Rz. 30

War der Anwalt zuvor außergerichtlich tätig, dann ist die Geschäftsgebühr hälftig auf die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 VV). Diese ist wiederum voll auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens (Vorbem. 3 Abs. 5 VV), und nicht etwa nur der nach Anrechnung davon verbleibende Betrag, anzurechnen.[6]

 

Beispiel 21: Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren und vorausgegangener Geschäftstätigkeit

Die Eheleute streiten über den Wert einer im Endvermögen des Ehemannes stehenden Immobilie. Die Ehefrau nimmt einen Verkehrswert von 400.000,00 EUR an, der Ehemann in Höhe von 280.000,00 EUR. Der Zugewinn aus dem übrigen Vermögen ist bereits ausgeglichen. Der Anwalt fordert den Ehemann zunächst außergerichtlich auf, weitere 60,000,00 EUR zu zahlen. Da der Ehemann nicht zahlt, leitet die Ehefrau daraufhin ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Am Sachverständigentermin nimmt der Anwalt teil. Der Sachverständige bestätigt die Wertannahme der Ehefrau. Daraufhin wird das Hauptsacheverfahren über 60.000,00 EUR restlichen Zugewinn eingeleitet, in dem mündlich verhandelt wird.

Jetzt ist zusätzlich eine 1,3-Geschäftsgebühr angefallen, die hälftig auf die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens anzurechnen ist (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV). Die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens ist wiederum auf die Verfahrensgebühr des streitigen Verfahrens anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 5 VV).

 
I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 60.000,00 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 2300 VV   1.622,40 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.642,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   312,06 EUR
Gesamt   1.954,46 EUR
I. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 60.000,00 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   1.622,40 EUR
2.

Gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,

1,3 aus 60.000,00 EUR
  – 811,20 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   1.497,60 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.328,80 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   442,47 EUR
Gesamt   2.771,27 EUR
II. Gerichtliches Verfahren (Wert: 60.000,00 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   1.622,40 EUR
2.

gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen,

1,3 aus 30.000,00 EUR
  – 1.622,40 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   1.497,60 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.517,60 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   288,34 EUR
Gesamt   1.805,94 EUR
 

Rz. 31

Hatte die außergerichtliche Vertretung einen höheren Wert als das Beweisverfahren und wird dieser Wert später im gerichtlichen Verfahren wieder aufgenommen, ist der nicht verbrauchte Anrechnungsbetrag (siehe Rdn 13) jetzt nachträglich im gerichtlichen Verfahren noch anzurechnen.

 

Beispiel 22: Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren und vorausgegangener Geschäftstätigkeit, geringerer Wert im Beweisverfahren

Die Ehefrau verlangt Zugewinn in Höhe von 120.000,00 EUR. Dabei berechnet sie den Wert einer dem Ehemann gehörenden Immobilie mit 200.000,00 EUR. Der Ehemann ist der Auffassung, das Grundstück sei nur 150.000,00 EUR wert. Es wird daraufhin ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt. Nach Abschluss des Beweisverfahrens beantragt die Ehefrau vor dem FamG, den Ehemann zur Zahlung von 120.000,00 EUR zu verpflichten.

Für die außergerichtliche Vertretung ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV angefallen. Insoweit soll von einer 1,3-Geschäftsgebühr ausgegangen werden (Anm. zu Nr. 2300 VV). Der Gegenstandswert beträgt 120.000,00 EUR (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 35 FamGKG).

Im selbstständigen Beweisverfahren ist eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, allerdings nur aus dem Wert von 25.000,00 EUR entstanden, da sich die streitige Wertdifferenz nur insoweit auswirkt (siehe Rdn 6). Darauf ist die Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV hälftig mit 0,65 anzurechnen, allerdings nur aus dem Wert von 25.000,00 EUR.

Im gerichtlichen Verfahren ist jetzt einerseits die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 5 VV), andererseits aber auch der noch nicht angerechnete Betrag der Geschäftsgebühr.[7]

 
I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 120.000,00 EUR)
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   2.064,40 EUR
  (Wert: 120.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.084,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   396,04 EUR
Gesamt   2.480,44 EUR
II. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 25.000,00 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   1.024,40 EUR
  (Wert: 25.000,00 EUR)    
2.

gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,

0,65 aus 25.000,00 EUR
  – 512,20 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 532,20 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   101,12 EUR
Gesamt   633,32 EUR
III. Gerichtliches Verfahren (Wert: 120.000,00 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   2.064,40 EUR
2.

gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen,

1,3 aus 25.000,00 EUR
  – 1.024,00 EUR
3.

gem. Vorbem. 3 Abs...

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