Rz. 66

Die Streitwertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren richtet sich nach § 63 Abs. 2 GKG und nicht nach § 33 RVG (GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn 362, 380; LAG Hamm v. 27.7.2007 – 6 Ta 357/07). Die Höhe des Urteilsstreitwerts bemisst sich nach den zuletzt gestellten Anträgen in den letzten mündlichen Verhandlungen. Zu beachten ist, dass die zuletzt gestellten Anträge von den zunächst gestellten Anträgen abweichen können, z.B. wenn die Parteien den Streitgegenstand im Verlauf des Prozesses teilweise für erledigt erklärt haben. Dann stimmt der vom Gericht festgesetzte Urteilsstreitwert nicht mit dem – höheren – Wert überein, aus dem der Anwalt seine Gebühren berechnet (Gebührenstreitwert). Den Gebührenstreitwert setzt das Gericht gem. § 63 Abs. 2 S. 2 GKG auf Antrag fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht es für angemessen hält. Die Festsetzung erfolgt durch Beschluss. Das ArbG muss den Gebührenstreitwert auch dann festsetzen, wenn es gem. § 61 Abs. 1 ArbGG den Urteilsstreitwert bereits festgesetzt hatte. Gerade weil die Wertfestsetzung im Urteil nicht zugleich einen beschwerdefähigen Beschluss enthält, ist eine solche beschwerdefähige Entscheidung zu treffen. Hinsichtlich dieser Entscheidung besteht auch keine Bindungswirkung an den Urteilsstreitwert. § 24 S. 1 GKG gilt nicht im arbeitsgerichtlichen Verfahren (s. hierzu LAG Köln v. 20.6.2003 – 4 Ta 80/03, LAG Köln v. 9.10.2014 – 11 Ta 331/14). Dies gilt auch, wenn zwischen beiden kein Unterschied besteht. Anders als den Urteilsstreitwert darf das ArbG den Gebührenstreitwert gem. § 63 Abs. 3 GKG innerhalb von sechs Monaten ändern. Während die Festsetzung des Urteilsstreitwertes isoliert nicht anfechtbar ist, unterliegt der zur Festsetzung des Gebührenstreitwertes gem. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG der einfachen Beschwerde.

 

Rz. 67

Gem. § 63 Abs. 2 S. 2 RVG hat der Prozessbevollmächtigte ein eigenes Antragsrecht. Dieses Antragsrecht besteht auch, wenn das ArbG den Urteilsstreitwert bereits festgesetzt hat.

 

Rz. 68

Die Beschwerde ist nicht fristgebunden, es gilt jedoch die Ausschlussfrist von sechs Monaten gem. § 68 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG. Eine Beschwer ist im Regelfall aufseiten der Partei anzunehmen bei zu hoher Wertfestsetzung, aufseiten des Rechtsanwaltes bei zu niedriger Wertfestsetzung.

Wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet, sind somit keine Gerichtskosten angefallen, gilt für diesen Fall jedoch die kürzere Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG, d.h. die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung einzulegen (LAG Rheinland-Pfalz v. 4.6.2012 – 1 Ta 104/12).

 

Rz. 69

Zu beachten ist, dass in dem Beschwerdeverfahren nach § 68 GKG und in dem sich anschließenden Streitwertfestsetzungsverfahren das Verschlechterungsverbot nicht gilt. (GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn 375 m.w.N.). Die Festsetzung kann durch das erkennende Gericht von Amts wegen erfolgen, weil die Sache in der zweiten Instanz zur Entscheidung angefallen ist (§ 63 Abs. 3 S. 1 GKG, siehe auch LAG Düsseldorf v. 25.8.2016 – 4 Ta 513/16).

Auf Antrag ist ein Gegenstandswert für zwischen den Parteien verhandelte, nicht rechtshängige Ansprüche festzusetzen, auch wenn darüber keine Einigung erzielt wurde (LAG Baden-Württemberg v. 13.1.2016 – 5 Ta 93/15).

 

Rz. 70

 

Hinweis

Eine Streitwertbeschwerde gem. § 68 GKG sollte deshalb wohl überlegt sein. Ein Prozessbevollmächtigter, der im Eigeninteresse eine Beschwerde einlegt, weil er nach seiner Überzeugung einen zu niedrigen Streitwert erhalten hat, ist gut beraten, wenn er vor der Rechtsmitteleinlegung sich nach der Streitwertpraxis des für ihn zuständigen LAG erkundigt. Ein besonders krasser Fall, der die Problematik verdeutlicht, ist eine Entscheidung des LAG Hamm (v. 27.7.2007 – 6 Ta 357/07). Der Streitwert für das Verfahren wurde auf 37.050 EUR und für den Prozessvergleich auf 397.050 EUR festgesetzt. Der klägerische Anwalt berechnete in seiner Beschwerdeschrift den Vergleichsmehrwert für den Prozessvergleich auf 2.310.835 EUR. Unter Abänderung des erstinstanzlich festgesetzten Streitwertes von Amts wegen legte das LAG Hamm den Wert für das Verfahren auf 31.666,67 EUR und für den Prozessvergleich auf 50.191,67 EUR fest.

 

Rz. 71

 

Praxistipp

Setzt das ArbG nach Ihrer Auffassung den Gegenstandswert/Streitwert für die abgeschlossene Tätigkeit nicht korrekt fest – sei es im Vergleich oder im Urteil – sind Sie nicht darauf angewiesen, dass sich evtl. im Urteilsverfahren ein Rechtsmittelverfahren anschließt, das mit der Hoffnung verbunden ist, dass die nächste Instanz den Gegenstandswert richtig berechnen werde. Sie können von sich aus – insbesondere im Vergleichsverfahren oder wenn Sie obsiegt haben und die Gegenseite kein Rechtsmittel einlegt – gem. § 32 Abs. 2 RVG getrennt die Festsetzung des Gegenstandswertes beantragen und so die Folge des § 32 Abs. 1 RVG vermeiden.

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