Rz. 40

Nicht nur vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung zum Anwaltsrecht (zuletzt OLG Celle v. 6.5.2009 – 3 U 294/08, OLGR Celle 2009, 661 H) halten die Verfasser es für zwingend notwendig, dass der Anwalt seinen Mandanten im Rahmen einer schriftlichen Aufklärung informiert, welche Zahlungen voraussichtlich gerichtlich ausgeurteilt werden könnten, wenn ein wichtiger Grund i.S.v. § 843 Abs. 3 BGB gegeben wäre. Ferner ist in dem Aufklärungsschreiben die angestrebte außergerichtliche Einigung mit dem Versicherer darzustellen. Denn nur so kann der Mandant abwägen und entscheiden, ob er einem außergerichtlichen Vergleich zustimmt, alternativ eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Versicherer zur Kapitalisierung riskieren möchte oder aber anstelle der Kapitalabfindung eine monatliche bzw. vierteljährliche Rentenzahlung als Regulierungsergebnis vorzieht. In diesem Zusammenhang empfehlen sich Rechenprogramme, da es damit einfacher ist, die verschiedenen Eventualitäten und Zahlen aufzulisten und übersichtlich darzustellen. Anhand dieser Übersichten kann der Mandant sodann einordnen und gegenüberstellen, was sich in seinem Fall für Beträge und Größenordnungen ergeben, wenn statt mit 5 % z.B. mit 2 % kapitalisiert wird. Sicherlich wird es in der Realität nicht so sein, dass ein Anwalt damit rechnen muss, in die Haftung genommen zu werden, wenn dieser mit 5 % oder sogar mit 6 % kapitalisiert hat. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang nur, dass der Anwalt seinen Mandanten bezüglich der Zinsproblematik und der daraus resultierenden unterschiedlichen Höhen der Schadensersatzzahlungen aufgeklärt hat, da anderenfalls der Mandant schlechterdings nicht weiß, welchen Vergleich er abschließt und welche Folgen ein unterdimensionierter Abfindungsbetrag auf Kapitalisierungsbasis für sein zukünftiges Leben haben könnte.

 

Rz. 41

Jeder Anwalt, der sich mit Berufshaftpflichtversicherungen beschäftigt, weiß, welch hohe Anforderungen der BGH an die Aufklärungspflicht des Anwalts setzt. An dieser Stelle sei exemplarisch auf die Rechtsprechung des BGH zu der sog. antizipierenden Sichtweise hingewiesen (NJW 1993, 734). Dort wurde die Anforderung aufgestellt, dass der Anwalt "klüger sein muss als der BGH" und selbst ein falsches BGH-Urteil den Anwalt nicht davon entbindet, in die Haftung genommen zu werden. Der BGH verlangt vom Anwalt auch, dass er eine sich abzeichnende Rechtsprechung oder einen Wandel in der Rechtsprechung erkennt und den Mandanten auf etwaige Gefahren hinweist. Ein Irrtumsprivileg für den Anwalt gibt es nicht; ein solches rechtliches Konstrukt gibt es nur für den Richter.

 

Praxistipp

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es mittlerweile spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien gibt, die Anwaltshaftungsfälle bearbeiten und es sich zur "lukrativen Mission" gemacht haben, gegen Kollegen vorzugehen und deren Tätigkeit auf etwaige Fehler zu überprüfen. Von daher kann an dieser Stelle nur nochmals betont werden, dass der sicherste Weg der beste Weg ist und dass der Mandant über alles Relevante detailliert aufgeklärt werden sollte – und zwar schriftlich, auch wenn dies mit Mühe und Aufwand verbunden ist. Dies dient sowohl der bestmöglichen Orientierung des Mandanten als auch der eigenen Absicherung des Anwalts: "Wer schreibt, der bleibt".

 

Praxistipp

Des Weiteren empfiehlt es sich, das Aufklärungsschreiben vom Mandanten schriftlich gegenzeichnen zu lassen und die einzelnen Blätter zwecks Nachweis des vollständigen Erhalts und der Vollständigkeit der Aufklärung in geeigneter Weise miteinander zu verbinden (z.B. mit Ösen). Wer ganz sichergehen will, kann sich sogar jede einzelne Seite des Aufklärungsschreibens vom Mandanten gegenzeichnen lassen, damit ggf. der Nachweis erbracht werden kann, dass hinsichtlich sämtlicher Seiten aufgeklärt wurde. Professionelle Aufklärungsschreiben können bei Personengroßschäden mitunter 15–25 Seiten umfassen, da mehrere Schadenspositionen und Einzelprobleme innerhalb eines Gesamtvergleichs betroffen sein können. Der Anwalt sollte sich zudem in einem gesonderten Abschlussgespräch mit dem Mandanten ausreichend Zeit nehmen und mit ihm sämtliche Aspekte und Problemfelder ausführlich besprechen, damit sichergestellt ist, dass der Mandant alles verstanden und der Anwalt sich umfassend abgesichert hat.

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