Rz. 76

Nach § 8 Abs. 6 S. 1 FStrG und den insofern gleich lautenden landesrechtlichen straßenrechtlichen Regelungen (vgl. z.B. § 19 NdsStrG, § 18 Abs. 7 SStrG; § 19 S. 1 StrG LSA) bedarf es keiner straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis, wenn nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist. Hintergrund und Sinn dieser Regelung ist die Verfahrenskonzentration.[145] Die Belange der für die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis zuständigen Behörde werden gewahrt, indem diese vorher zu hören ist und die von ihr geforderten Bedingungen, Auflagen und Gebühren dem Antragsteller in der Ausnahmegenehmigung aufzuerlegen sind (vgl. § 8 Abs. 6 FStrG; § 18 Abs. 1 S. 2, Abs. 7 SStrG). Diese Verfahrenskonzentrationswirkung berührt allerdings nicht die Befugnis der nach Straßenrecht zuständigen Behörde, gegen unerlaubte Sondernutzungen einzuschreiten (vgl. § 8a FStrG).[146]

 

Rz. 77

So stellt z.B. ein Umzug anlässlich des Martinstages eine straßenverkehrsrechtliche Sondernutzung einer öffentlichen Verkehrsfläche i.S.d. § 29 Abs. 2 StVO dar, da es sich bei dem Umzug mit einer hohen angemeldeten Teilnehmerzahl (im Fall: 65 Personen) um eine mehr als verkehrsübliche Inanspruchnahme des Straßenkörpers handelt.[147] Wird in der Antragsstellung und -begründung zu diesem Umzug nicht dargelegt, dass es sich um eine ortsübliche Prozession oder eine andere ortsübliche kirchliche Veranstaltung bzw. kleinere örtliche Brauchtumsveranstaltung im Sinne der Verwaltungsvorschriften zu § 29 StVO handelt, welche von der Erlaubnispflicht ausgenommen sind,[148] und handelt es bei dem Umzug auch nicht um eine Versammlung bzw. einen Aufmarsch im Sinne des Versammlungsrechts, so bleibt es bei der straßen-/straßenverkehrsrechtlichen Bewertung mit ihrer Konzentrationswirkung.[149]

 

Rz. 78

Dem Regelungsmodell, das § 8 Abs. 6 FStrG in Bezug auf die Bundesfernstraßen vorsieht, folgt z.B. § 19 NStrG. Entsprechende landesrechtliche Bestimmungen haben – wie Niedersachsen – auch die meisten anderen Bundesländer erlassen. Zu § 19 NStrG und insbesondere zur Sondernutzungsgebühr hat das BVerwG entschieden:[150]

Zitat

"… § 19 NStrG regelt – wie das Berufungsgericht ebenfalls verbindlich festgestellt hat – zweierlei: Zum einen wird unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen auf die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis verzichtet. Das hängt nach dieser Bestimmung allein davon ab, ob die Erteilung einer Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts "erforderlich" ist. Es kommt somit schon dem Wortlaut nach nicht darauf an, ob eine straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung tatsächlich erteilt worden ist. Mit dieser Auslegung folgt das Berufungsgericht der Rechtsprechung des BVerwG zur entsprechenden (bundesrechtlichen) Regelung in § 8 Abs. 6 FStrG.[151] Neben diesem Verzicht auf eine Sondernutzungserlaubnis ordnet § 19 S. 3 NStrG eine Verlagerung der sachlichen Zuständigkeit für die Erhebung der dem Nutzer gleichwohl aufzuerlegenden Sondernutzungsgebühr an. Vom Träger der Straßenbaulast bzw. bei Ortsdurchfahrten von der Gemeinde (vgl. § 18 Abs. 1 S. 2 NStrG) geht die Zuständigkeit für die Gebührenerhebung auf die Behörde über, die für die Erteilung der straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung zuständig ist, mit anderen Worten: auf die Straßenverkehrsbehörde.[152] … Dagegen, dass gemäß § 19 S. 3 NStrG trotz des Verzichts auf eine gesonderte Sondernutzungserlaubnis eine Sondernutzungsgebühr erhoben werden soll, ist aus Sicht des Bundesrechts – einschließlich des aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes herzuleitenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – nichts zu erinnern. Denn die Sondernutzungsgebühr wird nicht als Gegenleistung für die Verwaltungsleistung "Erteilung einer Genehmigung" erhoben, sondern für die Hinnahme einer den Gemeingebrauch übersteigenden Nutzung der öffentlichen Sache Straße und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs anderer; die Gebühr entsteht also für die Tatsache der Sondernutzung.[153] … Da die Gesichtspunkte, die bei der Entscheidung über eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung oder über eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis zu berücksichtigen sind, weitgehend deckungsgleich sind, ist eine Verfahrenskonzentration sinnvoll. Der Betroffene muss dadurch nicht zwei, sondern nur eine Ausnahmegenehmigung einholen; er muss sich dazu nicht – wie häufig – an zwei Behörden, sondern nur an eine Stelle, nämlich die Straßenverkehrsbehörde, wenden.[154] Es beruht auf einer autonomen Entscheidung des Landesgesetzgebers, wenn in den Fällen einer "Konkurrenz" von straßenverkehrsrechtlicher und straßenrechtlicher Ausnahmegenehmigung die straßenrechtliche Genehmigungspflicht zumindest in formeller Hinsicht zurücktritt. Schon deshalb ist auch kein Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes zu erkennen, wie i...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge