Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert eines gerichtlichen Vergleichs mit einer sog. Turboklausel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine sog. "Turboklausel" in einem gerichtlichen Vergleich zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wonach der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis kurzfristig beenden kann und die dadurch ersparte Vergütung ganz oder teilweise als Abfindung erhält, ist vom Streitwert für eine Bestandsstreitigkeit (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG) umfasst.

2. Eine Ausgleichsklausel in einem gerichtlichen Vergleich, die lediglich klarstellenden Charakter hat, ohne dass ein Streit oder eine Ungewissheit über konkrete Ansprüche bestanden haben, führt nicht zu einem Vergleichsmehrwert.

 

Normenkette

RVG § 32; GKG §§ 68, 42 Abs. 2 S. 1, § 63

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Aktenzeichen 12 Ca 2724/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegen den Streitwertbeschluss vom 08.06.2016 in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses vom 15.08.2016 wird zurückgewiesen.

Der Teilabhilfebeschluss wird in Bezug auf die Festsetzung des Vergleichswertes von Amts wegen abgeändert und der Vergleichswert auf 22.961,04 € herabgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

I.Die zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist unbegründet. Der Gegenstandswert für den Vergleich vom 08.06.2016 war abweichend von der Festsetzung des Arbeitsgerichts (23.217,23 €) richtigerweise auf 22.961,04 € zu ermäßigen (dazu 1). Das Begehren der Beschwerdeführer auf höhere Festsetzung des Vergleichswertes auf 28.110,30 € ist unbegründet (dazu 2).

1.Abweichend von der Festsetzung des Arbeitsgerichts war für die Freistellungsvereinbarung in Ziff. 2 des Vergleichs nur ein Betrag von 4.136,76 € anzusetzen. Der Freistellungszeitraum betrug lediglich 113 Kalendertage und damit nicht volle vier Monate (08.06. bis 30.09.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts, von der auch die Parteien ausgehen, ist für die Regelung einer - ausschließlich künftigen - Freistellung in einem Vergleich je Monat 1/4 einer Monatsvergütung, höchstens aber eine volle Monatsvergütung anzusetzen; dabei ist der Wert einer Beschäftigungsklage anzurechnen (LAG Düsseldorf 31.05.2016 - 3 Ta 183/16; ähnlich Streitwertkatalog Nr. I.22.1.4).

Im Beschwerdeverfahren nach § 32 RVG iVm. § 68 GKG (vgl. LAG Düsseldorf 27.06.2012 - 6 Ta 280/12) gilt kein Verschlechterungsverbot (arg. § 63 Abs. 3 GKG). Ausgehend von 4.393,02 € Monatsvergütung ergab sich der oben genannte anteilige ermäßigte Wert.

2.Ein höherer Mehrwert ist auch mit Blick auf die sonstigen Regelungen des Vergleichs nicht gegeben.

a.Die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine sogenannte "Turboklausel" (Ziff. 4 des Vergleichs) findet streitwertmäßig keine Berücksichtigung. Sie ist mit der Wertfestsetzung für den Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses abgedeckt (LAG Düsseldorf 31.05.2016 - 3 Ta 183/16; 25.02.2009 - 6 Ta 92/09). Die Regelung ist unmittelbarer Teil der Beendigungs- und Abfindungsvereinbarung des Vergleichs. Der Umstand, dass die Klägerin eine solche Klausel bei den Vergleichsverhandlungen der Parteien "gefordert" hat, ist nicht gleichzusetzen mit einem "Streit oder einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis" (Nr. 1000 VV Anlage 1 RVG). Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin einen Rechtsanspruch auf eine Turboklausel geltend gemacht hätte. Vielmehr handelte es sich um eine "Forderung", die ausschließlich als Gegenleistung für die Einwilligung der Klägerin in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben wurde und über die unabhängig davon keinerlei Streit oder Ungewissheit zwischen den Parteien bestanden hätte. Eine solche Regelung ist von der Wertfestsetzung gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 GKG umfasst.

b.Die Zeugnisregelung in Ziffer 5 des Vergleichs ist bereits beim Verfahrenswert berücksichtigt und somit im Vergleichswert enthalten.

c.Eine Ausgleichsklausel erhöht nach der ständigen Rechtsprechung der Streitwertkammer den Vergleichswert nur, wenn darin ausdrücklich Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis erledigt werden (LAG Düsseldorf 15.08.2006 - 6 Ta 436/06; 28.02.2011 - 2 Ta 68/11; ebenso Streitwertkatalog Stand 4/16, Ziff. I 22.1.5). Dies ist hier nicht der Fall.

II.Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs. 1 RVG, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 9724256

JurBüro 2016, 638

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