Rz. 135

Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers führt zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn diese Obliegenheitsverletzung ursächlich für einen Eintritt oder den Umfang des Schadens war.

1. Beweislast

 

Rz. 136

Der Versicherer muss den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung beweisen. Objektiv falsche Angaben sind ein Indiz für Vorsatz. Es verbleibt dem Versicherungsnehmer dann die Möglichkeit, die Vermutung für ein vorsätzliches Handeln zu entkräften. Der Versicherungsnehmer muss daher beweisen, dass er nicht vorsätzlich gehandelt hat.[123]

 

Rz. 137

Wenn der Versicherungsnehmer behauptet, seine falschen Angaben beruhten auf einer nachträglich eingetretenen Bewusstseinsstörung (retrograde Amnesie), ist der Versicherungsnehmer für diese Behauptung beweispflichtig.[124]

[123] BGH, VersR 2007, 382 = r+s 2007, 93 = SP 2007, 105 = NZV 2007, 186; KG, r+s 2004, 408; OLG Saarbrücken, r+s 2006, 236; OLG Köln, r+s 2007, 100.
[124] BGH, r+s 2007, 93 = NZV 2007, 186 = VersR 2007, 389; BGH – IV ZR 40/06, VersR 2008, 484.

2. Kausalität

 

Rz. 138

Auch eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung wirkt sich nur dann aus, wenn dies ursächlich für den Schaden oder dessen Feststellung oder dessen Umfang war. Kausalität wird vermutet. Der Versicherungsnehmer muss dann diese Vermutung entkräften und den Kausalitätsgegenbeweis führen (E.6.2 AKB 2008).

 

Rz. 139

Rechtsprechung:

Falsche Angaben zu Vorschäden berechtigen den Versicherer zu einer Leistungskürzung von 20 %.[125]
Wenn ein Versicherer die AKB nicht dem VVG 2008 angepasst hat, sind die Sanktionen bei vertraglichen Obliegenheitsverletzungen nach altem Recht unwirksam; es kommt auch kein Leistungskürzungsrecht gemäß § 28 Abs. 2 S. 2 VVG 2008 in Betracht.[126]
Unfallflucht ist nicht generell arglistig, der Kausalitätsgegenbeweis ist möglich.[127]
Bei Unfallflucht kann der Versicherungsnehmer nicht den Kausalitätsgegenbeweis durch die Benennung von Zeugen für seine Behauptung antreten, seine Fahrtauglichkeit sei nicht durch Alkohol beeinträchtigt gewesen.[128]
Der Versicherer ist in der Vollkaskoversicherung wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer es zulässt, dass seine Mutter sich wahrheitswidrig als Fahrerin ausgibt.[129]
Der Kausalitätsgegenbeweis bei Falschangaben zur Laufleistung eines Fahrzeugs ist geführt, wenn der Versicherer im Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits die tatsächliche Kilometerleistung kannte.[130]
Falsche Angaben zur Kilometerleistung eines entwendeten Fahrzeugs führen dann nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn keine Arglist vorliegt und der Versicherer die höhere Fahrleistung bereits aufgrund der Schlüsselauswertung kannte.[131]
Die Vorlage unzutreffender Rechnungen rechtfertigt den Vorwurf der Arglist.[132]
Das Verschweigen von Vorschäden erfolgt im Regelfall arglistig.[133]
Vorsätzlich falsche Angaben zum Unfallhergang erfolgen im Regelfall arglistig.[134]
Vorsätzlich falsche Angaben zur Sicherung eines Wohnwagens rechtfertigen den Vorwurf der Arglist.[135]
Falschangaben zum Kaufpreis rechtfertigen den Vorwurf der Arglist.[136]
 

Rz. 140

Es fehlt an der Ursächlichkeit falscher Angaben zu wertbildenden Faktoren des Fahrzeuges, wenn sich die richtigen Werte aus den Unterlagen und Belegen ergeben, die dem Versicherer zur Verfügung gestellt worden sind.[137]

[125] LG Nürnberg-Fürth, 8 O 744/10, r+s 2010, 412.
[127] BGH, IV ZR 97/11, zfs 2013, 91 = VersR 2013, 175 = r+s 2013, 61 = NZV 2013, 197; LG Bonn, 8 S 118/13, zfs 2014, 215; a.A.: KG, 6 U 66/10, zfs 2011, 92; LG Düsseldorf, 20 S 7/10, zfs 2010, 573.
[128] KG, 6 U 66/10, zfs 2011, 92; OLG Naumburg, 4 U 85/11, zfs 2012, 696 = VersR 2013, 178 = NJW-RR 2013, 37.
[131] KG, 6 U 103/10, r+s 2011, 15 = VersR 2011, 789; OLG Oldenburg, 5 U 27/11, zfs 2012, 91.
[132] OLG Frankfurt, 15 U 56/11, SP 2012, 117.
[133] LG Saarbrücken, 14 S 2/11, VersR 2012, 98.
[134] LG Hannover, 6 O 120/09, SP 2012, 82.
[135] LG Oldenburg, 13 O 3444/10, r+s 2012, 113 = VersR 2012, 1183.
[136] OLG Düsseldorf, 4 U 102/13, SP 2014, 421.

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