Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Massenentlassungen. Begriff ‚Betrieb’. Methode zur Berechnung der Zahl entlassener Arbeitnehmer

 

Normenkette

Richtlinie 98/59/EG Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a

 

Beteiligte

USDAW und Wilson

Union of Shop, Distributive and Allied Workers (USDAW)

B. Wilson

WW Realisation 1 Ltd

Ethel Austin Ltd

Secretary of State for Business, Innovation and Skills

 

Tenor

Der Begriff „Betrieb” in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ist ebenso auszulegen wie in Buchst. a Ziff. i dieses Unterabsatzes.

Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 98/59 ist in dem Sinne auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die eine Pflicht zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer vorsieht, wenn innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen mindestens 20 Arbeitnehmer eines einzelnen Betriebs eines Unternehmens entlassen werden, nicht aber, wenn die Gesamtzahl der Entlassungen in allen Betrieben oder in bestimmten Betrieben eines Unternehmens innerhalb desselben Zeitraums die Schwelle von 20 Arbeitnehmern erreicht oder übersteigt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal of England and Wales (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 5. Februar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Februar 2014, in dem Verfahren

Union of Shop, Distributive and Allied Workers (USDAW),

B. Wilson

gegen

WW Realisation 1 Ltd, in Liquidation,

Ethel Austin Ltd,

Secretary of State for Business, Innovation and Skills

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas, E. Juhász (Berichterstatter) und D. Šváby,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Union of Shop, Distributive and Allied Workers (USDAW) und von Frau Wilson, vertreten durch D. Rose, QC, und J. Steele, Barrister, im Auftrag von M. Cain, Solicitor,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Christie als Bevollmächtigten im Beistand von T. Ward, QC, und J. Holmes, Barrister,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Banciella Rodríguez-Miñón und M. J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, G. Koós und A. Pálfy als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren, R. Vidal Puig und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Februar 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 225, S. 16).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Union of Shop, Distributive and Allied Workers (USDAW) und Frau Wilson auf der einen und der in Liquidation befindlichen WW Realisation 1 Ltd (im Folgenden: Woolworths) auf der anderen Seite sowie zwischen der USDAW auf der einen und der Ethel Austin Ltd (im Folgenden: Ethel Austin) und dem Secretary of State for Business, Innovation and Skills (Minister für Unternehmen, Innovation und berufliche Qualifizierung, im Folgenden: Minister für Unternehmen) auf der anderen Seite wegen der Rechtmäßigkeit von Entlassungen, die Woolworths und Ethel Austin vorgenommen haben. Dem Minister für Unternehmen wurde im Ausgangsverfahren mit der Begründung der Streit verkündet, dass er, falls Woolworths und Ethel Austin zur Zahlung einer „Schutzentschädigung” verurteilt werden, diese aber nicht leisten können, verpflichtet wäre, den Arbeitnehmern, die dies beantragen, zum Ausgleich dieser Forderung eine Entschädigung in einer von ihm für angemessenen erachteten Höhe im Rahmen des gesetzlich festgelegten Höchstbetrags zu zahlen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/59 geht hervor, dass mit ihr die Richtlinie 75/129/EWG des Rates vom 17. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 48, S. 29) kodifiziert wurde.

Rz. 4

Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/59 ist es unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Europäischen Union wichtig, den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen zu verstärken.

Rz. 5

Die Erwägungsgründe 3 und 4 dieser Richtlinie lauten:

„(3) Trotz einer konvergierenden Entwicklung bestehen weiterhin Unterschiede zwischen den in den Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen hinsichtlich der Vorausset...

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