Rz. 10

Die örtliche Zuständigkeit für den Erlass der einstweiligen Anordnung liegt bei dem Gericht, das auch in der Hauptsache zur Entscheidung berufen wäre (§ 50 Abs. 1 S. 1 FamFG). Hauptsacheverfahren in diesem Sinn ist das Verfahren, dessen Regelungsgegenstand mit dem des Eilverfahrens deckungsgleich ist.[31] Das ist bei verschiedenen Kindschaftssachen im Sinne von § 151 FamFG nicht der Fall.[32]

 

Rz. 11

Ist noch kein Hauptsacheverfahren anhängig, so gelten die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften. Diese werden aber durch vorrangige Sondernormen verdrängt, wenn während der Anhängigkeit eines Anordnungsverfahrens eine Ehesache bei einem örtlich anderen Gericht anhängig wird (§ 122 FamFG). In diesem Fall ist die Sache an das Gericht der Ehesache abzugeben (§§ 123, 153 FamFG).

 

Rz. 12

Die nunmehr fehlende Akzessorietät zwischen dem Eilverfahren und einem etwaigen Hauptsacheverfahren kann dazu führen, dass jeweils unterschiedliche örtliche Zuständigkeiten begründet werden, etwa wenn sich zwischen dem Anhängigwerden beider Verfahren Wohnsitzveränderungen ergeben.[33] Gemäß § 2 Abs. 2 FamFG ist dann für die einstweilige Anordnung das zuerst mit der Sache befasste Gericht örtlich zuständig. Gegebenenfalls kann eine Abgabe an das Gericht der Hauptsache aus wichtigem Grund nach § 4 FamFG erwogen werden.[34]

 

Rz. 13

Ist das Hauptsacheverfahren erstinstanzlich anhängig, so ist das Hauptsachegericht auch für die einstweilige Anordnung zuständig, § 50 Abs. 1 S. 2 FamFG. Diese Vorschrift setzt voraus, dass das Hauptsacheverfahren denselben Regelungsgegenstand hat wie das Eilverfahren.[35] Ob seines klaren Wortlauts ("Ist … anhängig") erfasst § 50 Abs. 1 S. 2 FamFG auch nicht die Fälle, in denen das Hauptsacheverfahren bereits abgeschlossen ist oder dieses erst nach dem Anhängigwerden der einstweiligen Anordnung anhängig wird. Es gilt dann § 50 Abs. 1 S. 1 FamFG.[36]

 

Rz. 14

Wird das Eilverfahren erst eingeleitet, wenn das Hauptsacheverfahren bereits in zweiter Instanz anhängig ist, so ist das Beschwerdegericht auch für das Eilverfahren zuständig, selbst wenn zwischenzeitlich die Ehesache rechtshängig wurde.[37] Die Zuständigkeit des Beschwerdegerichts ist aber nur dann gegeben, soweit dort ein Hauptsacheverfahren anhängig ist, das denselben Verfahrensgegenstand betrifft wie das einstweilige Anordnungsverfahren.[38] Der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens richtet sich grundsätzlich nach und wird begrenzt durch den Verfahrensgegenstand, über den im ersten Rechtszug entschieden wurde und gegen den sich die Beschwerde wendet.[39] Also ist das Beschwerdegericht, bei dem das Verfahren wegen elterlicher Sorge anhängig ist, nicht für den Erlass einer einstweiligen Anordnung über die Herausgabe eines Kindes oder das Umgangsrecht für dieses zuständig.[40] Gleiches gilt, wenn ein El­ternteil im Beschwerdeverfahren sein erstinstanzlich allein gegenständliches Begehren auf Übertragung der Alleinsorge für ein Kind weiterverfolgt und der andere Elternteil im Wege der einstweiligen Anordnung gegenläufigen Antrag stellt. Hierfür ist das Beschwerdegericht nur zuständig, wenn der andere Elternteil im (Hauptsache-) Beschwerdeverfahren Zweit- oder Anschlussbeschwerde (§ 66 FamFG) einlegt.

 

Rz. 15

Ist die Hauptsache in der Rechtsbeschwerdeinstanz anhängig, so besteht für das Eilverfahren die Zuständigkeit des Familiengerichts.[41]

 

Rz. 16

Gemäß § 50 Abs. 2 FamFG kann sich in besonders dringenden Fällen eine Zuständigkeit des Familiengerichts ergeben, in dessen Bezirk das Bedürfnis für ein Tätigwerden bekannt wird oder sich die Person oder Sache befindet, auf die sich die einstweilige Anordnung bezieht. In diesem Fall hat das Gericht jedoch das Verfahren unverzüglich von Amts wegen an das nach § 50 Abs. 1 FamFG zuständige Familiengericht abzugeben.

 

Rz. 17

Die sachliche Zuständigkeit für das Eilverfahren beurteilt sich unverändert nach § 23a GVG.

[31] OLG Koblenz FamRZ 2016, 1097; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1828; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.2015 – 9 UF 66/15 (n.v.); Kemper/Schreiber/Stockmann, HK-FamFG, § 50 Rn 4.
[32] OLG Koblenz FamRZ 2016, 1097.
[33] Siehe zum Aufenthaltswechsel nach Anhängigkeit eines Eilverfahrens eingehend Keuter, Zuständigkeitsprobleme in Kindschaftssachen bei Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, FuR 2015, 262.
[34] Schürmann, FamRB 2008, 375.
[36] Ebenso Finger, MDR 2012, 1197, 1199 m.w.N.
[37] Gießler, FPR 2006, 421.
[38] OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1828 unter Hinweis auf § 937 ZPO in BT-Drucks 16/6308, S. 200; OLG Oldenburg FamRZ 2012, 390; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.3.2012 – 9 UF15/12 (n.v.); Giers, FGPrax 2011, 1, 2.
[40] OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1828; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.11.2010 – 5 UFH 6/10 (n.v.).
[41] Thomas/Putzo, § 50 FamFG Rn 3; BT-Drucks 16/6308 S. 200.

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