in dem Urteil vom 13. Januar 1982 (aaO, zu II der Gründe) zutreffend dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 13. November 1979 (aaO) entnommen hat. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß die Arbeitnehmerin die Feststellung der Schwangerschaft nach Belieben hinauszögern darf und auch in einem solchen Fall erst vom Zeitpunkt der positiven Feststellung der Schwangerschaft an eine schuldhafte Verspätung der Mitteilung hiervon an den Arbeitgeber in Betracht kommen kann. Vielmehr muß eine auf Verschulden im Sinne der vorstehend dargelegten Grundsätze beruhende Unkenntnis von der Schwangerschaft der positiven Kenntnis gleichgesetzt werden. Das ist der Fall, wenn zwingende Anhaltspunkte gegeben sind, die das Bestehen einer Schwangerschaft praktisch unabweisbar erscheinen lassen (vgl. dazu näher Senatsurteil vom 6. Oktober 1983 - 2 AZR 368/82 - zu II 2 b der Gründe). Im Entscheidungsfall war die Klägerin jedoch im Hinblick auf den negativ verlaufenen Test und die von ihrem Arzt gestellte Diagnose nicht gehalten, vor der nächsten zu erwartenden Regelblutung Mitte August 1981 weitere Schritte zur Klärung ihres Zustandes zu unternehmen.

c) Unverschuldet war die Unkenntnis der Klägerin bis zum 19. August 1981. An diesem Tag führte sie selbst einen Schwangerschaftstest durch, der positiv verlief. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin damit positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erlangt hatte. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

aa) Die Revision meint, die Klägerin habe diesen Test nicht für beweiskräftig halten dürfen. Im Hinblick auf das Ergebnis der fachärztlichen Untersuchung habe sie annehmen können, daß auch der von ihr durchgeführte Test durch hormonelle Störungen beeinflußt worden sei. Wenn sie vorsorglich bereits hierauf Klage erhoben habe, könne ihr dies nicht zum Nachteil gereichen.

bb) Soweit diese Ausführungen eine Verfahrensrüge gegen die tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts enthalten, die Klägerin habe am 19. August 1981 positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft gehabt, ist sie unbegründet. Wie die Revision übersieht, war die Diagnose des Arztes, das erstmalige Ausbleiben der Regelblutung sei auf hormonelle Störungen zurückzuführen, maßgebend dadurch bestimmt, daß der erste Schwangerschaftstest negativ ausgefallen war und deshalb eine andere Ursache in Betracht gezogen werden konnte. Anders war die Sachlage jedoch, als der von der Klägerin vorgenommene Test, der medizinisch als sichere Nachweismethode für das Bestehen einer Schwangerschaft anerkannt ist (vgl. Eich, DB 1981, 1233, 1235, zu II m.w.N. zu Fußnote 40), positiv ausfiel. Die Revision hat somit weder einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts noch einen Verstoß gegen (medizinische) Erfahrungssätze aufgezeigt, der seine Feststellung beeinflußt haben könnte, die Klägerin habe am 19. August 1981 positive Kenntnis von dem Bestehen ihrer Schwangerschaft gehabt.

3. Das Berufungsgericht ist somit zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin erst ab 19. August 1981 gehalten war, dem Beklagten ihre Schwangerschaft mitzuteilen. Seiner Ansicht, sie habe den Beklagten nicht unverzüglich unterrichtet, kann jedoch mit der von ihm gegebenen Begründung nicht gefolgt werden. Vielmehr bedarf es zu diesem Punkt noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

a) Ein Verschulden der Klägerin ist nicht bereits darin zu sehen, daß sie ihre Schwangerschaft dem Beklagten nicht unmittelbar, sondern in der einen Kündigungsprozeß einleitenden Klageschrift mitgeteilt hat.

