Rz. 15

Hat der Anwalt mit seinem Auftraggeber keine Gebührenvereinbarung getroffen, so gilt § 34 Abs. 1 S. 2 RVG. Der Anwalt erhält eine Vergütung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Einschlägig ist in diesem Fall § 612 Abs. 2 BGB.[12] Der Anwalt erhält also eine angemessene (ortsübliche) Vergütung. Die Höhe dieser Vergütung richtet sich nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG (§ 34 Abs. 1 S. 3, 2. Hs. RVG). Zu berücksichtigen sind:

Umfang der anwaltlichen Tätigkeit,
Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit,
Bedeutung der Sache,[13]
Einkommensverhältnisse des Auftraggebers und
Vermögensverhältnisse des Auftraggebers (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG) sowie
das besondere Haftungsrisiko des Anwalts (§ 14 Abs. 1 S. 2 RVG).
 

Rz. 16

Nach AG Emmerich kann mangels einer (wirksamen) Vereinbarung von einer 0,75-Gebühr aus dem Gegenstandswert ausgegangen werden.[14] Das AG Bielefeld[15] wiederum hält 190,00 EUR je Stunde für angemessen.

 

Rz. 17

Unzutreffend ist die vereinzelt anzutreffende Ansicht,[16] die Gebühr nach Bürgerlichem Recht müsse unter dem Betrag einer vergleichbaren Geschäftsgebühr liegen.[17]

 

Rz. 18

Zu beachten ist, dass die BGB-Vergütung begrenzt ist, wenn der Anwalt einen Verbraucher berät. Der Begriff des Verbrauchers bestimmt sich nach § 13 BGB.

 

Rz. 19

Berät der Anwalt einen Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, ist eine absolute Höchstgrenze von 250,00 EUR vorgesehen (§ 34 Abs. 1 S. 3, 1. Teils. RVG). Analog Nr. 1008 VV wird man diese Höchstgrenze allerdings bei mehreren Auftraggebern um jeweils 30 %, also um 75,00 EUR, maximal um 200 %, also 500,00 EUR, anheben müssen (siehe Beispiel 6).[18]

Im Falle eines ersten Beratungsgesprächs ist die Vergütung nach bürgerlichem Recht darüber hinaus sogar auf 190,00 EUR beschränkt, wenn der Auftraggeber Verbraucher ist (§ 34 Abs. 1, S. 3, 3. Teils. RVG). Auch hier besteht die Möglichkeit der Erhöhung bei Beratung mehrerer Auftraggeber.[19] Allerdings bestimmt § 34 Abs. 1 RVG keine Regel-, sondern die Höchstgebühr für eine erstmalige anwaltliche Beratung. Der Anwalt kann nicht willkürlich immer eine Gebühr bis zur Höhe von 190,00 EUR fordern.[20]

Unter einem ersten Beratungsgespräch versteht man eine erste überschlägige "Einstiegsberatung", eine pauschale überschlägige Information des Auftraggebers, die es ihm ermöglicht, sich einen ersten Überblick über die Rechtslage zu verschaffen, aufgrund dessen er dann beurteilen kann, ob er dem Anwalt ein weiter gehendes Mandat erteilt oder nicht.[21] Die Begrenzung greift grundsätzlich nicht ein, wenn es zu einem zweiten oder gar weiteren Beratungstermin kommt oder wenn (auch) schriftlich beraten wird.[22] Der Anwalt muss im Rahmen der Erstberatung kein vollständiges Ergebnis präsentieren.[23]

 

Beispiel 5: Beratungsgebühr nach BGB, Erstberatung

Der Anwalt hatte den Auftraggeber, einen Verbraucher, beraten. Gegenstand war nur ein erstes Beratungsgespräch. Eine Gebührenvereinbarung ist nicht getroffen worden.

Es können maximal 190,00 EUR abgerechnet werden. Eine Postentgeltpauschale dürfte bei bloßer mündlicher Beratung nicht angefallen sein (siehe § 38 Rdn 60).

 
1. Beratungsgebühr, § 34 Abs. 1 S. 2 RVG, § 612 BGB   190,00 EUR
  Zwischensumme 190,00 EUR  
2. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   36,10 EUR
Gesamt   226,10 EUR
 

Rz. 20

 

Beispiel 6: Beratungsgebühr nach BGB, Erstberatung für mehrere Auftraggeber

Der Anwalt hatte zwei Auftraggeber, Verbraucher, beraten. Gegenstand war nur ein erstes Beratungsgespräch. Eine Gebührenvereinbarung ist nicht getroffen worden.

Die Begrenzung ist jetzt analog Nr. 1008 VV um 30 % anzuheben, also auf 247,00 EUR (siehe Rdn 19). Eine Postentgeltpauschale dürfte bei bloßer mündlicher Beratung wiederum nicht angefallen sein (siehe Beispiel 5).

 
1. Beratungsgebühr, § 34 Abs. 1 S. 2 RVG, § 612 BGB, Nr. 1008 VV   247,00 EUR
  Zwischensumme 247,00 EUR  
2. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   46,93 EUR
Gesamt   293,93 EUR
 

Rz. 21

Zu beachten ist ferner, dass § 34 RVG keine Regelbeträge, sondern die Höchstbeträge für eine anwaltliche Beratung bestimmt. Der Anwalt kann daher im Falle einer Erstberatung nicht willkürlich immer eine Gebühr bis zur Höhe von 190,00 EUR und bei einer weitergehenden Beratung in Höhe von 250,00 EUR verlangen.[24]

[12] AG Bielefeld AGS 2010, 160; AnwK-RVG/Eder, § 34 Rn 87 ff.
[13] Hier ist auch berücksichtigen, welchen wirtschaftlichen Wert die Beratung für den Auftraggeber hat (AG Brühl AGS 2008, 589 = NJW-RR 2009, 851).
[14] AGS 2008, 484 = JurBüro 2009, 303.
[15] AGS 2010, 160 = ErbR 2010, 222.
[16] AG Stuttgart AGS 2014, 381 = RVGreport 2014, 304.
[17] AG Siegburg AGS 2015, 503 = zfs 2016, 108 = NJW-Spezial 2015, 732 = RVGreport 2016, 58.
[18] LG Neubrandenburg, Urt. v. 26.6.2020 – 1 S 87/19.
[19] So zum früheren Recht LG Braunschweig AGS 1999, 100; AG Potsdam JurBüro 2000, 22; AnwK-RVG/N. Schneider, 3. Aufl., 2004, nach § 34 RVG (Nr. 2102 VV a.F.) Rn 22.
[20] AG Dannenberg AGS 2013, 510 = RuS 2013, 496.
[21] AnwK-RVG/Eder, § 34 Rn 122 ff.
[22] AG Ludwigshafen zfs 1997, 148; AnwK-RVG/Eder, ...

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