Rz. 19

Nach herrschender Meinung regelt die Vorschrift des § 12a Abs. 1 ArbGG nicht nur den Ausschluss der Kostenerstattung für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus § 91 ZPO, sondern darüber hinaus auch den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch. Als materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche könnten in Betracht kommen solche aus Verzug oder solche aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 Abs. 2, 826 BGB. Das BAG schließt solche Ansprüche in ständiger Rspr. aus, da die Vorschrift des § 12a Abs. 1 ArbGG materiell-rechtliche Wirkungen entfaltet und nicht nur den prozessualen Erstattungsanspruch einschränkt (BAG v. 14.12.1977, AP Nr. 14 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten = BAGE 29, 426; BAG v. 30.0.1992, AP Nr. 6 zu § 12a ArbGG 1979 = NZA 1992, 1101; ebenso GMPM § 12a, ArbGG Rn 9; Hauck, ArbGG, § 12a Rn 7).

Zu der Frage, ob § 12a ArbGG § 288 V BGB verdrängt: verneinend LAG Köln v. 22.11.2016 – 12 Sa 524/16, LAG Niedersachsen v. 20.4.2017 – 5 Sa 1263/16; a.A. Driller, NZA 2015, 1095.

 

Rz. 20

Man hüte sich jedoch davor, über taktische Überlegungen hinausgehend, die Regelung des § 12a ArbGG zu missbrauchen. Dies gilt sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer.

 

Beispiele aus der Praxis

Reicht ein Arbeitnehmer dieselbe Klage gleichzeitig vor 74 ArbG ein (so tatsächlich der Fall des ArbG Hamm v. 16.12.1965 – 2 Ca 248/65), so handelt es sich um einen Fall der schikanösen Rechtsverfolgung. In einem solchen extremen Fall kann der Kostenerstattungsanspruch des Arbeitgebers auf § 826 BGB gestützt werden, weil dem Kostenschuldner eine rücksichtslose Ausnutzung der Begrenzungsnorm des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG oder gar eine sittenwidrige Schädigung zur Last fällt (ArbG Hamm v. 16.12.1965 – 2 Ca 248/65, MDR 1966, 272; GK-ArbGG/Wenzel, § 12a Rn 33).

Im Rahmen einer normalen Kündigungsschutzklage begründete der Arbeitgeber die auf § 1 Abs. 2, 1. Alt. KSchG (Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen) gestützte Kündigung u.a. damit, dass durch Schlecht-Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung ein Umsatzverlust von 2 Mio. DM entstanden sei, verwechselte Umsatz mit Gewinn und erhob Widerklage über 2 Mio. DM. Ein derartiges Vorgehen rechtfertigt mit Sicherheit die Annahme der rücksichtslosen Ausnutzung der Begrenzungsnorm des § 12a Abs. 1 ArbGG sowie die Annahme einer sittenwidrigen Schädigungsabsicht i.S.d. § 826 BGB. Als im vorliegenden Fall der an dem Streitwert schuldlose Prozessvertreter des Arbeitnehmers der Anweisung der Rechtsschutzversicherung Folge leistete und Streitwertbeschwerde einlegte, korrigierte das ArbG den Streitwert auf einen Bruchteil. Eine derartige Entscheidung ist sicherlich falsch, da eine Widerklage über 2 Mio. DM einen entsprechenden Streitwert auslöst, und soziale Überlegungen zum Schutz des Arbeitnehmers dem Gericht nicht die Möglichkeit bieten, bezifferte Anträge – und seien sie noch so schlecht begründet – streitwertmäßig herabzusetzen. Die richtige Lösung eines solchen Falles ist, dem Kostengläubiger einen über die Vorschrift des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG hinausgehenden Kostenerstattungsanspruch i.R.d. § 91 ZPO zuzubilligen (so GK-ArbGG/Wenzel, § 12a Rn 33, mit Hinweis auf LAG Hessen v. 21.7.1970, AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XIII, Entsch. 46. Wenzel weist darauf hin, dass das BAG diese Frage bisher offengelassen hat, BAG v. 23.9.1960, NJW 1961, 9).

 

Rz. 21

 

Hinweis

Soweit ein Sachverhalt gem. § 826 BGB vorliegt, ist der Schadensersatzanspruch nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO anzumelden, weil dies zu einer Verlagerung von Rechtsfragen in das Kostenerstattungsverfahren führen würde. Dafür ist das Kostenerstattungsverfahren jedoch nicht geschaffen worden. Der Schadensersatzanspruch ist vorzugsweise unter prozessökonomischen Gesichtspunkten im Wege der Klageänderung, Klageerweiterung bzw. Klageerwiderung oder ggfls. gesondert geltend zu machen.

 

Rz. 22

Nach der Rspr. des BAG ist jedoch § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht entgegenstehend bei der Beantwortung der Frage, ob der Gläubiger Schadensersatzansprüche gem. § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO geltend machen kann. Nach dieser Vorschrift haftet der Drittschuldner dem Gläubiger für den aus der Nichterfüllung seiner Auskunftspflicht aus § 840 Abs. 1 ZPO entstandenen Schaden.

 

Rz. 23

Nach einer Entscheidung des BAG (v. 16.5.1990 – 4 AZR 56/90, NZA 1991, 27 = BAGE 65, 139 = AP Nr. 6 zu § 840 ZPO) schließt die Regelung des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG den Schadensersatzanspruch nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht aus (zustimmend nunmehr auch GMPM, § 12a ArbGG Rn 9 ff. m.w.N.). Germelmann weist zu Recht darauf hin, dass die von dem Gläubiger im arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit gegen den Drittschuldner aufgewandten Prozesskosten Kosten der Zwangsvollstreckung sind und gem. § 788 Abs. 1 ZPO gegen den Schuldner festgesetzt werden können. Der Schadensersatzanspruch nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO habe mit einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch nichts zu tun, damit entfalle auch die Notwendigkeit der Begrenzung, die für prozessuale Kostenerstattungsa...

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