Rz. 382

Bei der Frage, ob sich Klageerweiterungen oder Widerklagen im Nachverfahren auf den Streitwert und damit auf die Verfahrensgebühr auswirken, ist zu differenzieren:

Verlangt der Beklagte im Nachverfahren neben der Aufhebung des Vorbehaltsurteils und der Klageabweisung auch die Erstattung der Kosten des Urkundenprozesses oder die Rückzahlung des auf der Grundlage des Vorbehaltsurteils Geleisteten, so bleiben diese Beträge bei der Berechnung des Gegenstandswertes außer Ansatz.[412] Insofern berechnet sich die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens nach demselben Wert wie die Verfahrensgebühr des Urkundenverfahrens.

 

Rz. 383

Wird dagegen im Nachverfahren eine nicht den gleichen Gegenstand betreffende Widerklage erhoben oder die Klage erweitert, kann eine Erhöhung des Streitwertes im Nachverfahren eintreten.

 

Rz. 384

Die Verfahrensgebühr des Urkunden- oder Wechselprozesses wird auf die im Nachverfahren entstehende Verfahrensgebühr angerechnet. Bei Identität des Gegenstandes im Nachverfahren kann der Rechtsanwalt sie im Ergebnis nur einmal berechnen. Erhöht sich jedoch der Streitwert durch Klageerweiterung im Nachverfahren oder durch Widerklage, erhöht sich auch die Verfahrensgebühr. Unter Anrechnung der Gebühr des Vorverfahrens kann der Rechtsanwalt den Unterschiedsbetrag noch fordern.

 

Rz. 385

Da die sonstigen Gebühren gesondert anfallen, eine Verrechnung mit den Gebühren des Vorverfahrens also nicht stattfindet, ergeben sich hier keine Besonderheiten. Die Gebühren des Nachverfahrens richten sich nach dem neuen – erhöhten oder auch verringerten – Streitwert.

 

Beispiel:[413] Der Kläger verlangt im Urkundenprozess einen Betrag von 10.000 EUR. Im Termin nimmt er vom Urkundenverfahren Abstand und erhöht im ordentlichen Verfahren die Klagesumme auf 15.000 EUR. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme wird durch Urteil entschieden.

I. Urkundenverfahren (Wert: 10.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   798,20 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   736,80 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.555,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   295,45 EUR
Gesamt   1.850,45 EUR

II. Nachverfahren (Wert: 15.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   933,40 EUR
2.

gem. VV Vorb. 3 Abs. 7 anzurechnen,

1,3 aus 10.000 EUR
  – 798,20 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   861,60 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.016,80 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   193,19 EUR
Gesamt   1.209,99 EUR
[412] Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, VV Teil 3 Abschnitt 1 Rn 15; BGH 15.11.1962 – VII ZR 95/62, BGHZ 38, 237; a.A. RGZ 145, 298.
[413] Nach Hansens/Braun/Schneider, Teil 7 Rn 825.

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