Rz. 369

§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt wie § 852 Abs. 1 BGB a.F. voraus, dass ein Schaden überhaupt schon entstanden ist. Gerade der Schadenseintritt ist das Ereignis, von dem an der Geschädigte mit Ersatzansprüchen und hierfür laufenden Fristen rechnen muss.[318] Die rechtliche Möglichkeit einer Feststellungsklage bestimmt nicht schon den Zeitpunkt der Schadenentstehung; erst zukünftiger Schaden ist i.S.v. § 198 S. 1 BGB noch nicht entstanden.[319]

 

Rz. 370

Auch grob fahrlässige Unkenntnis schadet ab dem 1.1.2002.[320]

[318] OLG Zweibrücken v. 21.10.1997 – 5 U 56/95 – VersR 1998, 1286 m.w.N.
[319] OLG Zweibrücken v. 21.10.1997 – 5 U 56/95 – VersR 1998, 1286 unter Hinweis auf BGH v. 23.3.1987 – II ZR 190/86 – BGHZ 100, 228 = DB 1987, 1478 = MDR 1987, 644 = NJW 1987, 1887 = NJW-RR 1987, 925 (nur Ls.).
[320] BGH v. 23.1.2007 – XI ZR 44/06 – BGHReport 2007, 430 = BGHZ 171, 1 = DStR 2007, 685 (Anm. Goette DStR 2007, 821) = NJW 2007, 1584 (Anm. Witt) = VersR 2007, 1090 = WM 2007, 639 = ZIP 2007, 624.

a) Schadenseinheit

 

Rz. 371

 

Hinweis

Siehe Rdn 291, 297; § 2 Rdn 1158 ff.

 

Rz. 372

Nicht erforderlich ist die Kenntnis vom Umfang des Schadens und seiner einzelnen Schadenfolgen. Der Schaden ist eine Einheit: Die Verjährungsfrist beginnt für den gesamten Schaden – auch hinsichtlich künftiger Beeinträchtigungen – mit dem Eintritt des Schadenereignisses.

 

Rz. 373

Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist der Eintritt der ersten Schadensfolge. Treten später weitere Folgen hinzu, beginnt die Verjährung nicht von neuem.

 

Rz. 374

Für außerhalb dieser Schadenseinheit liegende Schadenfolgen verbleibt es bei § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, d.h. für den Beginn der Verjährung eines auf Ersatz solcher Schäden gerichteten Anspruchs kommt es auf den Kenntnisstand des Geschädigten selbst an.

b) Schadenausmaß

 

Rz. 375

Die Kenntnis vom Schaden ist nicht gleichbedeutend mit der Kenntnis vom Umfang des Schadens.[321] Geht es um den Ersatz eines Personenschadens, reicht die Kenntnis aus, dass ein (irgendein) Personenschaden entstanden ist. Ausreichende Tatsachenkenntnis ist i.d.R. gegeben, wenn der Verletzte aufgrund der ihm bekannten Umstände gegen eine bestimmte Person eine Schadenersatzklage erheben kann, die bei verständiger Würdigung der sich bietenden Sachlage so viel Erfolgsaussicht hat, dass die Erhebung zumindest zumutbar erscheint[322] (siehe auch die Fußnote zu Rdn 289339). Die Kenntnis des Verletzten vom Schaden muss sich auch darauf erstrecken, dass er selbst geschädigt ist und daher als Inhaber einer Schadenersatzforderung in Betracht kommt.[323]

 

Rz. 376

Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Schadens im Allgemeinen. Alle Schadenfolgen, deren Eintritt im Zeitpunkt der allgemeinen Schadenkenntnis nur als möglich voraussehbar war, werden dabei umfasst.[324] Die volle Übersehbarkeit des Umfanges und der Höhe des Schadens ist für den Verjährungsbeginn nicht erforderlich. Der Grundsatz der Schadenseinheit beruht auf den Geboten der Rechtsklarheit und -sicherheit; hieraus folgt, dass Ausnahmen von diesem Grundsatz nur in eng begrenzten Fällen akzeptabel sind.[325]

 

Rz. 377

Für die Beurteilung der möglichen Voraussehbarkeit kommt es nicht stets auf die Sicht des Geschädigten an; entscheidend kann auch die Sicht medizinischer Fachkreise (z.B. bei HWS-Problematiken[326]) sein. Nur Schadenfolgen, die im Zeitpunkt der allgemeinen Kenntnis vom Schaden auch für Fachleute nicht voraussehbar sind, werden von der Schadenseinheit nicht erfasst.[327]

[321] BGH v. 27.11.1990 – VI ZR 2/90 – LM § 242 BGB [Cb] Nr. 20 = NJW 1991, 973 = NZV 1991, 143 = r+s 1992, 107 = VersR 1991, 115 = VRS 80, 321; BGH v. 11.7.1989 – VI ZR 234/88 – NJW-RR 1989, 1367; BGH v. 20.4.1982 – VI ZR 197/80 – r+s 1982, 141 = VersR 1982, 703 = zfs 1982, 260; BGH v. 10.7.1979 – VI ZR 24/77 – VersR 1979, 1106 = VRS 57, 249; OLG Koblenz v. 7.7.2000 – 8 U 1560/99 – VersR 2002, 64; OLG Zweibrücken v. 5.4.1994 – 1 U 252/92 – SP 1994, 212 = VersR 1994, 1439.
[322] BGH v. 2.4.1998 – III ZR 309/96 – VersR 1998, 1019 m.w.N.; BGH v. 31.10.1989 – VI ZR 84/89 – DAR 1990, 60 = MDR 1990, 532 = NJW-RR 1990, 222 = NZV 1990, 114 = VersR 1990, 167 = zfs 1990, 120 (nur Ls.); BGH v. 11.2.1980 – II ZR 259/78 – VersR 1980, 846 = zfs 1980, 327; OLG Hamm v. 31.1.1994 – 6 U 128/93 – zfs 1994, 397.
[323] BGH v. 17.10.1995 – VI ZR 246/94 – MDR 1996, 151 = NJW 1996, 117 = VersR 1996, 76 = WI 1995, 205 = zfs 1996, 86.
[324] BGH v. 16.11.1999 – VI ZR 37/99 – DAR 2000, 115 = JurBüro 2000, 331 (nur Ls.) = MDR 2000, 270 = NJW 2000, 861 = NZV 2000, 204 = r+s 2000, 110 = SP 2000, 86 = VersR 2000, 331 = VRS 98, 264 = zfs 2000, 150; BGH v. 3.6.1997 – VI ZR 71/96 – DAR 1997, 395 = NJW 1997, 2448 = NZV 1997, 395 = r+s 1997, 368 = VersR 1997, 1111 = zfs 1997, 365; BGH v. 27.11.1990 – VI ZR 2/90 – LM § 242 [Cb] BGB Nr. 20 = NJW 1991, 973 = NZV 1991, 143 = r+s 1992, 107 = VersR 1991, 115 = VRS 80, 321 (11 Jahre nach HWS-Schleudertrauma Querschnittlähmung); BGH v. 16.10.1990 – VI ZR 275/89 – NJW-RR 1991, 470 = r+s 1991, 115 = VersR 1991, 179; BGH v. 3.11.1987 – VI ZR 176/87 – DAR 1...

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