Rz. 117

Das BAG hat seine Auffassung, dass sich der Betriebsbegriff i.S.d. § 17 Abs. 1 KSchG an dem der §§ 1, 4 BetrVG orientiert (zuletzt BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 442/16, NZA 2017, 577), inzwischen aufgegeben (BAG v. 13.3.2020 – 6 AZR 146/19, NZA 2020, 1006). Es handelt sich insofern um einen eigenständigen europarechtlichen Betriebsbegriff, der streng von dem des KSchG und des BetrVG zu trennen ist. "Betrieb" i.S.d. MERL ist die Einheit, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben angehören. Dabei muss es sich um eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität handeln, die zur Erledigung einer oder mehrerer Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt (BAG v. 13.3.2020 – 6 AZR 146/19, NZA 2020, 1006). Der Betriebsbegriff des § 17 KSchG ist insofern weiter zu verstehen als der des BetrVG und des KSchG, als die Einheit nicht zwingend wirtschaftlich, finanziell verwaltungsmäßig oder technologisch unabhängig sein muss, um als Betrieb zu gelten (EuGH v. 30.4.2015 – C – 80/14, NZA 2015, 601). Im Gegensatz zu den von Rspr. und Lehre für das BetrVG und das KSchG entwickelten Betriebsbegriff ist der des § 17 KSchG seit der Entscheidung des BAG vom 13.3.2020 hinsichtlich der Organisationsstruktur damit weitestgehend entkernt (Moll, RdA 2021, 49).

 

Rz. 118

Es besteht nach § 17 KSchG eine Anzeigepflicht auch in Betrieben mit i.d.R. bis zu 20 Arbeitnehmern, wenn mindestens sechs Arbeitnehmer von Entlassungen betroffen sind (BAG v. 9.11.2010 – 1 AZR 708/09, ZInsO 2011, 826 = NZA 2011, 466). Das BAG begründet die Anwendung des § 17 KSchG in Kleinbetrieben mit der durch das BetrVG-Reformgesetz 2001 erfolgten Änderung der Bezugsgröße für das Vorliegen von Betriebsänderungen gem. § 111 BetrVG (abzustellen ist seitdem auf die Unternehmens- nicht mehr auf die Betriebsgröße). Zweck der Gesetzesänderung sei es gewesen, die Beteiligungsrechte zu stärken, nicht aber den Schutz für Arbeitnehmer in Kleinbetrieben herabzusetzen (BAG v. 9.11.2010 – 1 AZR 708/09, ZInsO 20011, 826 = NZA 2011, 466).

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