Rz. 2

Das Rechtsinstitut des Verbundes wurde in das Gebührenrecht übersetzt: Es gelten für alle Verfahrensarten die gleichen Gebührenbestimmungen, also die Gebühren des 3. Teils des VV RVG. Alle obligatorischen und fakultativen Verbundsachen sind eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit (§ 16 Nr. 4 RVG). Die Gegenstandswerte sowohl für die ZP-Verfahren als auch für die FG-Verfahren sind dem FamGKG zu entnehmen (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, § 1 Abs. 1 S. 1 FamGKG).

Das bedeutet:

(1) Alle Gegenstandswerte im Verbund werden zusammengezählt. Die Gebühren werden einmal aus der Summe der Werte berechnet (§ 22 Abs. 1, § 15 Abs. 2 RVG; § 44 Abs. 1 FamGKG).
(2) Jedoch wird – wie stets – für jede Gebühr nur der Wert angesetzt, auf den sich die Tätigkeit bezog, die die Gebühr ausgelöst hat (§ 2 Abs. 1 RVG). Die Verfahrensgebühr als Betriebsgebühr fällt während des ganzen Verfahrens immerzu an, wird also immer aus der höchsten vorkommenden Wertsumme ermittelt.
(3) Im Verbund kommen oft "gespaltene" Gebühren vor, z.B. die 1,3 Verfahrensgebühr aus allen rechtshängigen Sachen und eine 0,8 Verfahrensgebühr, sog. Verfahrensdifferenzgebühr, Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG, wenn nicht (oder nicht hier) rechtshängige Sachen mit verglichen werden oder vor Gericht versucht wird zu vergleichen; eine 1,2 Terminsgebühr aus allen Sachen bis auf eine Folgesache, in der ein Versäumnisbeschluss ergeht, so dass die Terminsgebühr 0,5 beträgt (Nr. 3105 VV RVG); wenn anhängige Sachen (1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG) und nicht anhängige Sachen (1,5 Einigungsgebühr Nr. 1000 VV RVG) in einer Scheidungsvereinbarung zu Protokoll verglichen werden.

Diese Fälle werden nach § 15 Abs. 3 RVG gelöst.

"Gespaltene Gebühren" können in jedem Verfahren vorkommen. Sie treten aber in den Familiensachen und insbesondere im Verbund gehäuft auf.

 

Rz. 3

 

Beispiel 1

Ehescheidung (4.000,00 EUR) und Versorgungsausgleich (1.200,00 EUR) sind im Verbund rechtshängig. Eine der Parteien macht noch den nachehelichen Unterhalt (3.600,00 EUR) anhängig, die gleiche oder die andere Partei den Zugewinnausgleich (3.000,00 EUR). Über alle Anträge wird verhandelt.

 
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  
(Wert: 11.800,00 EUR) 785,70 EUR
1,2 Terminsgebühr Vorb. 3 Abs. 3, Nr. 3104 VV RVG  
(Wert: 11.800,00 EUR) 724,80 EUR
und einmal die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
 

Rz. 4

 

Beispiel 2

Im Verbund ist die Ehescheidung (Wert: 10.000,00 EUR), der Versorgungsausgleich (Wert: 2.000,00 EUR) und der Zugewinnausgleich (Wert: 15.000,00 EUR). Im Scheidungstermin wird eine Vereinbarung protokolliert, durch welche der rechtshängige Zugewinnausgleich und außerdem der nicht rechtshängige nacheheliche Unterhalt (Wert: 9.600,00 EUR) durch eine Vereinbarung geregelt werden. Es war auftragsgemäß vor Gericht über die Vereinbarung mit dem Ziel einer Einigung gesprochen worden. Außergerichtlich waren für den Unterhalt noch keine Gebühren entstanden, es lag aber ein Verfahrensauftrag vor.

 
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG    
(Wert: 27.000,00 EUR) 1.121,90 EUR  
0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG    
(Wert: 9.600,00 EUR) 446,40 EUR  
  1.568,30 EUR  
Gem. § 15 Abs. 3 RVG jedoch nicht mehr als    
1,3 aus 36.600,00 EUR = 1.316,90 EUR    
Es wird also gekürzt, es verbleiben:   1.316,90 EUR
1,2 Terminsgebühr Vorb. 3 Abs. 3,    
Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV RVG    
(Wert: 36.600,00 EUR)   1.215,60 EUR
1,5 Einigungsgebühr Nr. 1000 VV RVG    
(Wert: 9.600,00 EUR) 837,00 EUR  
1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG    
(Wert: 15.000,00 EUR) 650,00 EUR  
  1.487,00 EUR  
Gem. § 15 Abs. 3 RVG jedoch nicht mehr als    
1,5 aus 24.600,00 EUR = 1.182,00 EUR    
Es wird also gekürzt, es verbleiben:   1.182,00 EUR
Gebührenaufkommen   3.714,50 EUR
und einmal die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
 

Rz. 5

Die Berechnung der Gebühren aus den zusammengerechneten Werten (§ 22 Abs. 1 RVG) führt wegen der Gebührendegression dazu, dass es billiger ist, Verfahren im Verbund durchzuführen, als die Folgesachen erst nach der Scheidung anhängig zu machen. Dieser Umstand ist mit dem Mandanten zu erörtern. Die Höhe der Gebühren ist freilich nur ein Entscheidungskriterium von vielen, wenn es darum geht, ob Scheidungsfolgesachen in den Verbund gebracht werden sollen oder nicht. Vielfach haben die Gerichte eine besondere Rechtfertigung gefordert, wenn Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung von Scheidungsfolgesachen nach der Scheidung, also außerhalb des Verbunds, verlangt wurde. Dem ist der BGH entgegengetreten.[1] Der BGH hat in diesen Entscheidungen anerkannt, dass die Gebührenfrage für den Mandanten nur eine Überlegung unter vielen ist. Weitere Überlegungen sind z.B. die Verfahrensdauer, welche die Rechtskraft der Ehescheidung und damit das Entstehen und die Verzinslichkeit des Zugewinnausgleichsanspruchs und das Ende des Getrenntlebensunterhalts hinausschiebt, andererseits die Krankenmitversicherung und den möglichen Anspruch aus der Hinterbliebenenversorgung verlängert. Auch Fragen der örtlichen Zuständigkei...

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