Zwar hat die Mitteilung dem Arbeitgeber gegenüber zu erfolgen. Der Senat hat jedoch bereits in dem Urteil vom 6. Oktober 1983 (- 2 AZR 368/82 - zu II 3 b der Gründe) angenommen, die Arbeitnehmerin habe ihre Schwangerschaft auch dann noch unverzüglich mitgeteilt, wenn sie während eines bereits anhängigen Kündigungsprozesses von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erhalten habe, den Arbeitgeber hiervon über die mit der Prozeßvertretung beauftragte Gewerkschaft habe unterrichten lassen und dieser erst nach einer Woche von der Schwangerschaft erfahren habe. Ein Zeitraum von einer Woche sei jedenfalls nicht zu lang und weder nach allgemeiner Ansicht noch aufgrund der gegebenen konkreten Umstände geeignet, die Annahme einer schuldhaften Verzögerung zu rechtfertigen. So gehe das Bundesarbeitsgericht für die Mitteilung über das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft sogar von einer Regelfrist von einem Monat aus (vgl. BAG 30, 141 = AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG; Urteile vom 19. Januar 1983 - 7 AZR 44/81 - DB 1983, 1154 und vom 30. Juni 1983 - 2 AZR 10/82 -, beide zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Für diese Rechtsprechung wie für die gesetzlichen Fristenregelungen in § 626 Abs. 2 BGB und § 4 Satz 1 KSchG sei tragender Gesichtspunkt die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit; gleichwohl übersteige die eingeräumte Erklärungs- oder Überlegungsfrist den Zeitraum von einer Woche.

Eine schuldhafte Verzögerung der Schwangerschaftsmitteilung kann aber auch dann nicht angenommen werden, wenn die Arbeitnehmerin alsbald nach Kenntniserlangung von der Schwangerschaft, hier nach zwei Tagen, einen Prozeßbevollmächtigten beauftragt, nunmehr sofort gegen die bisher nicht angegriffene Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 MuSchG Klage zu erheben und gleichzeitig den Arbeitgeber auf diesem Weg von der festgestellten Schwangerschaft zu unterrichten (a.M. - wie das angefochtene Urteil - Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand Oktober 1982, § 9 Anm. 5 c a.E.). Ebenso wie im Falle eines bereits anhängigen Verfahrens erscheint es sachgerecht, wenn die Arbeitnehmerin die zur Wahrung ihrer Rechte aus dem Mutterschutzgesetz erforderliche Mitteilung der Schwangerschaft mit der gerichtlichen Geltendmachung dieser Rechte verbindet. Da die Klageschrift zusammen mit der Ladung zu dem unverzüglich zu bestimmenden Termin von Amts wegen zuzustellen ist (§ 216 Abs. 2, § 253 Abs. 1, § 270 Abs. 1, § 271 Abs. 1 ZPO), ist gewährleistet, daß bei einer dem Gesetz entsprechenden Sachbehandlung durch das Arbeitsgericht der Arbeitgeber innerhalb angemessener Frist von der Schwangerschaft Kenntnis erlangt. Der vorliegende Fall bestätigt diese Annahme. Bei richtiger Angabe der Anschrift des Beklagten wäre die am 25. August 1981 verfügte Zustellung der am 21. August bei Gericht eingegangenen Klageschrift am 27. August 1981 und damit acht Tage nach Kenntnis der Klägerin von ihrer Schwangerschaft bewirkt worden.

b) Die Arbeitnehmerin trägt auch nicht allgemein das Risiko des rechtzeitigen Zugangs der Schwangerschaftsmitteilung. Hindernisse bei der Übermittlung, an denen sie kein Verschulden trifft, können ihr nicht zugerechnet werden (ebenso - grundsätzlich, wenn auch nicht für den vorliegenden Fall - Gröninger/Thomas, aaO, § 9 Anm. 5 c a.E.; ferner Wenzel, BB 1981, 674, 677 unter III 3; a.M. Eich, DB 1981, 1233, 1236 unter III a.E.). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 52, 357 = AP Nr. 7 zu § 9 MuSchG 1968, zu C I der Gründe) hat das Verbot an den Gesetzgeber, den Verlust des Kündigungsschutzes einer werdenden Mutter auch bei unverschuldet verspäteter und unverzüglich nachgeholter Mitteilung der Schwangerschaft eintreten zu lassen, aus dem Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 4 GG hergeleitet, insbesondere auch der werdenden Mutter Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft angedeihen zu lassen. Mit dieser verfassungsrechtlich gebotenen Beschränkung der Verwirkung des mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutzes durch Versäumung der Mitteilungsfrist ist jedoch eine Haftung der Arbeitnehmerin für Mitteilungshindernisse, die von ihr nicht beeinflußbar sind und an deren Eintritt sie deshalb auch kein Verschulden treffen kann, nicht vereinbar. Es mag zutreffen, daß sich das Ergebnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits nach § 242 BGB aus dem Gesichtspunkt der rechtsmißbräuchlichen Berufung auf die Fristversäumung herleiten ließe und danach strengere Anforderungen an die Wahrung der Ausschlußfrist zu stellen wären (vgl. Eich, aaO). Da sich der Schutz der werdenden Mutter vor einem durch Fristversäumung eintretenden Rechtsverlust jedoch aus der höherrangigen Verfassungsnorm des Art. 6 Abs. 4 GG ergibt, kommt es auf den Schutzzweck dieser Norm an.

