Rz. 38

Ist dem Beweisverfahren eine außergerichtliche Vertretung vorausgegangen, so wird die Geschäftsgebühr der VV 2300 oder auch die der VV 2302 nach VV Vorb. 3 Abs. 4 auf die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens zur Hälfte, höchstens zu 0,75, angerechnet, da dies dann das erste nachfolgende gerichtliche Verfahren nach VV Teil 3 ist.[12] Die Geschäftsgebühr wird dann allerdings nicht nochmals auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits angerechnet.

 

Rz. 39

Kommt es dann nach dem Beweisverfahren zum Hauptsacheverfahren, ist die volle Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens – nicht der um die Anrechnung der Geschäftsgebühr verminderte Betrag nach VV Vorb. 3 Abs. 5 – auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits anzurechnen.[13]

 

Beispiel (Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren und vorangegangener Vertretungstätigkeit): Der Anwalt ist zunächst außergerichtlich tätig wegen Baumängeln i.H.v. 30.000 EUR. Die Sache ist sehr umfangreich, sodass eine 2,0-Gebühr angemessen ist. Anschließend führt der Anwalt das Beweisverfahren durch. Es findet ein Sachverständigentermin statt, an dem er teilnimmt. Hiernach kommt es zum Hauptsacheverfahren, in dem nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.

Die Geschäftsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens mit dem Höchstsatz von 0,75 anzurechnen (VV Vorb. 3 Abs. 4). Die (volle, nicht die um die Anrechnung verminderte) Verfahrensgebühr ist wiederum auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits anzurechnen (nach VV 3101 Nr. 1).

 
I. Außergerichtliche Vertretung
1. 2,0-Geschäftsgebühr, VV 2300   1.910,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.930,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   366,70 EUR
Gesamt   2.296,70 EUR
II. Selbstständiges Beweisverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   1.241,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,   – 716,25 EUR
  0,75 aus 30.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.691,25 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   321,34 EUR
Gesamt   2.012,59 EUR
III. Hauptsacheverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   1.241,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 5 anzurechnen, – 1.241,50 EUR
  1,3 aus 30.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.166,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   221,54 EUR
Gesamt   1.387,54 EUR
 

Rz. 40

Kommt es zu unterschiedlichen Werten, so ist gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 3 bzw. in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift stets nur nach dem Wert anzurechnen, der in die nächste Angelegenheit übergeht. Soweit die Geschäftsgebühr wegen ihres höheren Werts nicht aus dem Gesamtwert auf die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens angerechnet werden kann, ist der noch verbleibende Anrechnungsbetrag dann im Rechtsstreit anzurechnen.[14]

 

Beispiel (Beweisverfahren mit geringerem Wert als nachfolgendes Hauptsacheverfahren und vorangegangene Vertretungstätigkeit[15]): Der Anwalt war zunächst nach einem Wert von 10.243,96 EUR außergerichtlich tätig. Anschließend wurde ein selbstständiges Beweisverfahren über einen Teilbetrag i.H.v. 5.010 EUR geführt, da nur insoweit Beweise zu sichern waren. Im nachfolgenden Rechtsstreit wird wieder die volle Forderung i.H.v. 10.243,96 EUR geltend gemacht.

Zunächst einmal war eine 1,3-Geschäftsgebühr VV 2300 aus 10.243,96 EUR angefallen.

Im selbstständigen Beweisverfahren ist eine Verfahrensgebühr nach VV 3100 angefallen, allerdings nur aus dem geringeren Wert von 5.010 EUR. Darauf ist die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen, und zwar gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 3 aus dem Wert, der aus der außergerichtlichen Vertretung in das Beweisverfahren übergeht, also aus 5.010 EUR.

Im Rechtsstreit entsteht eine Verfahrensgebühr nach VV 3100 aus dem Wert von 10.243,96 EUR. Darauf ist die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens nach VV Vorb. 3 Abs. 5 anzurechnen, und zwar in voller Höhe. Des Weiteren ist noch zu berücksichtigen, dass die Geschäftsgebühr im Beweisverfahren bisher nur teilweise angerechnet worden ist, nämlich soweit sich der Gegenstand der außergerichtlichen Vertretung im Beweisverfahren fortgesetzt hat, also aus 5.010 EUR. Hinsichtlich des Mehrbetrags ist erst das gerichtliche Verfahren das "nachfolgende" Verfahren, sodass der verbliebene Restbetrag der Geschäftsgebühr noch anzurechnen ist. Hinzu kommt dann noch die Terminsgebühr.

 
I. Außergerichtliche Vertretung
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300   865,80 EUR
  (Wert: 10.243,96 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 885,80 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   168,30 EUR
Gesamt   1.054,10 EUR
II. Selbstständiges Beweisverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   507,00 EUR
  (Wert: 5.010,00 EUR)    
2. anzurechnen gem. VV Vorb. 3 Abs. 4,   – 253,50 EUR
  0,65 aus 5.010,00...

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