Rz. 334

Für die Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen reicht es im Allgemeinen aus, wenn der Geschädigte auf der Grundlage der ihm bekannten Tatsachen zumindest eine aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Feststellungsklage erheben kann.[266]

 

Rz. 335

Tatsachenkenntnis ist differenziert zu betrachten:

Die Verjährung beginnt erst dann, wenn der Geschädigte auch die Tatsachen kennt, die auf ein schuldhaftes Verhalten des Schädigers hinweisen, d.h. diejenigen Umstände, die eine Haftpflichtigkeit begründen.[267]
Haftpflichtigkeit nach § 7 StVG setzt aber nur die Betriebsgefahr und nicht darüber hinaus auch Verschulden voraus.
Bei vorsätzlicher Rechtsgutverletzung kann es auch auf die Kenntnis solcher Umstände ankommen, die geeignet sind, die Rechtswidrigkeit auszuschließen.
 

Rz. 336

Ein – auch noch so entschiedenes – Bestreiten des Anspruchsgegners berührt nicht die Kenntnis.[268]

 

Rz. 337

Ausreichend ist die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, nicht erforderlich ist aber deren zutreffende rechtliche Würdigung.[269] Ein Rechtsirrtum hindert den Verjährungsbeginn grundsätzlich nicht.[270] Notfalls muss der Geschädigte sich rechtskundig machen.[271] Nur bei besonders verwickelten und unklaren Rechtslagen können auch erhebliche rechtliche Zweifel bis zu ihrer Klärung die Kenntnis des Geschädigten ausschließen.[272] Zur Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände gehört in Fällen unzureichender Sachaufklärung auch die Kenntnis der Umstände, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt.[273]

 

Rz. 338

Unerheblich ist, ob der Geschädigte aus ihm bekannten Tatsachen zutreffende Schlüsse auf den in Betracht kommenden naturwissenschaftlich zu erkennenden Kausalverlauf zieht.[274]

 

Rz. 339

Zweifel an der Beweisbarkeit des Sachverhaltes schließen den Verjährungsbeginn nicht aus.[275] Gefordert ist keine Gewissheit, die auf die für die Prozessführung benötigten Beweise gestützt ist, sondern nur ein solcher Grad vernünftiger, auf Tatsachen gestützter Überzeugung, dass das Risiko einer klageweisen Geltendmachung der Ansprüche vertretbar erscheint[276] (siehe auch Fußnote zu Rdn 375). Es ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können.[277] Zweifel des Verletzten, ob der Ersatzpflichtige den Entlastungsbeweis (§§ 831, 836 BGB) erbringen wird, berühren den Lauf der Verjährung nicht.

 

Rz. 340

Gerade für Arzthaftpflichtprozesse gilt, dass die Kenntnis vom Misserfolg einer Behandlung nicht gleichzeitig die Kenntnis von einem Behandlungsfehler belegt und die Kenntnis vom Behandlungsfehler nicht stets auf die Kenntnis von seiner Ursächlichkeit für den Misserfolg hindeutet.[278] Es reicht nicht aus, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der Behandlung bekannt ist, er muss darüber hinaus auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolges schließen können.

 

Rz. 341

Bei Ansprüchen aus § 839 BGB beginnt die Verjährung, wenn der Geschädigte weiß, dass die in Rede stehende Amtshandlung widerrechtlich und schuldhaft war, ferner auf andere Weise kein Ersatz zu erlangen ist,[279] und deshalb eine zum Schadenersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung darstellt[280] (siehe ergänzend Rdn 364). Soweit bei Amtspflichtverletzungen die Prüfung sich nicht auf die "Richtigkeit" einer Maßnahme erstreckt, sondern (wie z.B. bei bestimmten Maßnahmen der Staatsanwaltschaft)[281] auf deren "Vertretbarkeit",[282] muss sich das Wissen des Geschädigten des Weiteren auch auf die "Unvertretbarkeit" der Maßnahme erstrecken.[283]

[266] BGH v. 25.7.2017 – VI ZR 433/16 – MDR 2017, 1302 = NJW 2017, 3510 = r+s 2017, 612 = VersR 2017, 1486; BGH v. 8.11.2016 – VI ZR 594/15 – MDR 2017, 86 = NJW 2017, 949 = r+s 2017, 156 = VersR 2017, 165 (Der Verjährungsbeginn setzt keineswegs voraus, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Es muss dem Geschädigten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm oder seinen Vertretern hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko); BGH v. 23.7.2015 – III ZR 196/14 – BeckRS 2015, 13843 = MDR 2015, 1180 = NVwZ 2016, 708 (Die erforderliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis als Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist ist vorhanden, wenn der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie ihm zumutbar ist.); BGH v. 15. 3.2011 – II ZR 204/09 – DB 2011, 1265 = WM 2011, 979 = ZIP 2011, 1007; BGH v. 12.5.2009 – VI ZR 294/08 – BGHReport 2009, 875 = DB 2009, 1459 = MDR 2009, 926 = NJW-RR...

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