c) Die Arbeitnehmerin haftet aber auch nicht für das Verschulden eines von ihr mit der Schwangerschaftsmitteilung beauftragten Boten oder allgemein zur Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber dem Arbeitgeber ermächtigten Vertreter (ebenso Wenzel, aaO, S. 678 unter 4).

aa) Einen allgemeinen Grundsatz, daß der Vertretene für das Verschulden seines Bevollmächtigten in jedem Falle einzustehen habe, gibt es nach geltendem Recht nicht (vgl. RGZ 158, 357, 361).

bb) Aus § 278 BGB kann ein Einstehenmüssen der Arbeitnehmerin für ein zur Fristversäumung führendes Verhalten von ihr beauftragter dritter Personen nicht hergeleitet werden.

Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus, weil sie sich nur auf die Erfüllung von Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger bezieht (RGZ 158, 357, 361; BGHZ 17, 199, 205; BGH NJW 1963, 1776). Wie der erkennende Senat entschieden hat (Urteil vom 6. Oktober 1983 - 2 AZR 268/82 - zu II 2 b der Gründe; vgl. oben unter III 2 a), handelt es sich bei der Schwangerschaftsmitteilung jedoch um eine im eigenen Interesse der Arbeitnehmerin liegende Verpflichtung gegen sich selbst (Obliegenheit). Der von ihr mit der Mitteilung beauftragte Dritte ist somit nicht ihr Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB.

Auf Obliegenheiten kann diese Vorschrift, soweit der Gesetzgeber dies nicht, wie in § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB für die Mitverursachung des Schadens durch den Geschädigten, ausdrücklich bestimmt hat, auch nicht entsprechend angewendet werden. So hat die Rechtsprechung (BGHZ 11, 120, 122 ff.) bei "Obliegenheitsverletzungen" im Versicherungsrecht, wie z.B. bei der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 61 VVG, eine Haftung des Versicherungsnehmers nur für das Verhalten seiner "Repräsentanten", nicht jedoch der sonst bei ihm beschäftigten Hilfspersonen bejaht, weil § 278 BGB nur anwendbar ist, wenn sich der Versicherungsnehmer der Hilfspersonen zur Erfüllung einer ihm gegenüber dem Versicherer obliegenden Verbindlichkeit bedient, § 61 VVG jedoch eine solche Verbindlichkeit nicht enthält. Danach ist aber auch eine sinngemäße Anwendung des § 278 BGB auf das Verhalten eines Vertreters der Arbeitnehmerin bei der Mitteilung der Schwangerschaft an den Arbeitgeber abzulehnen. Die versicherungsrechtliche "Repräsentantenhaftung" ist in den Besonderheiten des Versicherungsvertragsverhältnisses begründet. Die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze können deshalb auf die Mitteilung der Schwangerschaft nach der durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts modifizierten Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht übertragen werden.

cc) Überträgt die Arbeitnehmerin die Mitteilung der Schwangerschaft zugleich mit der Einleitung eines Kündigungsschutzprozesses oder während eines bereits anhängigen Prozesses einem Prozeßbevollmächtigten, so kann ihre Haftung für dessen Verschulden an einer verzögerlichen Mitteilung auch nicht aus § 85 Abs. 2 ZPO hergeleitet werden.

Diese Vorschrift gilt unmittelbar nur für Prozeßhandlungen (vgl. RGZ 158, 357, 361 zu der früheren Zurechnungsnorm des § 232 Abs. 2 ZPO a.F.). Zu ihnen zählt die Mitteilung der Schwangerschaft nicht, da sie die Wahrung einer im materiellen Recht (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) begründeten Ausschlußfrist betrifft. Zwar bejaht die herrschende Meinung die analoge Anwendung dieser Vorschrift bei der Versäumung der materiellrechtlichen Klagefrist des § 4 KSchG. Dies wird mit der Rechtsähnlichkeit des Verfahrens der nachträglichen Klagezulassung nach § 5 KSchG mit dem Wiedereinsetzungsverfahren nach §§ 233 ff. ZPO begründet (vgl. dazu die Nachweise bei KR-Friedrich, § 5 KSchG Rz 71). An einer als Grundlage für die analoge Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO in Betracht kommenden verfahrensrechtlichen Regelung für die Wahrung der Mitteilungsfrist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG bei unverschuldeter Fristversäumung fehlt es jedoch (so zutreffend Wenzel, aaO).

d) Nach den vorstehenden Ausführungen vermag somit die Hauptbegründung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe bereits deshalb die Mitteilung der Schwangerschaft nicht unverzüglich nachgeholt, weil sie den Übermittlungsweg der Klageerhebung gewählt habe, die Klage aber erst am 16. Tag nach Kenntniserlangung von der Schwangerschaft zugegangen sei, das angefochtene Urteil nicht zu tragen.

