Schadensersatz wegen Anwaltskosten für Compliance-Ermittlungen

Beauftragt ein Arbeitgeber eine Anwaltskanzlei mit Ermittlungen gegen einen Arbeitnehmer und wird dieser einer Vertragspflichtverletzung überführt, kann der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber unter bestimmten Voraussetzungen zum Ersatz der durch das Tätigwerden der Kanzlei entstandenen Kosten verpflichtet sein.

Das BAG hatte unlängst über einen Fall zu entscheiden, in dem es darum ging, ob ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zum Ersatz von Anwaltskosten verpflichtet war, die entstanden waren, nachdem sich ein Arbeitgeber entschieden hatte, unternehmensinterne Verdächtigungen wegen möglicher Vertragspflichtverletzungen des Arbeitnehmers durch eine externe Anwaltskanzlei aufklären zu lassen.

Dem Arbeitnehmer wurden Compliance-Verstöße vorgeworfen

Gegen den betroffenen Arbeitnehmer, einen Einkaufsleiter, wurden unternehmensintern u. a. Vorwürfe wegen Compliance-Verstößen im Zusammenhang mit dem Besuch von Champions-League-Fußballspielen erhoben. Die Ermittlungen offenbarten sodann weitere Verstöße. Die Rechnung der Anwaltskanzlei belief sich auf rund 200.000 EUR, die der Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer ersetzt verlangte. Im Revisionsverfahren stritten die Parteien noch darüber, ob der Arbeitnehmer zum Ersatz von Anwaltskosten in Höhe von 66.500 EUR verpflichtet war.

BAG: Ermittlungskosten können zu ersetzen sein

Das BAG bestätigte hier, ein Arbeitgeber könne grundsätzlich vom Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei

  • entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er die Anwaltskanzlei
  • anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt habe und
  • der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt werde.

Auch Beauftragung Dritter kann erforderlich sein

Unter diesen Voraussetzungen, so das BAG, könne auch die Beauftragung eines Detektivs oder anderer dritter Personen erforderlich sein. Allerdings müsse es sich um Ermittlungsmaßnahmen handeln, die ein vernünftig, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalls zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich ergriffen haben würde.

Seien die Kosten für externe Ermittlungsmaßnahmen des Arbeitgebers höher als die Kosten eigener Ermittlungen, könnten diese nur ersatzfähig sein, wenn eigene Ermittlungen unzumutbar gewesen seien.

Notwendigkeit der Kosten nicht hinreichend dargelegt

Der Arbeitgeber habe, so das BAG, allerdings in dem zur Entscheidung stehenden Fall nicht dargelegt, dass die von ihm geltend gemachten Kosten notwendig gewesen seien. Hier habe es, so das BAG, bereits an einer substantiierten Darlegung gefehlt,

  • welche konkreten Tätigkeiten
  • wann und in welchem zeitlichen Umfang
  • wegen welchen konkreten Verdachts gegen den Kläger

von der beauftragten Anwaltskanzlei ausgeführt worden seien.

Kostenerstattung nicht gesetzlich ausgeschlossen

Dem Ersatzanspruch stehe im Übrigen auch § 12a Abs.1 Satz 1 ArbGG, der als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen, sondern auch einen materiellen Kostenerstattungsanspruch ausschließe, nicht entgegen. Diese Bestimmung finde in einem solchen Fall keine Anwendung, denn:

"Es wäre mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar, wenn sich der Arbeitnehmer, der eine vorsätzliche Vertragspflichtverletzung oder vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen hat, darauf berufen könnte, der Arbeitgeber müsse die Aufwendungen selbst tragen, die durch eben diese vorsätzliche Vertragspflichtverletzung oder vorsätzliche unerlaubte Handlung veranlasst wurden".

(BAG, Urteil v. 29.04.2021, 8 AZR 276/20).

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Norm: § 12a ArbGG Kostentragungspflicht

(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluss der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluss der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.
(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten und dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozessordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.

Schlagworte zum Thema:  Compliance, Anwaltsgebühren, Schadensersatz