Rz. 72

→ Dazu Aufgaben Gruppe 25

Weil im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess als Beweismittel nur der Urkundenbeweis oder Parteivernehmung zulässig ist (§ 592 ff. ZPO), schließt dieser Prozess mit einem Vorbehaltsurteil ab, wonach der Beklagte seine Rechte im Nachverfahren geltend machen kann. In dem Nachverfahren sind dann – da es sich bei diesem um ein ordentliches Verfahren handelt – alle Beweismittel zugelassen. Verfahrensrechtlich bildet der Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess zusammen mit dem Nachverfahren eine Einheit (§ 600 Abs. 1 ZPO).

 

Rz. 73

Gebührenrechtlich gelten dagegen der Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess und das Nachverfahren jeweils als besondere Angelegenheiten gemäß § 17 Ziff. 5 RVG. Auch wenn der RA schon eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess verdient hat, kann er sie im Nachverfahren noch einmal berechnen. Jedoch ist die Verfahrensgebühr für den Urkunden- und Wechselprozess auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden ordentlichen Verfahrens (Nachverfahren) anzurechnen, sodass bei gleichem Wert im Nachverfahren nur die Terminsgebühr übrig bleiben dürfte (Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV RVG).

 

Rz. 74

Da es sich um eine verfahrensrechtliche Einheit handelt, ergibt sich der Streitwert des Nachverfahrens aus dem Gegenstand, über den das Vorbehaltsurteil ergangen ist, also wegen dessen der Beklagte sich die Ausführung seiner Rechte vorbehalten hat. Wenn dies wegen des ganzen Gegenstands geschehen ist, so ist folglich der Streitwert des Nachverfahrens genauso hoch wie der der Urkunden-, Wechsel- oder Scheckklage. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Höhe des Streitwerts im Nachverfahren ist also der der Erhebung der Urkundenklage und nicht der Beginn des Nachverfahrens (§ 40 GKG i. V. m. § 4 Abs. 1 ZPO). Eine spätere Minderung des Wertes z. B. durch Geldwertänderung wirkt sich nicht aus.

Wenn sich jedoch die Anträge im Nachverfahren nur auf einen Teil der Klage beschränken, dann können die Gebühren im Nachverfahren nur nach diesem Teil berechnet werden. Sollte z. B. durch Klageerweiterung im Nachverfahren der Gegenstandswert höher als im früheren Verfahren sein, so werden auch die Gebühren für das Nachverfahren nach dem höheren Wert berechnet.

Der Gegenstandswert des gesamten Verfahrens ergibt sich aus dem Betrag, der aus der Urkunde, dem Wechsel oder dem Scheck geltend gemacht wird. Beachten Sie § 4 Abs. 2 ZPO, wonach Nebenforderungen wie Zinsen, Protestkosten oder Provisionen (Art. 48 Wechselgesetz), unberücksichtigt bleiben.

 

Beispiel:

Im Wechselprozess wird Klage auf Zahlung von 2.000,00 EUR erhoben. Der Beklagte beantragt im Termin, ihm die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorzubehalten. Zum Beweis der Forderung wird die Wechselurkunde vorgelegt. Ein dem Klageantrag entsprechendes Vorbehaltsurteil ergeht.

Im anschließenden Nachverfahren kommt es zur streitigen Verhandlung und zur Vernehmung der Großmutter des Beklagten als Zeugin, woraufhin der Beklagte zur Zahlung verurteilt wird.

Die Vergütung des Klägervertreters berechnet sich so:

I. Wechselprozess

Gegenstandswert: 2.000,00 EUR

 
1,3 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG 215,80EUR
1,2 Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG 199,20 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
    435,00 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG 82,65 EUR
    517,65 EUR

II. Nachverfahren (§ 17 Ziff. 5 RVG)

Gegenstandswert: 2.000,00 EUR

 
1,3 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG 215,80 EUR  
– 1,3 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG* – 215,80 EUR  
    0,00 EUR  
1,2 Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG   199,20 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
  20,00 EUR
      219,20 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG   41,65 EUR
      260,85 EUR
* Anrechnung der Verfahrensgebühr aus dem Wechselprozess.
 

Rz. 75

Für den Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess und das Nachverfahren wird jeweils eine gesonderte Vergütungsrechnung erstellt, wobei dann jeweils auch eine gesonderte Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) berechnet werden kann.

 

Rz. 76

Bei einer Berufung gegen das Vorbehaltsurteil entstehen selbstverständlich auch alle Gebühren im neuen Rechtszug neu, da es sich dann nicht um ein Nachverfahren handelt.

 

Merke:

Gebührenrechtlich gelten der Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess und das anschließende Nachverfahren als besondere Angelegenheiten, in denen jeweils neue Gebühren und Auslagen entstehen.

Die Verfahrensgebühr des Urkunden- und Wechselprozesses ist auf die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens anzurechnen.

Der Streitwert beider Verfahren ist häufig gleich hoch. Bei seiner Berechnung müssen Nebenforderungen unberücksichtigt bleiben.

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