Aber auch der Hilfsbegründung, die Klägerin hätte spätestens am 25. August 1981 anläßlich der Abholung ihrer Arbeitspapiere beim Beklagten die zu diesem Zeitpunkt ihr bereits bekannte Schwangerschaft mitteilen müssen, kann nicht gefolgt werden. Kann die Arbeitnehmerin die Mitteilung zusammen mit der Klageerhebung einem rechtskundigen Vertreter ohne Rechtsnachteil überlassen, so liegt auch darin kein Verschulden, daß sie dem Bevollmächtigten die weitere Ausführung dieses Auftrags überläßt und selbst nicht mehr unmittelbar dem Arbeitgeber gegenüber eine zusätzliche Erklärung abgibt.

IV. Der bisher festgestellte Sachverhalt läßt jedoch noch keine abschließende Entscheidung zugunsten der Klägerin zu, so daß die Sache zurückverwiesen werden muß (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Die am 27. August 1981 versuchte Klagezustellung scheiterte allein an der unrichtigen Angabe der Adresse des Beklagten. Beruhte dies auf einer Fehlinformation der Prozeßbevollmächtigten durch die Klägerin, so kann darin ein zurechenbares Eigenverschulden der KLägerin an der dadurch herbeigeführten weiteren Verzögerung der Zustellung liegen, wenn der Klägerin die richtige Adresse bekannt war oder sie diese bei zumutbarer Sorgfalt hätte feststellen können. Die Arbeitnehmerin muß die richtige Anschrift ihres Arbeitgebers angeben, wenn sie ihm ihre Schwangerschaft schriftlich mitteilen will, sei es durch ein eigenes Schreiben, sei es über einen Bevollmächtigten. Das Berufungsgericht hatte nach der von ihm vertretenen Auffassung keinen Anlaß, dieser Frage nachzugehen. Diese Prüfung muß es nunmehr vornehmen und der Klägerin, die die Darlegungs- und Beweislast auch für die unverzügliche Nachholung der Mitteilung ihrer Schwangerschaft an den Arbeitgeber trägt (Urteil des Siebten Senats vom 13. Januar 1982, aaO, zu III 2 der Gründe a.E.), Gelegenheit zu entsprechendem Sachvortrag geben.

V. Sollte das Berufungsgericht in der erneuten Verhandlung wiederum zu dem Ergebnis gelangen, daß die Kündigung nicht wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG unwirksam ist, so wird es noch prüfen müssen, ob der Beklagte, wie die Klägerin behauptet, eine ordentliche Kündigung mit einer - nach ihrer Meinung zu kurzen - Kündigungsfrist oder, wie der Beklagte behauptet, eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund oder, wie ebenfalls noch denkbar wäre, eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen hat. Das Berufungsgericht hat lediglich ausgeführt, es gelte keine Kündigungsfrist für Angestellte und es sei nach dem unbestrittenen Sachvortrag des Beklagten von einer wiederholten Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch die Klägerin auszugehen. Es fehlt jedoch an der vorrangigen Prüfung, welche der drei in Betracht kommenden Kündigungen e r k l ä r t worden ist. Denn hiervon hängt es zunächst ab, ob das Arbeitsverhältnis, das nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterlag, sofort, nämlich am 24. Juli 1981, am 1. August 1981, oder an dem nach dem Status der Klägerin als Arbeiterin oder Angestellte in Betracht kommenden gesetzlichen Kündigungstermin geendet hat. Hat der Beklagte eine ordentliche Kündigung e r k l ä r t und lediglich die Kündigungsfrist nicht eingehalten, so kommt es auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB nicht an; das Arbeitsverhältnis endete dann mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (vgl. BAG 37, 267, 271 = AP Nr. 2 zu § 620 BGB Kündigungserklärung).

Dr. Röhsler Triebfürst Dr. Weller

G. Wellhausen Dr. Bensinger

 

Fundstellen

DB 1984, 1203-1203 (LT1-2)

FamRZ 1984, 1006-1009 (LT1-2)

BlStSozArbR 1984, 278-278 (T)

AP 13zu § 9 MuSchG 1968 (LT1-2)

EzA § 9 nF MuSchG, Nr 24 (LT1-2)

PERSONAL 1985, 215-215 (T)

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