Leitsatz (amtlich)

Nach Mandatsende besteht regelmäßig keine Pflicht des Rechtsanwalts mehr, seinen früheren Mandanten auf seine mögliche Haftung und den Eintritt der Primärverjährung hinzuweisen. Dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Rechtsanwalt in der Folge die Vertretung eines nahen Angehörigen seines früheren Mandanten übernommen hat und es in dem neuen Mandat um gleichartige Ansprüche geht.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1; BRAO § 51b; EGBGB Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3, § 6 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 25.11.2008; Aktenzeichen 9 O 345/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.11.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des LG Lüneburg (9 O 345/07) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten, ihre früheren Rechtsanwälte, auf Schadensersatz wegen des Abschlusses eines von diesen empfohlenen Abfindungsvergleichs in Anspruch.

Die damals 43-jährige Klägerin hatte am 29.4.2001 einen schweren Motorradunfall, bei dem sie eine geschlossene Unterschenkel-Mehrfragment-Fraktur erlitt, die operativ versorgt werden musste und einen etwa zweimonatigen Krankenhausaufenthalt notwendig machte. Postoperativ bildeten sich im Operationsbereich oberflächliche Nekrosen, die mehrere Revisionsoperationen erforderlich machten, wobei der Klägerin an anderer Stelle Gewebe und Knochenmaterial entnommen werden musste. Insgesamt musste sich die Klägerin sieben Operationen mit den entsprechenden stationären Krankenhausaufenthalten unterziehen. Die Klägerin war zunächst - für ca. ein Jahr - auf einen Rollstuhl angewiesen und leidet auch nach Verheilen der Fraktur unter Bewegungseinschränkungen im unteren Sprunggelenk und den Zehengelenken sowie einer fortgeschrittenen posttraumatischen Arthrose im oberen Sprunggelenk, Schwellungen im Unterschenkel und einer Sensibilitätsstörung am rechten Bein und Fuß, die sie ebenfalls in ihrer Bewegungsfähigkeit einschränken. Nach dem Gutachten der Dres. G. und T. vom berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. vom 22.8.2008 ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin als Hausfrau und in ihrem Beruf als Verwaltungsangestellte (bei der A.) dauerhaft noch zu 30 % gemindert. Einer Erwerbstätigkeit geht die Klägerin seit dem Unfall nicht mehr nach.

Mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen beauftragte die Klägerin die Beklagten, die in der Folge die Verhandlungen mit der V.-Versicherung, der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers, führten. Die V.-Versicherung leistete eine Reihe von Abschlagszahlungen (vgl. Schreiben vom 9.10.2001, Anlage K 3, Bl. 25 f. GA I; Schreiben vom 29.7.2002, Anlage K 5, Bl. 28 GA I; Schreiben vom 16.9.2002, Anlage K 6, Bl. 29 GA I). Am 13.10.2003 unterbreitete die V.-Versicherung der Klägerin ein Abfindungsangebot, dessen Annahme der Beklagte zu 1 ihr mit Schreiben vom 28.10.2003 (Anlage K 13, Bl. 52 GA I) nahe legte. Hiernach war die V.-Ver-sicherung bereit, über die bereits geleisteten Abschlagszahlungen hinaus weitere 18.000 EUR zu zahlen, weshalb die Klägerin - wie in zweiter Instanz unstreitig geworden ist - eine Gesamtabfindung i.H.v. etwa 85.000 EUR erhalten hat. Dieses Abfindungsangebot, das im Übrigen einen Verzicht auf weitere Forderungen, gleich aus welchen Gründen, aus noch nicht erkennbaren Unfallfolgen beinhaltete, nahm die Klägerin am 4.11.2003 an (Anlage K 14, Bl. 53 GA I). Die Beklagten rechneten das Mandat mit der Klägerin am 7.11.2003 ab. Spätestens Ende 2003 gab es in Gegenwart der Klägerin einen weiteren Besprechungstermin, in dem es um Schadensersatzansprüche ihres Ehemanns, der seinerseits im Juni 2003 einen schweren Motorradunfall erlitten hatte, ging. Gegen-stand dieses Gesprächs war u.a. ein Haushaltsführungsschaden, denn der Ehemann der Klägerin, der seit dem Verkehrsunfall vermehrt Aufgaben im Haushalt übernommen hatte, war dazu nun seinerseits nicht mehr in der Lage.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagten hätten im Zusammenhang mit der Abfindungserklärung die Position "Haushaltsführungsschaden" unbeachtet gelassen, weshalb sie - wie die Klägerin gemeint hat - sie mit Blick auf die angeratene Annahme des Abfindungsvergleiches schlecht beraten hätten. Ihr habe ein die Abfindungssumme sowie die insgesamt erhaltenen Zahlungen, die sie in erster Instanz mit ca. 47.500 EUR beziffert hat, weit übersteigender Anspruch zugestanden. Neben dem Haushaltsführungsschaden sei auch ihr Erwerbsschaden nicht ausreichend berücksichtigt worden. Ferner habe ihr ein höheres Schmerzensgeld zugestanden. Zudem sei es fehlerhaft gewesen sei, ih...

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